Viel Gemüse, viel Fisch, dazu Ölivenöl – immer wieder hören wir, dass das Essen aus den Mittelmeerländern, die „Mediterrane Küche“ so gesund sei. Dazu italienische, spanische, aber auch syrische oder marokkanische Gericht. Wie vielfältig die Mittelmeerküche ist und ob sie wirklich so gesund ist, das erklärt Ernährungsberaterin Anna Dandekar im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Jonathan Hadem.
SWR Aktuell: Ist es überhaupt okay, die Küche von mehr als 20 Ländern in einen Topf zu werfen? Man käme ja auch nicht auf die Idee, die deutsche Küche mit der polnischen und der französischen als „zentraleuropäische Küche“ zu definieren….
Anna Dandekar: Die Definition „mediterrane Diät“ oder auch „Mittelmeerdiät“ hat tatsächlich historische Ursprünge. Und zwar haben sich in den 60er Jahren zwei frühe Ernährungswissenschaftler, ein Amerikaner und ein Italiener unterhalten und festgestellt, dass es in Italien kaum Herzinfarkte gibt, während in den USA sehr viele Menschen daran sterben. Und das wurde dann weiter untersucht. Das erste Mal wurde dann der Zusammenhang mit Herzinfarkt und Ernährung hergestellt. Und dann schließlich eine große Studie ins Leben gerufen, die „Siebenländerstudie“. Diese sieben Länder waren Italien, Griechenland, Jugoslawien, Niederlande, Finnland, Japan und die USA. Und da hat man dann eben festgestellt, dass diese mediterranen Länder, also die, die im Mittelmeerraum lagen, eine bestimmte Ernährungsweise hatten und die eben auch weniger Herzinfarkte aufwiesen.
SWR Aktuell: Wenn ich jetzt dreimal die Woche Nudeln mit Tomatensoße und Käse esse und zweimal die Woche gibt es Pizza, jeden Abend eine halbe Flasche Rotwein dazu- kann ich das dann auch „mediterrane Küche“ nennen?
Dandekar: Es sind offiziell mediterrane Speisen. Aber es würde jetzt nicht in die Ernährungsvorschläge der Mittelmeerdiät passen. Inzwischen wissen wir nämlich recht genau, welche Komponenten aus der Ernährung förderlich für die Gesundheit sind, und welche eher Krankheiten provozieren. Die bei der traditionellen Mittelmeerdiät zeichnen sich durch einen hohen Verzehr von Gemüse, Obst und Nüssen, Hülsenfrüchten und unverarbeitetem Getreide aus - also Vollkorngetreide- und geringe Mengen von Fleisch und Fleischprodukten, geringe Mengen von Milchprodukten mit Ausnahme von den haltbaren Käsesorten wie Parmesan - und natürlich geringe Mengen von Alkohol. Inzwischen weiß man auch, dass Alkohol nicht ganz so förderlich ist, wie es damals aussah. Aber auf jeden Fall wissen wir heutzutage genauer, dass es eben nicht nur Pasta und Rotwein ist.
SWR Aktuell: Das war jetzt schon eine ganze Latte an Lebensmitteln. Gibt es denn auch bestimmte Lebensmittel aus dem Mittelmeerraum, die besonders gesund sind und auch empfehlenswert für meine Ernährung?
Dandekar: Da würde ich tatsächlich bei der mediterranen Ernährung auch auf die gleichen Dinge verweisen wie bei der pflanzlichen Ernährung, weil das eigentlich die gleichen Sachen sind. Das heißt: Einfach geringe Mengen Fisch, Fleisch und Wein, und eine große Menge an Gemüsen, Nüssen, Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide. Und wenn man sich das mal vorstellt, dass in Italien einfach fast immer einen Haufen in Scheiben geschnittenes Gemüse auf dem Tisch steht, das heißt dann Antipasti, also vor den Nudeln, dann sieht man schon, wie die Verteilung in dieser mediterranen Ernährung ist, dass man einfach sehr, sehr viel von diesem gesunden Gemüse, Tomaten und Nüssen zu sich nimmt.
SWR Aktuell: Ein wichtiger Punkt der mediterranen Küche ist ja auch die Gemeinschaft und das gemeinsame Essen. Wie beeinflusst dieser Aspekt unserer Ernährung denn unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden? Und wie können wir diese Praxis auch in unserem doch meistens relativ hektischen Alltag irgendwie integrieren?
Dandekar: Ich glaube inzwischen, dass wirklich ein sehr großer Teil des positiven Einflusses dieser mediterranen Ernährungsweise in der Stressreduktion liegt. Stress fördert nämlich wirklich eine Menge Krankheiten, und das ist ja heutzutage auch das, unter dem wir am meisten leiden. Und wenn wir uns da etwas von diesem mediterranen Lebensgefühl abschauen, dann können wir das hoffentlich auch in unseren Alltag integrieren. Also ich finde zum Beispiel diese festen, gemeinsamen Essenszeiten, starken Familienzusammenhalt, Humor auch beim Essen, dass man gemeinsam Speisen zubereitet, dass man die Mutter fragt oder die Oma oder den Opa, was die denn gerne gegessen hat - und so gemeinsam dazu beiträgt, dass alle diese Last tragen und nicht nur einer in der Küche steht. Und ich glaube, dass wir dadurch dann ganz viel von diesem Stress reduzieren können und auch dieses mediterrane Lebensgefühl zu uns holen können.