Putins „Freundeskreis“: Erste Bilanz des BRICS-Gipfels

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Autor/in
Pascal Fournier
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Stefan Eich

Im russischen Kasan geht heute der BRICS-Gipfel zu Ende - seit Dienstag hatten sich dort die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Schwellenländer zu Gesprächen getroffen. Gastgeber Putin hob Putin die Bedeutung der Staatengruppe hervor – die, weil Indien und China dazugehören, fast die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentiert, und immerhin rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Mit dabei in Kasan waren auch etliche Länder, die gerne Mitglied im Club wären - insgesamt waren Repräsentanten von 36 Staaten angereist. Zum Ende des BRICS-Gipfels hat SWR-Aktuell-Moderator Pascal Fournier mit Melanie Müller gesprochen, sie ist Politikwissenschaftlerin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.

SWR Aktuell: Der Anspruch der BRICS ist ja, ein Gegengewicht zu den G7 zu bilden. Geben das die Ergebnisse von Kasan aus ihrer Sicht irgendwie wieder?

Melanie Müller: In erster Linie ist bisher nur einer von vielen BRICS-Gipfel, die eben einmal im Jahr stattfinden. Es gibt auch dazwischen immer noch Treffen. Und im Endeffekt ist die Abschlusserklärung von Kasan, die ja schon vorliegt, ganz interessant anzuschauen, weil da tatsächlich auch das zentrale Thema, das diese BRICS-Staaten verbindet, formuliert wird: Nämlich das Interesse, multilaterale Institutionen zu reformieren und vor allem eine gleichberechtigte Teilhabe von Staaten im globalen Süden auf internationaler Ebene zu gewährleisten. Man kann sagen, dass ist eigentlich das verbindende Thema, weil es eben das Gefühl gibt, dass die Vereinten Nationen, aber auch die Welthandelsorganisation und eben andere internationale Institutionen, sehr stark von den USA und anderen westlichen Staaten dominiert sind, von deren Interessen. Und deswegen ist dieser Zusammenschluss so spannend für diese Staaten, um eben da auch gemeinsame Interessen in diese Foren reinzutragen.

SWR Aktuell: Sie befassen sich in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit sehr intensiv mit Subsahara-Afrika. Warum sollten die BRICS beispielsweise für afrikanische Staaten interessant sein?

Kein antiwestliches Forum, sondern ein nichtwestliches

Müller: Zum einen ist die Rolle Chinas in Afrika ja sehr relevant. Man hat das gesehen, als Südafrika den BRICS beigetreten ist, dass das eben auch noch mal die Beziehungen zu China intensiviert hat - das hat Auswirkungen auf den Handel zwischen den beiden Ländern. Und insofern gibt es eben auch einmal das Interesse, die wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu stärken, aber eben auch zu den anderen Staaten, die Mitglieder von BRICS sind. Man muss dazusagen über diese wirtschaftliche Dimension hinaus: Es wird sehr häufig auch in Deutschland rezipiert, dass BRICS so eine Art antiwestliches Forum ist. Aber das wird aber gar nicht unbedingt von den meisten Mitgliedern geteilt. Ich würde Russland da mal explizit ausklammern. Sondern es wird eben als ein nichtwestliches Forum gesehen, mit dem Ziel, eben diese gemeinsamen Interessen auch noch mal zu bündeln. Und das hat vor allem auch noch mal nach der Pandemie zugenommen, wo ja viele Staaten, auch afrikanische Staaten, das Gefühl hatten, dass es irgendwie nicht gelingt, auf internationaler Ebene auch dafür zu sorgen, dass Afrika gleichberechtigten Zugang hat zu Impfstoffen. Und da gibt es eben noch andere Beispiele im Handelsbereich, wo man sich eben erhofft, dass man diese Interessen über die BRICS auch auf eine internationale Ebene tragen kann.

SWR Aktuell: Unter anderem wollen die BRICS ein internationales Zahlungssystem in Konkurrenz zu Swift aufbauen, aus dem Russland ausgeschlossen ist. Daran wird schon ziemlich lange gearbeitet. Es gibt kaum Fortschritte, es gibt auch beispielsweise Pläne für eine internationale Getreidebörse oder KI-Projekte. Aber alles bleibt relativ vage. Kann sich der Westen im Moment also noch entspannt zurücklehnen?

BRICS-Mitglieder: Handel untereinander ohne Dollars

Müller: Entspannt zurücklehnen, würde ich sagen, nicht - weil diese Belange und diese Anforderungen, die die Staaten in den BRICS und eben auch andere Staaten im globalen Süden formulieren, auch aufwecken sollten, sich damit zu befassen, wie man eigentlich attraktive Angebote macht, um die als Partner nicht zu verlieren. Es ist aber richtig, dass die BRICS selbst nicht unbedingt das Gegengewicht zu anderen westlichen Foren bilden, und dass eben auch die Entwicklungen, wie Sie es angedeutet haben, ziemlich langsam vorangehen. Das einzige, was man bei den BRICS geschafft hat, ist die Einrichtung der New Development Bank. Das ist eine Bank, die insbesondere Infrastrukturprojekte finanziert. Dann gibt es ja auch immer die Zielformulierung, weniger abhängig zu werden vom Dollar. Das ist aber eben nicht ganz einfach, weil der Dollar in vielen Handelsbeziehungen nach wie vor die Währung ist, und weil gerade internationale Firmen in Dollar bezahlt werden wollen. Wir sehen aber, dass die BRICS-Mitglieder immer stärker den bilateralen Handel, also den Handel untereinander, in lokalen Währungen abwickeln, um sich weniger abhängig zu machen von Wechselkursschwankungen beispielsweise oder anderen Schocks. Das ist aber weit weg davon, den Dollar als Leitwährung abzulösen.

