Manchmal bemerkt man es gleich nach der Operation: Da ist irgendetwas nicht glatt verlaufen. Aber oftmals dauert es, bis klar wird: Das sind keine OP-Schmerzen. Die Hüfte tut auch noch Wochen danach weh und das Knie ist nach Monaten nicht belastbar. In 466 Fällen haben sich Patienten in Rheinland-Pfalz 2023 an den Medizinischen Dienst gewandt, weil sie den Verdacht hatten, dass bei ihrer Behandlung etwas falsch gemacht wurde. Bundesweit gab es bei Behandlungen von Knie- und Hüftgelenkverschleiß die meisten Verdachtsfälle, aber auch in Fachgebieten, wie etwa der Geburtshilfe, überprüfte der Medizinische Dienst mögliche Behandlungsfehler.
Über 3.000 Schäden durch Behandlungsfehler Medizinischer Dienst: "Deutschland tut nicht genug zur Fehlervermeidung"
Über 3.000 nachgewiesene Behandlungsfehler hat es laut Statistik des Medizinischen Dienstes im vergangenen Jahr bundesweit gegeben.
Bei 27,1 Prozent (2022: 34 Prozent) der überprüften Fälle in Rheinland-Pfalz bestätigte sich der Verdacht auf einen Behandlungsfehler, wie eine Sprecherin des Medizinischen Dienstes in Alzey mitteilte. In 93 Fällen, also jedem fünften untersuchten Fall, verursachte der Behandlungsfehler nachweislich einen Schaden. Und nur in diesen Fällen haben Patientinnen und Patienten auch Aussicht auf Schadenersatz, wie es hieß.
Medizinischer Dienst fordert Meldepflicht für Behandlungsfehler
Bei mehr als 70 Prozent der untersuchten Fälle konnten Gutachter in Rheinland-Pfalz dagegen keinen Behandlungsfehler feststellen. Und es gab auch keine Todesfälle nach Behandlungsfehlern. Bundesweit starben dagegen 75 Menschen durch einen Fehler des medizinischen Personals.
Die Zahlen spiegeln nach Angaben des Medizinischen Dienstes nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Behandlungsfehler wider, da diese in Deutschland nicht zentral erfasst würden. Der Medizinische Dienst fordert, dass sich das ändert. Nur wenn Behandlungsfehler systematisch erfasst würden, könnten Ärzte und Ärztinnen aus den Fehlern lernen und die Sicherheit der Patienten würde verbessert.
Nach Auffassung des Medizinischen Dienstes sollten Ärzte besonders schwerwiegende, aber vermeidbare Behandlungsfehler melden müssen. Beispielsweise, wenn Patienten verwechselt, versehentlich die falschen Medikamente gegeben oder die falsche Körperseite operiert werde.
Aber auch zurückgebliebenes OP-Material im Körper müsse meldepflichtig sein, fordert der Medizinische Dienst. "Weil man daraus systematisch Präventionsmaßnahmen ableiten und so die Patientensicherheit verbessern könnte", sagte Jürgen Koehler, Vorstandsvorsitzender der Organisation in Rheinland-Pfalz. Solche Fehler zeigten etwa, dass Sicherheitsvorkehrungen wie Checklisten und Markierungen von Patienten vor Eingriffen nicht angewendet würden, hieß es weiter.
Verdacht auf Behandlungsfehler der Krankenkasse melden
Bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler sollten sich Betroffene zunächst an ihre Krankenkasse wenden. Sie kann dann den Medizinischen Dienst anweisen, ein Gutachten zu erstellen, ob ein Behandlungsfehler einen Schaden beim Versicherten verursacht habe. Den Versicherten entstehen dadurch keine Kosten. Eine gutachterliche Bestätigung des Verdachts kann Schadenersatzansprüche oder Forderungen nach Schmerzensgeld untermauern.
Ein Fehler liegt dann vor, wenn die Behandlung nicht dem fachlichen Standard entspricht. Fehler können in den unterschiedlichsten Bereichen der medizinischen Versorgung entstehen - von der Aufklärung im Patientengespräch bis zur Befunderhebung, bei einer Operation oder der Auswahl von Medikamenten.