Seit Wochen sind die Börsenkurse auf Höhenflug - fast durch die Bank gibt es Rekordstände. Neben den einschlägigen Aktien-Indizes steigt aber auch die Nachfrage bei Gold oder bei Krypto-Währungen. Roland Ullrich ist Trading-Coach, Börsenexperte und Autor. Im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler erklärt er, warum weder der Hype um Künstliche Intelligenz noch die Aussicht auf sinkende Zinsen das aktuelle Kursfeuerwerk komplett erklären können, welche psychologischen Mechanismen dahinterstecken und was von diesem Börsen-Jahr noch zu erwarten ist.
SWR Aktuell: Wie viel Irrationalität steckt in der gegenwärtigen Entwicklung?
Roland Ullrich: Da steckt schon eine ganze Menge Irrationalität dahinter. Mit so einem Aufschwung an den Börsen hat wirklich niemand gerechnet. Es ist eine Menge Liquidität im Markt, die nach Anlage sucht - ob es nun Aktien sind, ob es Gold ist, Silber, Krypto-Währungen - es ist alles hochgetrieben worden. Alle springen noch auf den fahrenden Zug auf, um möglichst nichts zu verpassen, denn es gibt keine schlimmere Emotion, als etwas zu verpassen. Dann haben wir natürlich die Euphorie mit Künstlicher Intelligenz, was gerade in den USA ein großer Hype ist, wenn man die Nvidia-Aktie anguckt. Das treibt und befeuert natürlich die Märkte.
SWR Aktuell: Und Analysten sagen ja auch immer wieder: Es wird wahrscheinlich mit den Leitzinsen weiter nach unten gehen. Reicht denn diese Zinsfantasie als psychologischer Treiber schon aus?
Ullrich: Das glaube ich eigentlich nicht, weil die Leitzinssenkungen längst in den Märkten eingepreist sind. Im Moment haben wir ja eher die Entwicklung - wenn man sich die Aussagen der FED-Mitglieder in den USA anhört - dass es gar nicht so wahrscheinlich ist, dass es in diesem Jahr so viele Zinssenkungen geben wird. Die Zinssenkungsfantasie ist das eigentlich nicht. Ich glaube, es ist einfach sehr stark von Psychologie getrieben. Es ist schon ein bisschen wie in einer kleinen spekulativen Blase, wo keiner aussteigen will, weil er die letzten paar Prozent Performance auch noch mitmachen will. Wenn der Markt dann mal korrigiert, rennen natürlich alle auf den Ausgang zu und wollen raus. Dann wird es schwierig.
SWR Aktuell: Wenn Sie sagen "spekulative Blase" - da klingeln bei manchen die Alarmglocken: Um Gottes Willen - so eine Blase, die kann immer auch platzen. Sehen Sie diese Gefahr?
Ullrich: Eine Blase kann immer platzen und eine Blase wird auch immer irgendwann platzen. Die Frage ist nur, wann? Ich würde jetzt gar nicht von einem Platzen der Blase ausgehen, aber eine Korrektur ist sicherlich überfällig. Der Markt ist überhitzt und es gibt die ersten Indikatoren dafür, dass es jetzt auch mal wieder runtergehen könnte. Es ist ja auch vollkommen normal, dass es selbst in einem "Bullen-Jahr", das wir wahrscheinlich dieses Jahr haben werden, Korrekturen gibt. Statistisch gesehen gibt es in jedem Börsenjahr immer Korrekturen von zwei bis fünf Prozent, was vollkommen normal ist. Im DAX beim derzeitigen Stand von über 18.000 Punkten könnte eine Korrektur von drei oder fünf Prozent auch mal fast 1.000 Punkte ausmachen. Das treibt dem einen oder anderen sicherlich auch Schweißperlen auf die Stirn, aber es ist eine Korrektur in einem sehr stabilen Aufwärtstrend. Für den langfristig orientierten Investor ist das sicherlich kein Grund zur Panik.
SWR Aktuell: Sie haben schon gesagt, ein ganz schlimmes Gefühl ist es, wenn man eine so gute Entwicklung verpasst. Noch schlimmer könnte ich mir vorstellen ist es, sehr viel Geld zu verlieren. Was würden Sie sagen - jetzt noch einsteigen oder doch erst mal abwarten?
Ullrich: "Market Timing", also das Einsteigen zum günstigsten Zeitpunkt, funktioniert in der Realität sowieso nicht – das heißt: Wenn ich langfristig orientiert bin, gehe ich sukzessive in den Markt rein, weil ich den besten Kurs ohnehin nie erwischen werden. Wenn ich eher kurzfristig orientierter Anleger bin, dann handle ich natürlich nach ganz anderen Regeln. Jetzt noch auf dem Niveau einzusteigen, ist sicherlich keine gute Idee. Der Markt ist überhitzt. Eine Korrektur wäre überfällig - das muss keine große Korrektur sein, aber da bieten sich unter Umständen deutlich günstigere Einstiegskurse.
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