Vergangenes Jahr waren es Fiebersäfte, aktuell sind es Antibiotika - der Medikamentenmangel in Deutschland sorgt weiter für Schlagzeilen. Andreas Burkhardt, Chef des Pharmaunternehmens Teva Deutschland, der Muttergesellschaft des Ulmer Arzneimittelherstellers ratiopharm, sieht als einen Grund vor allem die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Im SWR-Interview sagte Burkhardt, auch ein neues Gesetz setze keine Anreize für sein Unternehmen.
SWR Aktuell: Wie kommen Lieferengpässe, wie vergangenes Jahr bei den Fiebersäften, zustande?
Andreas Burkhardt: Also bei den Fiebersäften war es vor allem im letzten Jahr so, dass die Nachfrage stark nach oben ging und gleichzeitig ein Hersteller ausgestiegen ist, der einen großen Marktanteil hatte, weil es nicht einträglich für ihn war. Deswegen mussten wir und noch ein kleinerer Hersteller den Markt von heute auf morgen komplett versorgen. In der Pharmaindustrie habe ich ungefähr neun Monate Zeit zwischen der ersten Bestellung und dem Zeitpunkt, in dem die Ware in der Apotheke verfügbar ist. Das heißt, ich kann da nicht so schnell reagieren.
SWR Aktuell: Im Juli 2023 wurde ein Gesetz verabschiedet, das Lieferengpässe bekämpfen soll. Hat das Ihrer Ansicht nach etwas gebracht?
Burkhardt: Das ist ein guter erster Schritt, vor allem bei den Kinderarzneimitteln ist es zumindest so, dass sich der Markt stabilisiert hat. [...] Bei Antibiotika hat man so ein bisschen was gemacht, ich nenne das einen "homöopathischer Ansatz", der nicht wirklich was bringt. Es ist kein neuer Antibiotikahersteller dazugekommen. Wir haben jetzt wieder Probleme in der Antibiotikaversorgung, weil wir genau einen Hersteller in Europa haben und es wird sich daran auch nichts ändern durch dieses Gesetz. Das heißt, es ist ein bisschen an der Oberfläche kaschiert, aber verändern tut das nichts.
SWR Aktuell: Hat sich für Sie als Hersteller also nichts geändert?
Burkhardt: Die Lage ist nach wie vor gleich. Der Markt ist zu unattraktiv, es verabschieden sich immer mehr Lieferanten und deswegen haben wir immer wieder einen Mangel oder Lieferschwierigkeiten. Das wird sich nur ändern, wenn der Markt wieder attraktiver wird. Das Anleitsystem ist natürlich ein ökonomisches, also ein finanzielles. Momentan verdient man eben sehr sehr wenig bis gar nichts im Generikamarkt (also dem Markt für Nachahmerprodukte, Anm.d.Red.) und dadurch verabschieden sich eben Unternehmen [...]. Die Produktionskosten in China und Indien sind einfach deutlich niedriger als in Deutschland. Allein durch die ganzen bürokratischen Auflagen, die man erfüllen muss, steigen die Kosten, Arbeitskosten sind deutlich höher. Deswegen ist man eben nicht konkurrenzfähig und wenn eben nur der Preis entscheidet, wer die Absatzmenge bekommt, dann ist es logisch, dass sich Unternehmen aus Asien eher durchsetzen als Unternehmen aus Europa respektive Deutschland.
SWR Aktuell: Wollen Sie Ihre Generika-Produktion in Zukunft einschränken?
Burkhardt: Wir werden vor allem in anderen Märkten, nicht so sehr in Europa, nicht mehr so stark auf Generika setzen. Wir wollen einen balancierteren Ansatz auch mit patentgeschützten Arzneimitteln. Das heißt aber nicht, dass wir aus dem Generikamarkt rausgehen. Wir sind nach wie vor einer der stärksten Anbieter von Generika [...] und das wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. [...] Es fließen keine neue Investitionen in das Generikageschäft. [...] Das große Problem ist beispielsweise, wenn eine Maschine mal kaputt geht, dann muss man sich eben entscheiden, investiere ich wieder groß in diese Maschine, um weiter Generika herzustellen oder investiere ich woanders. Und wenn der Markt so unattraktiv ist, dann werden wir eben dort nicht investieren.