Coronamaßnahmen und Selbstoptimierung

Theater Aalen spielt Juli Zehs Erfolgsstück "Corpus Delicti"

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Frank Polifke
Frank Polifke

Wie stark darf der Staat die Freiheit seiner Bürger einschränken? Juli Zehs Stück "Corpus Delicti" ist 16 Jahre nach der Uraufführung durch die Pandemie wieder brandaktuell.

Das Theater Aalen führt bis Anfang April das Stück "Corpus Delicti" im Kulturbahnhof auf. Vor dem Hintergrund der Pandemie gewinnt das Stück eine neue Aktualität.

Es gibt keine Krankheiten mehr. Nicht mal Erkältungen. Der Staat hat alle ausgerottet. Mit Genforschung, Früherkennung und strengen Hygienegesetzen. Das klingt zunächst erfreulich und erstrebenswert - hat aber eine dunkle Kehrseite: Die Bürgerinnen und Bürger werden lückenlos überwacht und kontrolliert. Mit einem Chip, der allen implantiert wird. Und einem Gesundheits- und Fitnessplan, den jede und jeder befolgen muss. Eine Gesundheits-Diktatur.

Wer sich auflehnt, wird zum Terroristen

Irgendwann Mitte des 21. Jahrhunderts spielt "Corpus Delicti". In der Zukunft - aber in der nahen. Mia Holl befolgt die Regeln der "Methode" - so nennt sich das rigide System - zunächst widerspruchslos. Die junge Biologin verteidigt sie gegen ihren aufmüpfigen Bruder, zumindest so lange, bis der ins Gefängnis kommt. Angeblich weil er eine Frau ermordet hat. Als er sich in der Haft das Leben nimmt, beginnt Mia an der Unfehlbarkeit des Systems zu zweifeln.

Die Hauptfigur Mia Holl liegt erschlafft und mit geschlossenen Augen auf einer durchsichtigen Matratze, eine Sektflasche neben sich.
Nach dem Suizid ihres Bruders zweifelt Mia Holl am Schutzsystem des Staats, der "Methode" - und verwahrlost zusehends.

Sie vernachlässigt ihren von der "Methode" für sie maßgeschneiderten und verpflichtenden Fitnessplan. Sie schreibt auch keine Ernährungsberichte mehr. Mit der Zeit verwahrlost sie mehr und mehr. Schließlich gerät sie ins Visier der Justiz. "Missbrauch toxischer Substanzen" lautet der Vorwurf. Der Grund: Mia hat eine Zigarette geraucht. Für die "Methode" eine Gefährdung des Allgemeinwohls. Schließlich wird sie zur Terroristin erklärt.

Sicherheit um den Preis der Freiheit?

Der Staat will seine Bürgerinnen und Bürger schützen. Doch die bezahlen dafür einen hohen Preis: Ein Überwachungsstaat entsteht, ein totalitäres System. Auch wenn "Corpus Delicti" unverkennbar an die kaum überwundene Pandemie erinnert, geschrieben hat Juli Zeh das Stück bereits 2007. Und auch Tonio Kleinknecht, Intendant des Theaters der Stadt Aalen, hat es nicht zwecks Verarbeitung der Corona-Einschränkungen ins Programm genommen.

Eine junge und zwei ältere Frauen sitzen plaudernd auf einer Bank, zwei von ihnen halten gelbe Bälle.
Die "Methode" verlangt von allen Bürgerinnen und Bürgern Fitnesstraining - auch Seniorinnen und Senioren sind nicht ausgenommen.

Es geht um eine grundsätzliche Abwägung: Freiheit oder Sicherheit? Die Botschaft des Stücks ist eindeutig: Freiheit und Demokratie sind hohe Güter. "Die gebe ich nicht leichtfertig ab, auch nicht an den Staat, der einem vermeintlich mit Heilsversprechen Arbeit abnimmt", bringt es Kleinknecht auf den Punkt. Aber: Freiheit und verantwortungsvolles Handeln ist auch Arbeit. Auch das gehört zur Botschaft von "Corpus Delicti".

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