Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat in Ellwangen im Ostalbkreis bei der traditionellen Bauernkundgebung beim Kalten Markt seine Arbeit verteidigt, aber auch Kritik am Vorgehen der Bundesregierung geübt. Der Minister sprach vor 700 Landwirtinnen und Landwirten, die Halle war voll besetzt. Die Rede war mit Spannung erwartet worden, sie fiel in eine Zeit, in der die Bauern bundesweit gegen Subventionskürzungen protestieren.
Özdemir: Landwirtinnen und Landwirte müssen vor Entscheidungen gehört werden
"Es kann nicht sein, dass ein Berufsstand über Gebühr strapaziert wird, vor allem ohne dass er vorher Gehör gefunden hat. Und das war hier nicht der Fall und deswegen habe ich gesagt, diese Beschlüsse kann ich so nicht mittragen", so Özdemir. Er habe aber auch, zusammen mit den Landwirten, eine Entschärfung der Kürzungspläne erreicht, das sei nicht selbstverständlich und müsse auch anerkannt werden.
Der Minister rief zu mehr Fairness in der Debatte auf: Er sei seit zwei Jahren Minister. Viele Entwicklungen und heutige Missstände seien aber schon unter vorangegangenen Regierungen entstanden.
Vor seiner Rede hörte der Minister die Position der Landwirte. Hubert Kucher, Kreisvorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim, fasst es so zusammen: "Wir können nicht mehr. Wir können es schier nicht mehr ertragen. Man schnürt uns, auf schwäbisch gesagt, den Kragen zu." Daher erwarten die Bauern laut Kucher einen Minister, der für sie einsteht und kämpft.
Die Stimmung in der Ellwanger Stadthalle blieb friedlich. Es gab Applaus, aber auch Pfiffe und Buhrufe, als der Minister den Saal betrat. Nach seiner Rede ging Cem Özdemir auch vor die Halle, dort warteten viele hundert Landwirte auf ihn.
"Die Ampel muss weg"-Rufe und Kritik vor der Halle in Ellwangen
Auch hier wurde er mit Buhrufen begrüßt. Auf die Bühne vor der Halle trat der Minister aus Sicherheitsgründen nicht, er sprach aber aus einem abgesperrten Bereich zu den Bäuerinnen und Bauern. Doch weit kam er nicht. Erst wurden seine Worte von "Die Ampel muss weg"-Rufen unterbrochen. Dann unterbrach ihn einer der Organisatoren des Protestes vor der Halle.
Er wolle dem Minister sagen, wo der Schuh drückt, so der Redner. Die Leute seien heute da, weil sich die Politik zu wenig um das Leben der normalen Menschen kümmere. Dieses Gefühl habe sich zu stark ausgebreitet und festgesetzt. Der grüne Bundeslandwirtschaftsminister hörte den Reden noch zu, bevor er weiter musste.
Auch wenn er die Landwirtinnen und Landwirte von seinen Positionen nicht überzeugen konnte: Respekt erntete Cem Özdemir dafür, dennoch gekommen zu sein. "Wir haben eigentlich alle damit gerechnet, dass es kurzfristig noch einen Rückzug gibt", so einer der Zuhörer. Dass er gekommen sei und sich auch vor der Halle die Reden und die Kritik anhöre, sei aller Ehren wert.
Der Landesbauernverband zeigte sich dagegen am Ende nicht zufrieden von dem Auftritt des Bundeslandwirtschaftsministers. "Herr Özdemir hat in seiner heutigen Rede vollkommen offen gelassen, wie seiner Ansicht nach eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen und aktiv gestaltet werden kann", teilte Jürgen Maurer, Vizepräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg, nach der Veranstaltung mit. Dabei hätten junge Landwirtinnen und Landwirte genau diese Frage an den Minister gestellt. "Die Jugend hat der Politik einen klaren Auftrag mitgegeben. Herr Özdemir muss dafür sorgen, dass wir als zukünftige Bäuerinnen und Bauern auf unseren Höfen im Land eine Perspektive haben".
Weit mehr als 1.000 Landwirte waren am Mittwoch nach Ellwangen gekommen. Sie hatten den Verkehr in der Stadt am frühen Morgen für Stunden lahmgelegt. Laut Polizei waren alle zentralen Zufahrtsstraßen blockiert. Der Protest der Landwirte begann um 5 Uhr morgens. Es blieb friedlich.