Es ist natürlich eine unbewiesene Bösartigkeit, das so zu unterstellen, aber Fußball-Präsident Gianni Infantino hat sich möglicherweise bei nicht so ganz und gar lupenreinen Demokratien inspirieren lassen für seine Wahl-Show in Kigali in Ruanda, so ein Mittelding aus chinesischem Volkskongress, Aktionärsversammlung und Thronbesteigungs-Feierlichkeiten.
Die Kolumne von Marie Gediehn können Sie hier auch als Audio hören:
Infantino, der Allmächtige!
Und es hatte auch ein bisschen was vom Heiligen Geist, als der allmächtige Infantino beim 73. Weltkongress der FIFA in gleich mehreren Sprachen die Botschaft des Geldes und des Fußballs verkündete. Und vom Spirit dieses basisdemokratischen Sports sprach, bei dem es ausschließlich um Fairness, Spannung, Spiel und Spaß geht!
Für Frieden, Wohlstand und den Fußball
Und jetzt Schluss mit den Bösartigkeiten, denn das macht ja auch was mit so jemandem, wenn er immer nur Häme abbekommt, also darum ernsthaft: Der Gianni, der so viele Sprachen spricht und unablässig für die Welt, den Frieden, den Wohlstand und den Fußball arbeitet. Dieser Gianni ist komplett ratlos: "Ich verstehe nicht, warum einige von Ihnen so gemein sind". Hat er gesagt, in Kigali, und ich finde, wir, die Medien müssen uns bei ihm entschuldigen.
Peinlich berührte DFB-Leute
Der Mann hat beteuert, er arbeite hart, er stehle nicht und profitiere nicht. Das konnte nicht jeder deutsche Politiker, der während der Pandemie mit Masken gedealt hat, von sich behaupten. Ich kämpfe immer noch mit den Tränen, nicht nur wegen der Niederträchtigkeit meiner Journalistenkollegen, auch, weil der DFB, der Deutsche Fußballbund ja nicht mal geklatscht hat, bei der Infantino-Wahl. Von "One-Love" war da nichts zu spüren. Die DFB-Leute haben in Kigali peinlich berührt auf den Boden geguckt, also so ähnlich, wie wenn es beim Elternabend um die Wahl der Elternvertreter geht.
"Gianni der Erste"
Natürlich aus Neid! Ausgeschieden bei der Wüsten-WM in Katar, weil wir vor lauter Meckern über irgendwelche Menschenrechte nicht zum Toreschießen gekommen sind. Und dann wird "Gianni Infantino der Erste" gewählt, nein, beklatscht, also per Akklamation ernannt, weil leider kein Gegenkandidat da war. Also er wird erneut ins Amt gejubelt, diese Reinkarnation von Florence Nightingale, dem heiligen Sankt Martin und der Leiterin der Berliner Rütli Schule in einer Person - und das freche Pack aus dem saturierten Europa glotzt demonstrativ auf den Boden. Das ist vermutlich diese Cancel Culture!
Aber Gianni Infantino liebt alle seine Schäfchen, auch die ungezogenen: Für seine dritte und sicher nicht letzte Amtszeit hat er allen gedankt, Zitat: "Auch denen, die mich nicht so mögen. Ich mag sie alle". Erinnert ein bisschen an: "Ich liebe doch alle, alle Menschen", sagte Erich Mielke bekanntermaßen 1989 - in seiner ersten und einzigen Rede vor der DDR-Volkskammer. Aber da hat schon keiner mehr so richtig zurückgeliebt, von wegen "One-Love"! Gefühle sind eben unberechenbar.