Nach der Übernahme der Social-Media-Plattform Twitter durch Elon Musk prüfen baden-württembergische Ministerien zunehmend Alternativen zu der Plattform für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Für Aufsehen sorgte in dem Zusammenhang kürzlich das baden-württembergische Staatsministerium, das in einem Tweet auf seinen Mastodon-Account verwies, "falls hier die Lichter ausgehen".
Eine Sprecherin des Staatsministeriums teilte dem SWR auf Nachfrage mit: "Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk und die darauffolgenden Entlassungen in vielen Bereichen haben begründete Befürchtungen unter Fachleuten ausgelöst, dass die Plattform zunehmend mit Performance- und Stabilitäts-Problemen zu kämpfen haben könnte."
Chaostage bei Twitter Massenentlassungen und freie Fahrt für Donald Trump: Sorge um Twitter
Exodus bei den Mitarbeitenden, Fake-Accounts mit blauen Häkchen, ausbleibende Werbeeinnahmen und nun vielleicht die Rückkehr von Donald Trump: Seit der Übernahme durch Multimilliardär Elon Musk befindet sich Twitter in der Abwärtsspirale. Steht das Unternehmen vor dem Verlust seiner Glaubwürdigkeit? Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.
Sorge vor Hetze und Fakes nimmt zu
Die aktuelle Entwicklung beobachtet das Staatsministerium kritisch. Es sei wichtig, dass Twitter sich auch weiterhin an deutsche und europäische Gesetzgebung halte und Nutzerinnen und Nutzer vor "Drohungen, Straftaten und Hatespeech" schützen könne, so die Sprecherin. Zudem müssten die Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen können, das Informationen von verifizierten Kanälen auch aus verlässlichen Quellen stammen.
"Es darf nicht sein, dass sich jeder nach Belieben als Regierungsorganisation, Sicherheitsbehörde oder Regierungsvertreter ausgeben kann und mit falschen Behauptungen mitunter großen Schaden anrichten kann", so die Sprecherin weiter. "Wir haben Twitter bereits aufgefordert, die Kanäle der Landesregierung über den 'Blauen Haken' hinweg entsprechend als offizielle Kanäle zu kennzeichnen. Bisher warten wir hier noch auf eine Rückmeldung."
Staatsministerium wirbt für Mastodon
In Bezug auf Mastodon heißt es aus dem Staatsministerium: "Wir begrüßen zudem das Prinzip einer dezentralen Social-Media-Plattform. Auch in Sachen Datenschutz ist Mastodon kommerziellen Netzwerken vorzuziehen." Das sei der Grund, weshalb das baden-württembergische Staatsministerium bereits 2017 als erste Regierungsinstitution in Deutschland dort einen Account eröffnet habe und immer wieder für die Nutzung der Plattform - auch in Form von zugespitzten Tweets - werbe.
Neben dem Staatsministerium sind bei Mastodon aus Baden-Württemberg auch das Finanzministerium, das Verkehrsministerium, das Umweltministerium, das Sozialministerium und das Wissenschaftsministerium vertreten. Weitere Ministerien - und auch die Polizeien - prüfen laut Staatsministerium, ob sie ebenfalls ein zusätzliches Informationsangebot auf Mastodon zur Verfügung stellen wollen.
Nicht alle Ministerien sind bei Mastodon vertreten
Die noch nicht bei Mastodon vertretenen Ministerien haben für ihre bisherige Zurückhaltung ganz eigene Gründe. Ein entscheidender Faktor ist zum Beispiel die Reichweite.
Ein Sprecher des von Theresa Schopper (Grüne) geführten Kultusministeriums antwortete auf SWR-Anfrage, bislang habe die Einrichtung und Optimierung eines Threema-Kanals Priorität gehabt, der Lehrerinnen und Lehrern kostenfrei zur Verfügung gestellt werde. Erst aufgrund der aktuellen Diskussion um die Übernahme von Twitter durch Elon Musk sei das Ministerium zu dem Entschluss gekommen, künftig auch einen Mastodon-Auftritt betreiben zu wollen.
Manche Ministerien nutzen Twitter nicht
Das von Nicole Razavi (CDU) geführte Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen (MLW) antwortete dem SWR: "Wir konzentrieren unsere Social-Media-Aktivitäten auf die Kanäle Facebook und Instagram. Auf Twitter sind wir nicht vertreten. Eine Präsenz des MLW auf Mastodon wird derzeit geprüft."
Das von Peter Hauk (CDU) geführte Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) erklärt auf Nachfrage dem SWR: "Wir sind als Ministerium auf Mastodon angemeldet und könnten den Account jederzeit aktiv bespielen. Wir nutzen dies allerdings aktuell nicht, wie wir auch seit Jahren nicht aktiv auf Twitter sind." Das MLR nutze stattdessen Facebook und Instagram, weil sich die Plattformen besser für seine Themen eigneten.
Das von Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) geführte Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg teilte dem SWR auf Anfrage mit, dass es "die Entwicklungen der Social-Media-Kanäle, insbesondere den (...) Twitter-Kanal, sorgfältig" beobachte. Falls notwendig werde das Wirtschaftsministerium sein Augenmerk auf andere Kommunikationswege legen. "Die Plattform Mastodon kann unseres Erachtens eine weitere Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger über soziale Medien zu erreichen und zu informieren, darstellen", so eine Sprecherin gegenüber dem SWR.
Innenministerium und Polizei wollen bei Twitter bleiben
Eine Sprecherin des von Thomas Strobl (CDU) geführten Innenministeriums erklärte auf Nachfrage dem SWR: "Momentan ist es noch zu früh für eine finale Entscheidung bezüglich der Zukunft von Twitter als Kommunikationskanal für das Innenministerium beziehungsweise die Polizei BW." Für das Innenministerium seien die Aspekte Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit von besonderer Bedeutung - "gerade auch um mögliche Desinformation abzuwehren, beziehungsweise Fake-News entgegenzuwirken". Twitter habe sich in der Vergangenheit als Plattform für eine schnelle Verbreitung von Informationen - insbesondere auch in Krisenlagen - bewährt. Deshalb sei die Plattform für die Polizei ein "unverzichtbarer" Teil der Öffentlichkeitsarbeit.
"Klar ist, dass ersichtlich sein muss, welche Accounts und Informationen wirklich verifiziert und damit vertrauenswürdig sind", so die Sprecherin weiter. Hier setze das Innenministerium derzeit auf eine Lösung durch Twitter selbst. Der Konzern arbeite bereits an neuen Möglichkeiten zur Kenntlichmachung von verifizierten Behördenaccounts - jenseits des nun kostenpflichtig für jedermann erhältlichen "Blauen Hakens". Twitter Deutschland sei deswegen auch bereits auf die Polizei Baden-Württemberg zugekommen. Die Problematik von Fake-Accounts sei für die Polizei nicht neu, diese würden nach Bekanntwerden zeitnah den Plattformbetreibern gemeldet und die Sperrung beantragt. Damit dies weiter funktionieren könne, dürften nicht alle "echten" Accounts die Plattform verlassen, so das Innenministerium.