SCHOTT, BASF, Hornbach und kleine Handwerksbetriebe - sie alle tun es. Sie alle versuchen, auf Social-Media-Plattformen aktiv auf junge Menschen zuzugehen, um sie für ihr Unternehmen zu gewinnen. Ganz abgesehen davon, dass es früher all diese Plattformen nicht gab, hat sich etwas ganz grundlegend geändert.
Vor 30, 40 Jahren gab es Arbeitskräfte im Überfluss. Bequem für die Arbeitgeber, denn sie konnten aus dem Vollen schöpfen. Die Waagschale neigte sich zu ihren Gunsten. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer waren das Schwergewicht in der zweiten Waagschale und deren Bewerbungsmappen stapelten sich auf den Schreibtischen der Personaler.
Aber das ist vorbei. Fachkräfte und Auszubildende sind rar. Das Angebot an Lehrstellen und Jobs ist viel größer als die Nachfrage danach. Für die Unternehmen heißt das schon seit längerem: Raus aus der Hängematte. Kreativität ist gefragt, um die Generation Z muss regelrecht gebuhlt werden. Eine Annonce in der Tageszeitung? Die lesen im besten Fall die Eltern oder Großeltern der Generation Z.
Generation Z - "rar und begehrt"
Auf SWR-Anfrage erklärt die BASF in Ludwigshafen, man nehme genau diese Entwicklung wahr: "Sie (die Generation Z, Anm. der Red.) nimmt eine andere Position als andere Generationen vor ihr ein, denn als rare und begehrte Arbeitskräfte können sie ihre Erwartungen mit mehr Druck einfordern." Jetzt sind es also die Arbeitnehmer, die in einer privilegierten Position sind.
Die SCHOTT AG in Mainz investiert nach eigenen Angaben viel Zeit und Geld, um mit neuen Maßnahmen Auszubildende zu finden. Für das aktuelle Ausbildungsjahr - Start ist der 1. September - seien jetzt alle Plätze besetzt. Allerdings: "Es zeigt sich, dass die Aufwände, dieses Ziel zu erreichen, gestiegen sind." Während früher um Weihnachten das ganze Einstellungsverfahren für das Folgejahr abgeschlossen war, ist es mittlerweile ein ganzjähriger Prozess. "Mittlerweile rekrutieren wir im Grunde bis zum 31.08. für den Beginn der Ausbildung am 01.09.", erklärte das Unternehmen auf SWR-Anfrage.
Abgesehen von dem Aufwand sind die Unternehmen auch schon länger auf neuen Pfaden unterwegs, um mit jungen Menschen Kontakt aufzunehmen. "Wir wissen, wie wichtig es ist, sich dem Nutzungsverhalten der jungen Menschen im Bereich Social Media anzupassen", heißt es bei SCHOTT.
SCHOTT, BASF und Hornbach mit eigenen Insta-Kanälen
Die großen Unternehmen in Rheinland-Pfalz wie Hornbach, SCHOTT, Daimler Truck oder BASF betreiben längst eigene Instagram-Kanäle für den Bereich Ausbildung. Die BASF ist dort immerhin schon seit 2016 aktiv.
Mit Posts, Livestreams, Veranstaltungsankündigungen oder Clips mit so genannten "Azubi-Botschaftern" werde der Kanal täglich bespielt. Die ganz große Reichweite hat der Kanal mit gut 9.000 Followern bislang allerdings nicht erzielt.
Der Spezialglashersteller SCHOTT ist seit 2020 bei Instagram mit dem Kanal @schott_ausbildung aktiv und hat dort bislang gut 2.170 Follower eingesammelt. Betrieben werde der Kanal in Eigenregie durch Auszubildende, denn: "Wir glauben, dass SCHOTT in der Zielgruppe nur durch Authentizität erfolgreich sein kann." Die rheinland-pfälzische Baumarktkette Hornbach ist ebenfalls seit vier Jahren bei Instagram mit einem eigenem Kanal präsent: @hornbach_jungehelden. Follower-Status: Gut 2.000.
Auch die Reichweite der noch jüngeren Plattform TikTok versuchen die Unternehmen für ihre Personalgewinnung zu nutzen. Dort finden sich Werbeclips von Influencern, die offenbar von den Firmen bezahlt wurden. Entsprechend sind sie als Anzeigen gekennzeichnet. Für die Ausbildung bei SCHOTT wirbt zum Beispiel "Karriereguru", der bei TikTok fast 700.000 Follower hat.
Was machen die kleinen Betriebe in RLP?
Das ganze große Rad mit eigenem Insta-Kanal können kleine Betriebe eher nicht drehen. Einen eigenen Kanal zu bespielen ist zeitintensiv und aufwändig. Dennoch stellen sich auch kleine Firmen auf die neuen Arbeitsmarktverhältnisse ein. Die Handwerkskammer Trier beobachtet in ihrem Bereich: "Tatsächlich setzen die Betriebe verstärkt digitale Formate wie Instagram und Facebook ein, um Auszubildende zu finden." Ein Beispiel:
Auch bei der übergeordneten Image-Kampagne des Handwerks setzt man verstärkt auf Social-Media-Aktionen. So können junge Leute zum Beispiel per Messenger einen Berufs-Check machen, um Ideen für einen passenden Beruf zu bekommen.
Babyboomer trifft auf Generation Z - und jetzt?
Nach der Rekrutierung kommt der Arbeitsalltag. Die Generation Z hat sehr genaue Vorstellungen, was sie will - und was nicht, so die Erfahrungen der Betriebe. Und als begehrte Arbeitskraft kann sie sich rausnehmen, ihre Wünsche mit Nachdruck zu verfolgen. Bei BASF nehme man die Bedürfnisse der jungen Menschen ernst und wenn möglich erfülle man auch die Erwartungen. Aber es sei genauso wichtig zu kommunizieren, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden können - und warum.
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Bei SCHOTT prallen durchaus immer mal wieder zwei Welten aufeinander: "Auf der einen Seite haben wir jemanden, der mit seinem Handy die Welt in der Tasche hat und gegebenenfalls aus dem Grund auch von einem gewissen Optimierungswunsch immer und überall getrieben scheint. Auf der anderen Seite haben wir Kolleg*innen, die ihr Fach und die betrieblichen Abläufe aus dem FF beherrschen und für solide, bewährte und bodenständige Methoden und Herangehensweisen stehen."
Um mögliche Konflikte frühzeitig aufzulösen, setzt man beim Spezialglashersteller in Mainz auf "Heros aus den Gruppen" - man könnte auch sagen auf Influencer aus den zwei Peergroups. Ein mittlerweile verrenteter Mitarbeiter begeistert so die jungen Menschen in der Ausbildung, weil er ihnen mit seinem Lebensweg zeigt, wie es gehen kann. Er bietet ihnen Orientierung. Und Azubi-Scouts, die bei Europameisterschaften ihrer Berufe teilnehmen, ernten wiederum den Respekt der älteren Kollegen und Kolleginnen. "Diese Personen sind Bindeglieder, um junge Generationen zu verstehen und zu integrieren, ohne die Werte der älteren Generationen zu torpedieren und einen Konflikt herbeizuführen."
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