SWR Aktuell: Das Treffen sollte auch demonstrieren, dass Putin längst nicht so isoliert ist, wie der Westen des gerne hätte. Indiens Premier Modi und Tinas Staatschef Xi sind beides ohne Frage politische Schwergewichte. Es waren aber noch unter anderem auch UN-Generalsekretär Guterres und der türkische Präsident Erdogan in Kasan. Ist das Kalkül Putins in Sachen internationales Renommee also aufgegangen?

Müller: Es kommt darauf an, wie man das interpretiert. Natürlich kann man sagen, dass Guterres und Erdogan da waren, wertet Putin als Gremium, wertet Putin als Akteur auf. Man kann das aber, und das ist eine Interpretation, die ich eher habe, auch so sehen, dass es noch mal die Bedeutung von BRICS deutlich macht. Die Türkei hat ja signalisiert, dass sie ein Interesse hat am Beitritt zu BRICS. Und das zeigt, dass das Projekt als geopolitischer Akteur für die Türkei relevant geworden ist. Bei Guterres war es wohl das erste Zusammentreffen jetzt mit Putin seit 2022. Und ich denke, einerseits gibt es sicherlich auch noch einmal den Versuch, auf Putin Einfluss zu nehmen mit Blick auf die Ukraine. Gleichzeitig haben wir ja auch noch einen anderen Konflikt, der viele Staaten bewegt, nämlich die Situation in Gaza und Libanon. Und das war ein großes Thema bei dem Gipfel. Das ist auch etwas, das in der Abschlusserklärung noch mal explizit und sehr ausführlich erwähnt wird. Und das ist ja eben das zweites Thema, was die UN gerade sehr beschäftigt, wo Guterres auch sehr aktiv ist. Insofern denke ich, dass das auch eine Rolle gespielt haben mag bei der Reise nach Russland.

G20 sind tatsächlich das relevanteste Gremium

SWR Aktuell: Ich bin über ein Zitat von Jim O'Neill gestolpert. Das ist in Sachen BRICS nicht irgendwer: Das ist der ehemalige Chefökonom von Goldman Sachs, und er hat den Begriff BRICS quasi erfunden. Und er hat gesagt -Zitat- „die Idee, dass BRICS ein echter globaler Wirtschaftsclub sein könnte, ist genauso abwegig wie die der G7.“ Und es sei nicht möglich, wirkliche globale Probleme ohne die USA und Europa zu lösen - so wie es für den Westen unmöglich sei, echte globale Probleme ohne China, Indien und in etwas geringerem Maße auch ohne Russland und Brasilien zu lösen -Zitatende-. Teilen Sie diese Einschätzung, und was folgt daraus?

Müller: Ich denke, was daraus folgt, ist - wenn man das so als gegeben nimmt, und ich denke, da ist auch auf jeden Fall was dran- , dass die G20 tatsächlich das relevanteste Gremium sind. Natürlich ist es so: Wir haben mit den USA in den G7 quasi eine Großmacht. Wie haben mit China in BRICS eine Großmacht, und darum gruppieren sich eine ganze Reihe von Ländern, die man als mittlere Mächte bezeichnet, die natürlich auf die Weltpolitik auch einen wichtigen Einfluss haben. Und wir haben eine ganze Reihe von globalen Herausforderungen. Das heißt: Eigentlich sind die G20 das Gremium, in dem diese Fragen auch Weltregionen übergreifend besprochen werden können. Und spannend ist, dass Brasilien ja in diesem Jahr den G20-Vorsitz hat. Südafrika hat ihn nächstes Jahr, Indien war 2023 dabei. Das heißt, wir haben hier genau diese drei mittleren Mächte, die zum Beispiel auch sagen, sie wollen sich gar nicht in so einen geopolitischen Konflikt zwischen China und den USA reinziehen lassen, und die wirklich auch versuchen, gemeinsame Positionen für die Reform der Vereinten Nationen zu formulieren - aber auch zu schauen, wie man stärker wieder zusammenwächst. Das sind, glaube ich, die Entwicklungen, die wir in jedem Fall dieses und nächstes Jahr auch beobachten müssen, inwiefern da Erfolge erzielt werden können. Das wird aber natürlich auch davon abhängen, wie die US-Wahlen ausgehen und wer der nächste Präsident oder Präsidentin in den USA ist.

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Pascal Fournier
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Stefan Eich