Es ist eine Kreuzung wie viele andere in Deutschland: eine abknickende Vorfahrtstraße, keine Ampeln, ein Haus macht die Lage zudem recht unübersichtlich. Diese Stelle im Ulmer Stadtteil Lehr haben sich Firmen wie Bosch, Mercedes-Benz und Nokia mit den Universitäten Ulm und Duisburg-Essen für das Forschungsprojekt "LUKAS" ausgesucht. Es steht für "Lokales Umfeldmodell für das kooperative, automatisierte Fahren in komplexen Verkehrssituationen". Drei Jahre haben sie das Zusammenspiel von selbstfahrenden Autos und anderen Verkehrsteilnehmern untersucht.
Daten von selbstfahrenden Autos, Fahrradfahrern und Fußgängern
Das Wort "komplex" kommt im Titel des Forschungsprojekts nicht zu unrecht vor. Denn die Daten, die die Video- und Radarsensoren an der Kreuzung erfasst und verarbeitet haben, sind tatsächlich komplex. Daten von selbstfahrende Autos, von Fahrradfahrern und Fußgängern. Sogar eine Kehrmaschine haben die Forschenden in das Projekt eingebaut. Soll ja alles so realistisch wie möglich sein.
Während bei einem Vorgängerprojekt an gleicher Stelle den Autos lediglich Daten übermittelt wurden, damit sie sicherer in die Kreuzung einfahren können, gingen die Forschenden jetzt einen Schritt weiter. Das Ziel war, den Verkehr nicht nur sicherer für alle Verkehrsteilnehmer, sondern auch flüssiger zu machen. Michael Buchholz von der Universität Ulm nennt ein Beispiel: "Wenn ein Fahrzeug auf der Hauptstraße nur eine Sekunde verzögert, also ein bisschen langsamer wird, können vielleicht zwei Fahrzeuge davor noch abbiegen. So kann insgesamt der Verkehrsfluss besser werden."
Verkehr soll sicherer und flüssiger werden
Und eben sicherer. Die Forschenden haben neben automatisierten Fahrzeugen auch "vernetzte" Fußgänger und Radfahrer einbezogen und Situationen durchgespielt, wie sie in der Realität vorkommen können: Damit eine Radfahrerin ein Müllauto überholen kann, das an der Seite hält, stoppten die Wissenschaftler den entgegenkommenden Verkehr. Die Fahrerin bekam die "Freigabe" für das Überholmanöver in dem Versuch über eine Smartphone-App. Damit die Daten auch möglichst ohne Verzögerung übertragen werden konnten, wurde das neue, schnelle 5G-Netz genutzt.
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Unfälle? Nein, habe es im Zusammenhang mit dem Projekt nicht gegeben, berichtet Buchholz nicht ohne Stolz. Aber wie schätzt der Ingenieur die Sicherheit von automatisiertem Verkehr tatsächlich ein? Wenn Sensoren durch ein Unwetter beeinträchtigt werden oder plötzlich ein Kind auf die Straße rennt? Das Fahrzeug brauche, wie die Menschen, "technische Sinne, um die Umwelt genauso wahrzunehmen". Auch die Technik habe eine Reaktionszeit, aber das Ziel sei, dass sie sogar schneller und zuverlässiger reagiere als der Mensch. Das setze voraus, dass möglichst viele Fahrzeuge miteinander vernetzt seien.
Selbstfahrende Autos: Was, wenn das System ausfällt?
Doch was passiert, wenn das System ausfällt oder gar gehackt wird? Dann würde das Fahrzeug anhalten, erklärt Buchholz. Dafür müssten im Hintergrund die erfassten Daten analysiert und auf ihre Plausibilität geprüft werden, erklärt Buchholz. Wenn was nicht stimmt: stopp.
Wann das Projekt zur Realität auf den Straßen wird, ist völlig offen. Denn bisher haben noch zu wenige Fahrzeuge entsprechende Sensoren an Bord, so der Ingenieur der Universität Ulm. Außerdem gebe es viele rechtliche Fragen zu klären, vor allem zum Datenaustausch und zur Datensicherheit. Ein paar Jahre werde es schon noch dauern. Womit man wieder beim Stichwort "komplex" angelangt wäre.