Vor 15 Jahren erschießt ein ehemaliger Schüler an der Albertville-Realschule in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) und in Wendlingen (Kreis Esslingen) 15 Menschen. An der Schule sterben acht Schülerinnen, ein Schüler und drei Lehrerinnen während des Unterrichts. Auch wenn sich Taten wie diese künftig nicht verhindern lassen werden, müssen Schulen seitdem einiges beachten.
Ehinger Gymnasium geht mit gutem Beispiel voran
Schulleiter Tobias Sahm und sein Stellvertreter Martin Ruppenthal vom Johann-Vanotti-Gymnasium in Ehingen (Alb-Donau-Kreis) haben bereits vor 15 Jahren an ihrer Schule unterrichtet. Das Bewusstsein für das Thema Sicherheit habe sich seit dem Amoklauf gesteigert, erzählt Tobias Sahm. Relativ schnell nach der Tat wurden deshalb in dem großen Gebäudekomplex des Gymnasiums stabile Türen installiert, die nur noch von innen geöffnet werden können.
Das Klassenzimmer verbarrikadieren, das Gebäude nicht verlassen - die Lehrkräfte werden jährlich geschult, wie sie sich im Falle eines Amoklaufs verhalten müssen. Dieses Wissen sollen sie auch zu Beginn jedes Schuljahres an ihre Schüler weitergeben. Geübt werden solche Situationen allerdings nicht - um Panik zu vermeiden.
Neues System für Krisenfälle
Ganz neu ist ein sogenanntes Notfall- und Gefahrenreaktionssystem, kurz NGRS. In jedem Klassenzimmer des Ehinger Gymnasiums hängen nun kleine Kästen, die direkt mit der Polizei und der Notrufzentrale verbunden sind. Nur Lehrkräfte können das System mit Hilfe eines Chips bedienen. In weniger brisanten Fällen ist es zudem möglich, mit dem NGRS direkt im Rektorat oder in einem anderen Klassenzimmern anzurufen, um sich nach der Lage zu erkundigen.
Wichtig dabei sei, dass man mit einer realen Person verbunden ist. "Man löst nicht anonym irgendwie einen Alarm aus", so Martin Ruppenthal. Die Leitstelle könne sich so ein genaues Bild von der Situation machen und dementsprechend auch gezielt Maßnahmen in Gang setzen, um den Krisenfall zu beenden.
Nach Amoklauf in Winnenden: Maßnahmenplan vom Land
Grundsätzlich müssen Schulen seit dem Amoklauf in Winnenden Krisenteams aufstellen und der örtlichen Polizei einen Krisenplan übermitteln. Außerdem müssen sie der Polizei Rettungs- und Fluchtwege vorlegen. Ebenso müssen Signalanlagen vorhanden sein. Das Alarmsignal ist für die Lehrer bei einem Amoklauf der Hinweis, sich mit den Schülern im Klassenzimmer einzuschließen.
Die nach dem Amoklauf von Winnenden an den Schulen eingeführten Pager für Alarmsignale per Funk sind inzwischen wieder ausgemustert worden, weil praktisch jeder ein Handy bei sich hat.
Außerdem sind nach Angaben des Kultusministeriums im Laufe der Jahre auch die Betreuungsangebote verdoppelt worden: In 28 Beratungsstellen in Baden-Württemberg gibt es mittlerweile knapp 200 Schulpsychologen.
Neue Ausrüstung, Geändertes Training
Der Amoklauf in Winnenden und Wendlingen hat auch bei der Polizei seine Spuren hinterlassen. Wolfgang Daub, Leitender Kriminaldirektor beim Polizeipräsidium Aalen (Ostalbkreis), war damals selbst vor Ort. Ihm habe diese Tragödie nochmal gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Polizei schnell vor Ort ist. Aber auch, "wie gefahrengeneigt der Beruf des Polizeibeamten ist."
Deshalb habe sich seit dem Ereignis vor 15 Jahren bei der Polizei auch einiges geändert. Die Ausrüstung der Streifenpolizisten wurde einer solchen Gefahrenlage angepasst. Durch moderne Führungs- und Lagezentren hat die Polizei zudem die Möglichkeit, entsprechende Einsätze "professioneller abzubilden", so Daub. Über ein sogenanntes Einsatz-Leitsystem kann die Polizei dabei auf viele Daten von betroffenen Gebäuden zugreifen, wie beispielsweise Grundrisse oder Kontaktpersonen vor Ort.
Mindestens 40 Stunden Einsatztraining müssen Streifenpolizistinnen und Streifenpolizisten jährlich absolvieren. Dazu zählen Integrations-, Schieß-, Abwehr- und Zugriffstraining. Aber auch Erste Hilfe bei Treffern durch Schusswaffen wird geübt. In Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) können die Beamten in einer Containerstadt unter realistischen Bedingungen Amok-Szenarien trainieren.
Lieber verhindern als reagieren
Die Vorbereitung auf Gewalttaten ist das eine. Das andere ist die Vorbeugung: Deshalb arbeiten hier Polizei und Schulen eng zusammen und bieten verschiedene Präventionsmaßnahmen an. Dazu zählt zum Beispiel die Früherkennung von entsprechenden Gefahren.
Erinnerung bei der Gedenkstätte im Stadtgarten 15 Jahre nach dem Amoklauf: Wie Winnenden der Opfer gedachte
Am 11. März 2009 tötete ein 17-Jähriger in Winnenden 15 Menschen und sich selbst. Es ist auch nach 15 Jahren eine schwer fassbare Tat.
Für Tobias Sahm gehören zu jeder Schule auch Schulsozialarbeiter, "die wissen, wie man mit Kindern redet, die Streit schlichten können." Am Ehinger Johann-Vanotti-Gymnasium ist die Polizei öfter zu Gast, um mit den Klassen über Themen wie Cybermobbing oder Gewalt an Schulen zu sprechen. Damit so etwas wie vor 15 Jahren in Winnenden und Wendlingen nie wieder passiert.