US-Wahlkampf: Haben die Demokraten noch eine Chance gegen Trump?

Stand
Das Interview führte
Stefan Eich
Onlinefassung
Sebastian Felser

Audio herunterladen (7 MB | MP3)

Der Nominierungsparteitag der Republikaner war sich sicher: Donald Trump ist der 45. und wird bald der 47. Präsident der Vereinigten Staaten sein. Nach dem Mordanschlag, den er wie durch ein Wunder überlebt hat, wirkt er stärker denn je - fast unschlagbar. Dazu trägt auch sein designierter Vizepräsident James David Vance bei. Er ist der Autor der "Hillbilly Elegy" und soll bei der weißen Unterschicht punkten. Auf der anderen Seite steht Joe Biden. Wirtschaftszahlen weisen zwar auf eine gute Bilanz seiner Amtszeit hin, aber Wählerinnen und Wähler spüren die zeitweise hohe Inflation deutlich an Kaufkraftverlusten. Dazu macht er häufig aufgrund seines Alters einen schwachen Eindruck in der Öffentlichkeit, vor allem, wenn er frei sprechen soll.

Claudia Brühwiler, Professorin für Politiktheorie und Amerikastudien an der Universität von St. Gallen, beobachtet den US-Wahlkampf aktuell in Wisconsin und im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Stefan Eich analysiert sie die schwierige Lage der US-Demokraten.

SWR Aktuell: Donald Trump überlebt ein Attentat, kurz danach spricht er wieder vor seinen Anhängern. Wie sollte ein Joe Biden dagegen ankommen, bei dem man, überspitzt formuliert, Sorge haben muss, dass er schon auf den drei Stufen zur Bühne in den Tod stürzt?

Claudia Brühwiler: Es ist tatsächlich so, dass Donald Trump im Moment alle Karten auf seiner Seite hat. Die Republikaner zeigen sich ungemein geeint. Wer die Bilder vom Parteikonvent sieht, wer die Reden dort hört, der sieht eine Partei, der hört eine Partei, die siegessicher ist, die sich auch ein bisschen unbesiegbar wähnt. J. D. Vance hat sich der Partei präsentiert und dabei eine wirklich beeindruckende Rede gehalten. Es scheint im Moment sehr gut für die Republikaner zu laufen. Allerdings bis November ist es noch eine lange Zeit. Die Frage ist natürlich jetzt: Wird Biden der Kandidat sein im November? Wenn nein, wird es Kamala Harris sein? Wer auch immer für die Demokraten ins Rennen gehen wird, muss sich darauf konzentrieren, die Wahl nicht allein auf Donald Trump zu fokussieren. Also keine Wahl, Trump zu verhindern, sondern dass man mit Inhalten versucht, zu punkten.

Video herunterladen (127,8 MB | MP4)

SWR Aktuell: Welche Inhalte könnten das sein? Und welche Personen außer Vizepräsidentin Harris wären dann mögliche Kandidaten, falls Biden doch zurückzieht?

Brühwiler: Was die Inhalte angeht, so ist es recht einfach. Die Demokraten werden ständig angegriffen bezüglich der Migrationspolitik und der wirtschaftlichen Lage. Bei der wirtschaftlichen Lage wird vieles schwarzer gemalt, als es nötig ist, da die Wirtschaft eigentlich sehr gut läuft. Ein großes Problem hier ist die Inflation, die die Amerikanerinnen und Amerikaner bedrückt. Hier müssen die Demokraten erstens zeigen, was sie geleistet haben, und zweitens, wie sie die Inflation in den Griff bekommen möchten. Bei der Migration haben sie bereits gehandelt. Hier gilt es auch zu zeigen, welche weiteren Schritte sie tun werden. Das andere große Thema, das für die Demokraten spricht, ist die Abtreibungsfrage. Hier hat die republikanische Partei zwar einen gewissen Kurswechsel eingeschlagen und wesentlich moderatere Töne angestimmt anlässlich des Parteikonvents, aber dennoch: Die Glaubwürdigkeit in dieser Frage ist zumindest bei jüngeren Wählerinnen und Wählern, bei Frauen, die dieses Thema besonders beschäftigt, doch auf Seiten der Demokraten. Was die Alternativen zu Kamala Harris anbetrifft, so steht es da – muss man wirklich sagen - zum jetzigen Zeitpunkt schlecht. Für Harris spricht, dass sie bereits nationale Bekanntheit hat, dass sie regierungserfahren ist und dass die Übertragung der Kampagnen-Finanzen – und das ist eine wichtige Frage der amerikanischen Politik – wesentlich einfacher verlaufen wird, wenn sie die Kandidatin ober "auf dem Ticket" sein wird. Es wird eher interessant zu schauen, sollte sie tatsächlich in die Situation kommen und die Kandidatin für die Präsidentschaft sein, wen sie sich dann an die Seite holt für die Vizepräsidentschaft.

Video herunterladen (1007,9 MB | MP4)

SWR Aktuell: Ist Frau Harris in den Vereinigten Staaten deutlich bekannter als hier in Deutschland? Denn hier fragt man sich: Was macht die eigentlich?

Brühwiler: Diese Frage stellen sich viele Amerikaner auch und viele werfen ihr auch vor, dass sie zu wenig aus dem Amt gemacht hat. Das liegt aber an einer Fehleinschätzung dessen, was die Vizepräsidentschaft eigentlich darstellt. Wir erinnern uns an Joe Bidens eigene Vizepräsidentschaft. Wer sich jetzt fragt: "Was hat er eigentlich damals gemacht?", fragt sich das zurecht. Er hatte zwar eigene Dossiers übernommen, aber er selbst war sich auch bewusst, als er zur Wahl antrat, dass eine Vizepräsidentschaft letztlich ein relativ bedeutungsloses Amt sein kann – außer der Präsident gibt einen sehr viel Macht. Oder man nimmt sie sich, wie das einst Dick Cheney unter George W. Bush gemacht hat. Kamala Harris musste während ihrer Zeit als Vizepräsidentin oft den Senat führen. Das ist eine der Aufgaben und sie musste diese besonders oft wahrnehmen, weil die Mehrheitsverhältnisse so knapp waren. Also sie hatte jeweils die Stich-Entscheidung im Senat. Das erlaubte ihr nicht, in anderen Dossiers mehr Fuß zu fassen oder sich eine Bühne aufzubauen. Bekannt ist sie dennoch, weil sie hat die berühmte gläserne Decke eingeschlagen. Sie wurde die erste Frau in diesem Amt und auch noch die erste schwarze Vizepräsidentin.

Nach Attentat auf den Ex-Präsidenten Neuer schräger Trump-Trend: Delegierte kleben sich „Pflaster“ aufs Ohr

Nachdem Attentat trägt Trump ein großes weißes Pflaster am rechten Ohr. Damit hat er auf dem Republikaner-Parteitag einen bizarren Trend gesetzt.

Stand
Das Interview führte
Stefan Eich
Onlinefassung
Sebastian Felser