Als CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kürzlich eine Veranstaltung der Jungen Union besuchte, wurde Herbert Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“ gespielt – sehr zum Missfallen des Künstlers. Ich empfand die Liedauswahl als eine Schnapsidee. Der mutmaßlich nächste Bundeskanzler steht nach meinem Eindruck gerade nicht für ein Weiterdrehen an kulturellen und gesellschaftlichen Schrauben, sondern ihren Stillstand oder ein Zurück. Der Soundtrack des Kanzlerwechsels 1982 von Helmut Schmidt (SPD) zu Helmut Kohl (CDU) , „Bruttosozialprodukt“ in der Version der Band Geier Sturzflug, scheint mir heute so passend wie damals:
„Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt.“
Die jetzt geplatzte Koalition aus SPD, Grünen und FDP war ein mutiges, vielversprechendes Experiment, bei dem sich die politischen Schnittmengen der Partner als zu klein erwiesen. Friedrich Merz wird – mit welchem Koalitionspartner auch immer – meiner Erwartung nach eine schöpferisch ärmere, zugleich stabilere Bundesregierung führen. Die Sorte von Regierung, für die bereits drei lange CDU-Kanzlerschaften von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel stehen. Die politische Grundmelodie dieser Republik ist seit ihrer Gründung konservativ. Nach drei Jahren „Ampel“ wird es wieder Zeit, dass sich nichts dreht. Mir missfällt das mit der einen Hälfte meines Herzens, mit der anderen nicht.
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Altmodische Performance, energischer Auftritt
In den kommenden Jahren werden wir auf allen Kanälen viel Zeit mit Thorsten Frei und Carsten Linnemann, Friedrich Merz‘ Überflieger-Buddys, teilen müssen. Und mit Frauen vom Typ Gitta Connemann. Für eine Bundesregierung des zweitgrößten Einwanderungslandes der Welt erscheint mir dieses Profil wenig repräsentativ. Nicht nur Friedrich Merz, auch die Jungen in seinem Team wirken mit ihren Werten und ihrer Rhetorik altmodisch auf mich. Zugleich sehe ich im Augenblick keine vergleichbar energische, intellektuell starke politische Persönlichkeit wie Friedrich Merz. Im Augenblick in der Berliner Politik.
Ich teile meine Gedanken in dieser politischen Zwischenzeit, weil Sie diese Gedanken vielleicht nachvollziehen – oder ihnen gern widersprechen möchten. Die Deutschen wählen keine Person in das politisch wichtigste Amt, sondern immer im Paket mit Getreuen. Mit jedem Kanzlerjahr von Friedrich Merz wird, so meine Erwartung, seine politische Performance immer altmodischer wirken. Aber er verkörpert das, was den Deutschen über alles geht: Stabilität.