Häufig geht es bei Influencerinnen und Influencern nur um Mode, Lifestyle und Fitness. Fröhlich, sexy, unpolitisch. Manche Influencer wollen aber mehr - sie wollen aufklären - über Klimaschutz, Allergien oder Depressionen und äußern sich über alles, was aus ihrer Sicht Sinn macht. Und so heißt das dann auch - "Sinnfluencing". Viele Menschen schauen ihre Videos an, bauen zu ihnen eine Bindung auf, hinterfragen ihre Kompetenz nicht. Doch manchmal verwischen die Grenzen zwischen Fakten und Meinungen.
Kirchen haben Social Media für sich entdeckt
Auch die Kirchen haben Social Media Plattformen für sich entdeckt und versuchen auf Instagram beispielsweise, Gläubige zu erreichen, die nicht mehr zu ihnen kommen. Pfarrerin Sarah Schindler ist es wichtig, die frohe Botschaft des Evangeliums zu übermitteln. Sie schauen immer wieder, welche Themen gerade tagesaktuell seien und was die Followerinnen und Follower gerade beschäftige, sagte Schindler dem SWR.
Pfarrer Nicolai Opifanti erklärt in einem 90-sekündigen Klipp, was ein Gebet bedeutet. Der "Sinnfluencer" hat als ausgebildeter Theologe den Anspruch auch "keinen Humbug" zu erzählen. Die Gefahr sei aber natürlich schon da auf Social Media. Da könne jeder machen, was er wolle, so Opifanti.
Reise-Influencer: "Lieber Urlaub in Kabul als auf Mallorca"
Der Influencer Stephan Müller ist durch Afghanistan gereist. Dort herrschen die radikal-islamistischen Taliban. Als sie die Macht im August 2021 übernommen hatten, flohen Menschen per Flugzeug aus ihrem Land, viele fürchten noch immer um ihr Leben. Müller hat für seine Afghanistan-Videos einen deutschen und einen englischen Youtube-Kanal. Dort waren keine unterdrückten Menschen und keine Kritikerinnen und Kritiker der Taliban zu sehen. Um sie zu schützen, wie er sagt. Die Taliban warben dagegen in seinen Videos für ihr Regime. Die Behörden kontrollierten die Reiseroute von Müller.
Er zieht in seinem Youtube-Kanal folgendes Fazit der Reise: "Es gibt Terror durch diese Terror-Milizen-Gruppen. Ich weiß nicht, wer die sind. Aber nicht durch die Taliban, die Taliban sind sicher." Und er empfiehlt doch lieber Urlaub in Kabul zu machen als auf Mallorca, wo die Deutschen hinfahren.
Experte: "Es gibt rote Linien wie Rassismus, Lügen und Fake"
Journalist und Autor Björn Staschen findet es grundsätzlich gut, dass in Deutschland jeder seine Meinung sagen darf, selbst dann, wenn er "schwurbele". Gefährlich wird es seiner Meinung nach aber, wenn Menschen nicht einschätzen können, was sie auf Instagram oder TikTok sehen. "Es gibt rote Linien wie Rassismus, Antisemitismus, Lüge und Fake", sagte Staschen am Donnerstagabend in der Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg". Das Entscheidende für ihn ist deshalb: "Wir alle müssen in der Lage sein, das einzuschätzen und Mist von gutem Inhalt zu trennen."
Staschen kritisierte in diesem Zusammenhang die großen Plattformen in den USA, Meta und Instagram, und TikTok in China. Deren Algorithmen würden entscheiden, wer was zu sehen bekomme und wer was nicht - ob "toller Inhalt oder Schrott". Betont werde ja insbesondere das, was polarisiere: "Das heißt, in den Kinderzimmern kommen bei TikTok ganz schnell irgendwelche Russland-freundlichen Videos an."
Das hätten Studien zu Beginn des Krieges gezeigt. Das große Problem an den Algorithmen ist seiner Ansicht nach, dass völlig unterschiedlich verteilt werde, was Menschen sehen. Die Algorithmen seien intransparent und das findet er "hochproblematisch".
Influencer Cossu: Habe gemerkt, dass ich Meinung machen könnte
Der Influencer Lukas Staier alias Cossu hat selbst schnell gemerkt, dass er "Meinung machen" kann, das aber nach eigener Auskunft gar nicht wollte. Der 31-Jährige aus Haslach im Kinzigtal im Ortenaukreis ist auf Social Media unter anderem mit Mundart-Comedy und als Rapper bekannt geworden, auf Instagram und TikTok folgen ihm Hunderttausende. Mit seiner Kunst wolle er sich gegen Vorurteile und Rassismus stark machen, sagte Staier ebenfalls in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg". Er äußert sich demnach nur zu Themen, die er selbst erlebt hat wie Rassismus zum Beispiel. Da wisse er, dass er keinen Quatsch erzähle. "Um Themen aus Politik oder Gesundheit mache ich einen großen Bogen drum."
Staier sagte, er habe ein wissenschaftliches Studium und könne daher abschätzen wie es zu einer Meinung komme, was man erst Mal selber alles überprüfen müsse. Aber er sehe auch oft dass, Leute einfach was rausposaunten, das sie an der Straßenecke oder am Stammtisch gehört hätten.
Cossu: "Influencer können auch Vorbilder sein"
Den Wunsch nach immer mehr Followerinnen und Followern und immer mehr Klicks sehen beide nicht unkritisch. Staschen verwies auf Studien, nach denen immer junge Leute berühmt werden wollten, was direkt mit den Internetplattformen zu tun habe. Die Abhängigkeit von Likes sei "komplett ungesund". Influencer Cossu gibt zu, dass er sich frage, was er falsch gemacht habe und besser machen könne, wenn die Zahl der Likes abnehme.
Der 31-Jährige ist allerdings überzeugt davon, dass Influencerinnen und Influencer für Kinder und Jugendliche auch Vorbilder sein können, wenn auch anders als früher. Er selbst sieht es für sich von Vorteil an, dass er einmal die Woche als Erzieher an einer Gesamtschuld in Stuttgart arbeitet. Dort könne er den "Kids" erklären, dass nicht alles so funktioniere, wie sie sich das vorstellten.
Experte fordert Medienbildung an Schulen
Auch der Autor und Journalist Björn Staschen glaubt, dass Influencer oder "Sinnfluencer" Vorbilder sein können. Es gebe wirklich gute Leute, aber eben auch andere, sagte er im SWR. Das Entscheidende für ihn ist, dass Menschen unterscheiden können, zwischen dem, der ein gutes Vorbild ist und dem, der keines ist. Zwischen dem, der Fake News und Lügen verbreitet und dem, der Information und Fakten transportiert.
Er fordert deshalb Medienbildung an den Schulen. Die Kinder lernten in der Schule den Satz des Pythagoras auswendig und gleichzeitig in ihrer Freizeit auf Apple und Google-Tablets wie sie die besten Instagram-Videos machen könnten. Schule müsse einen sensibleren Umgang mit eigenen Daten und mit diesen Plattformen vermitteln, fordert er.