Bei der konservativen Werteunion in Baden-Württemberg gibt es kurz vor der Parteigründung Führungsquerelen. Die Bundesspitze um Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hat nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) den baden-württembergischen Landesvorstand vor kurzem entmachtet. Doch der geschasste Landesvorsitzende Marc Ehret will das nicht akzeptieren.
Der Bundeschef Maaßen hatte die Mitglieder in Baden-Württemberg demnach bereits Ende Dezember per Rundmail über die Absetzung des Landesvorstands informiert. Zuvor habe der Bundesvorstand ohne Gegenstimmen und mit drei Enthaltungen beschlossen, den Landesvorstand zu entmachten, sagte Bundesschatzmeister Udo Kellmann dem SWR. Als Grund hieß es, das Vertrauensverhältnis zu Ehret sei "gravierend und dauerhaft" zerstört. Kellmann betonte: "Das gilt bis heute." Ehret war schon vor einigen Monaten aus dem Bundesvorstand abgewählt worden.
Geschasster Landeschef sieht sich noch im Amt
Als kommissarischer Landeschef fungiert seit Ende Dezember der frühere Stuttgarter CDU-Kommunalpolitiker André Tezulas. Er sagte dem SWR, Maaßen habe ihn Ende Dezember beauftragt, als "Federführer im Landesverband" die anstehenden Wahlen zum Landesvorstand vorzubereiten. Leider wolle Ehret die Entmachtung nicht akzeptieren. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei der Werteunion Baden-Württemberg, Ehret sei ein Hitzkopf. Dazu passe auch, dass er seine eigene Absetzung nicht akzeptieren wolle.
In der Tat wehrt sich Ehret gegen seine Entmachtung. Auf Anfrage des SWR erklärte der geschasste Landeschef, er sehe sich immer noch im Amt. Die Absetzung beruhe auf einem Missverständnis, heißt es bei seinen Unterstützern. Das habe auch der Bundesvorstand mittlerweile eingesehen, der Landesvorstand könne sich rehabilitiert fühlen. Klar sei aber, dass sich der Landesverband angesichts der bevorstehenden Parteigründung erst noch sortieren müsse.
Werteunion will ohne "Brandmauer" auskommen
Die nach eigenen Angaben CDU-nahe Werteunion soll demnächst zu einer Partei werden. Das hat der Verein unter ihrem Vorsitzenden Maaßen am 20. Januar in Erfurt beschlossen. Die Neugründung soll im Gegensatz zur CDU keine Partei mit einer "Brandmauer" und damit "gesprächsbereit in alle politischen Richtungen" sein. Die AfD wird nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Maaßen war vor wenigen Tagen aus der CDU ausgetreten. Aus der Union wird ihm eine politische Radikalisierung und Nähe zur AfD vorgeworfen.
Ex-Verfassungsschutzchef selbst ein Fall für Inlands-Nachrichtendienst
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Maaßen selbst ein Fall für den Verfassungsschutz geworden ist. Seine frühere Behörde hat Daten zu seinem ehemaligen Präsidenten im Informationssystem im Bereich Rechtsextremismus gespeichert. Das hat ihm die Behörde, die er früher geleitet hat, auf Anfrage seines Anwalts nun auch schriftlich gegeben. Maaßen gelte damit für den Verfassungsschutz als Beobachtungsobjekt, berichtete das ARD-Magazin "Kontraste".
Zu den vom Verfassungsschutz in dem Schreiben an Maaßens Anwalt aufgeführten Beobachtungen zählt beispielsweise, dass Maaßen die Maßnahmen gegen mutmaßliche Mitglieder der "Reichsbürger"-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß als "unverhältnismäßig" bezeichnet habe. Zudem werden mehrere Äußerungen Maaßens zur Migrationspolitik aufgeführt.
In der baden-württembergischen Werteunion wird die Beobachtung kritisiert. Tezulas sagte dem SWR, es gehe darum, "Andersdenkende zu diskreditieren". Auch Ehret verteidigte den Bundeschef. Maaßen rechtsextremistische Ansichten vorzuwerfen, sei ein "Stück aus dem Skurrilitätenkabinett".
Werteunion veranstaltet Mitgliederversammlung in Stuttgart
Der Landesverband der Werteunion in Baden-Württemberg will sich am 15. Februar in Stuttgart zu einer Mitgliederversammlung treffen und dort über weitere Schritte beraten. Tezulas, sagte, bei dem Treffen wolle man vor allem informieren und Fragen von Mitgliedern und Interessierten beantworten.
Früher hatte die Werteunion in Baden-Württemberg etwa 600 Mitglieder und war damit einer der größten Landesverbände. Doch mit der Wahl des damaligen Bundesvorsitzenden Max Otte trat der Landesvorstand zurück und verließ mit zahlreichen Mitgliedern den Verein. Elf von zwölf Vorstandsmitgliedern hielten Otte vor, sich an völkische und nationalistische Werte anzunähern. Allein Ehret blieb damals im Amt. Besonders empört hatte viele Mitglieder, dass sich Otte Anfang 2022 von der AfD als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten nominieren ließ.
CDU zeigt sich gelassen angesichts der neuen Konkurrenz
Die CDU in Baden-Württemberg zeigt sich angesichts der geplanten Gründung der neuen Partei betont gelassen. Viele frühere Mitglieder der Werteunion seien mittlerweile dort ausgetreten und wieder in der CDU aktiv, hieß es. Der Kurs von CDU-Bundeschef Friedrich Merz habe viele überzeugt.
Landesgeschäftsführer Tobias Vogt sagte dem SWR: "Uns ist es wichtig, Brücken zu bauen - in der Gesellschaft und unserer Partei. Daher sind all jene bei uns nach wie vor willkommen, die sich zur CDU, unserem christlichen Menschenbild und unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen." Vogt erklärte aber auch: "Anders sieht es bei jenen aus, die mit der Maaßen-Truppe marschieren. Das ist nicht mit unseren Werten vereinbar." Das habe nichts mit der Union zu tun.