In der Warenannahme im Marienhospital in Stuttgart kommen täglich Medikamente, Verbände und Geräte von unzähligen Lieferanten an. Halten diese die Menschenrechte und Umweltstandards ein? Genau das muss das Krankenhaus in Zukunft für alle Zulieferer sicherstellen.
Lieferkettengesetz: Hohe Ansprüche für Unternehmen
Denn ab 1. Januar 2023 gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz. Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern müssen dann gewährleisten, dass Verletzungen von menschenrechts- und umweltbezogenen Pflichten entlang ihrer globalen Lieferkette verhindert werden. Dazu müssen sie auch ein Risikomanagement betreiben und Beschwerdeverfahren für Betroffene einführen. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Ab 2024 gilt das Gesetz dann auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern.
Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards im Fokus
Der Aufwand ist enorm. Ein Krankenhaus hat etwa 5.000 Lieferanten, weiß Jens-Patrick Schulz von Prospitalia. Der Dienstleister aus Ulm wickelt Bestellungen von Krankenhäusern ab.
Doch in Krankenhäusern wie dem Marienhospital in Stuttgart zählt jede Hand. Zusätzlich noch zu wissen, von wem was im Lager stammt, würde noch mehr Beschäftigte binden, die woanders viel notwendiger gebraucht werden.
Unternehmen lagern Lieferkettenmanagement aus
Dienstleister wie Prospitalia bieten Kunden deswegen inzwischen an, das Lieferkettenmanagement auszulagern und setzen dabei unter anderem auf Software aus Mannheim. Diese bewertet Lieferanten nach der Einhaltung von Menschenrechten. Die Informationen stammen zum größten Teil aus dem Internet. Zehntausende Quellen werden automatisiert eingelesen und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz aufbereitet.
Auch der Walldorfer Softwarekonzern SAP bietet Softwarelösungen für das Lieferkettenmanagement an. Durch den Einsatz entsprechender Technologien erhofft sich auch das Stuttgarter Marienhospital, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes erfüllen zu können.
Aktivisten kritisieren Lieferkettengesetz als nicht weitreichend genug
Dass dadurch bei Produkten und Waren aber tatsächlich Menschenrechtsverstöße und Umweltschäden komplett ausgeschlossen werden können, ist unwahrscheinlich. Denn das Lieferkettengesetz gilt nur für die Geschäftsbeziehungen mit direkten Zulieferern. Bei langen Lieferketten greift es nicht - zum Beispiel in der Modeindustrie. Menschenrechtsverletzungen, die 2022 namhaften deutsche Modemarken vorgeworfen wurden, würden auch in Zukunft nicht verhindert oder bestraft werden können.
Im konkreten Fall fand eine Labor-Analyse im April 2022 bei unter anderem bei Hugo Boss Baumwolle, die eine hohe Ähnlichkeit hat zu Baumwollproben aus der Region Xinjiang haben. Auf den Baumwollfeldern in Xinjiang arbeiten viele Uiguren, die von der chinesischen Regierung in Lagern interniert werden. Und Zwangsarbeit ist eine klare Verletzung der Menschenrechte.
Hugo Boss weist die Vorwürfe von sich:
Lieferkettengesetz greift nicht bei langen Lieferketten
Weil aber eben nur diese "direkten Lieferanten" durch das Lieferkettengesetz überprüft werden müssen, kritisieren Aktivisten das Gesetz als unzureichend. So auch der Frauenrechtsverein Femnet, der sich für bessere Arbeitsbedingungen von Frauen in der Bekleidungsindustrie einsetzt.
Kritisch sei außerdem, dass es keine Haftung und keine Entschädigungen gebe. Ohne solche Konsequenzen werde wohl kaum jemand Beschwerde einlegen. Auch seien die Hürden dafür zu hoch.
Solange Firmen nicht beweisen müssten, dass ihre Produkte frei von Kinderarbeit und Menschrechtsverletzungen sind, werden diese trotz des Lieferkettengesetzes weiter möglich sein, befürchten die Kritiker. Sie hoffen nun auf eine europäische Regelung der Lieferketten, die über das deutsche Gesetz hinaus geht.