Mit selbstfahrenden Fahrzeugen schneller unterwegs - aber bitte unfallfrei! Das Forschungsprojekt SAFE20 hatte das Ziel, ein Sicherheitskonzept für autonomes Fahren bei höheren Geschwindigkeiten zu entwickeln. Auf dem Langenauer Betriebshof der Firma Dachser im Alb-Donau-Kreis wurde dazu ein Feldversuch durchgeführt. Bis daraus eine Serienlösung für alle Logistikunternehmen entstehen kann, wird es aber wohl noch einige Jahre dauern.
SAFE20: Autonom und sicher bei höheren Geschwindigkeiten
Mit acht Stundenkilometern über den Logistikhof? Zu langsam - wenn es nach der Firma Dachser mit Sitz in Kempten geht. Autonome Fahrzeuge wären mit dieser Geschwindigkeit mehr Hindernis als Hilfe im laufenden Betrieb. Sie sollen Auflieger von A nach B bringen, ja sogar sich selbstständig an den Aufliegern an- und wieder abkoppeln. Besonders zu Stoßzeiten muss es dabei schnell gehen, aber auch alles geordnet ablaufen.
Die meisten Automatisierungskonzepte orientieren sich aber derzeit an niedrigen Geschwindigkeiten. Deshalb haben acht Projektpartner aus verschiedenen Bereichen an einem Weg getüftelt, wie autonomes Fahren bei mindestens 20 Kilometern pro Stunde immer noch sicher ist - prompt war der Name des Projekts geboren: SAFE20.
Eine Automatisierung in der Logistik wird immer mehr an Bedeutung gewinnen, heißt es bei der Abschlusspräsentation des Projekts auf dem Langenauer Logistikhof der Firma Dachser. Allerdings fehle ein ganzheitliches Sicherheitskonzept. Und genau da setzte das Projekt an. Das Ziel: Eine sichere Baukastenlösung zu entwickeln, die dann auf den verschiedensten Logistikhöfen eingesetzt werden kann, so Thomas Wolf, Gesamtprojektleiter von der Firma ZF.
Erst Skepsis, dann Überzeugung
Autonomes Fahren - da denkt der ein oder andere vielleicht erst mal daran, dass Menschen ersetzt werden. Dementsprechend skeptisch waren manche Mitarbeiter bei Dachser, als die ersten Lkw "von allein" über den Betriebshof fuhren, erzählt André Bilz, Projektleiter bei Dachser. Überzeugungsarbeit war gefragt.
Denn rund 1.000 Auflieger und andere Transportbehälter werden in Langenau täglich bewegt - von nur 13 Mitarbeitern. Fünf bis zehn Prozent Schichtausfall gibt es jährlich - dem Fachkräftemangel "sei dank". Hier setzt das autonome Fahren an. "Für uns soll das eher eine Unterstützung für die Zukunft darstellen als den generellen Ersatz von Fahrern", beteuert Bilz.
Feldversuch zum autonomen Fahren in Langenau
Detailreich erzählen die einzelnen Projektteilnehmer den rund 50 Gästen von ihren Aufgaben bei SAFE20. Es geht um Sensoren, um knifflige Software, um Hochleistungscomputer, um verschiedene Fahrzeugtypen und um Kuppelsysteme an den Lkw. Schnell wird klar: Dieses mehrjährige Projekt war komplex und herausfordernd - und dennoch schafft es das dadurch entwickelte Sicherheitskonzept auf den Dachser-Betriebshof.
Von November 2023 bis Januar 2024 wurde im Mischbetrieb getestet - das heißt: autonom und manuell fahrende Lkw sind gleichzeitig auf dem Gelände in Langenau unterwegs. Und das bei regnerischem Wetter, schwierigen Sichtverhältnissen und allen sonstigen Tücken des Regelbetriebs.
Fußgänger, tote Winkel, plötzliches Bremsen des Vorderfahrzeugs - insgesamt 35 potenzielle Gefahrensituationen seien im Vorfeld des Versuchs ermittelt worden, erzählt Till Sellschopp vom Sensorhersteller SICK. Bei einer Vorführung wurde den Gästen dann gezeigt, wie die selbstfahrenden Lkw diese Gefahren erkennen und sogar Notbremsungen selbstständig durchführen können.
Ein Zukunftsmodell für die Logistik mit Hindernissen
Nun ist das Projekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wurde, erfolgreich abgeschlossen. Es fehlt zwar noch ein umfassender Abschlussbericht, bereits jetzt ist aber schon klar: Eine Serienlösung für alle Logistikunternehmen wird wohl erst in ein paar Jahren möglich sein. Die ersten Ergebnisse des Versuchs haben gezeigt: Der selbstfahrende Lkw schafft bisher nur rund 60 Prozent von dem Arbeitspensum eines manuellen Fahrers, erzählt Maximilian Schellert vom Fraunhofer Institut. Außerdem seien die Kosten noch ziemlich hoch.
Die wohl größte Herausforderung ist aber eine "drohende" EU-Norm. Hier geht es um Einheitlichkeit auf Europas Logistikhöfen, damit eine Serienlösung überhaupt funktioniert. Es sollen deshalb noch weitere Projekte auf SAFE20 folgen. Damit bald in Langenau tatsächlich autonomes Fahren zum Alltag gehört.