Präzedenzfall am Verwaltungsgerichtshof

Urteil: Regierungspräsidium Tübingen muss PETA über Tierversuche informieren

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Autor/in
Tobias Faißt
Tobias Faißt arbeitet als multimedialer Reporter im SWR Studio Tübingen.

Die Tierschutzorganisation PETA muss Auskunft über Tierversuche an den Unikliniken Ulm und Tübingen erhalten. Das hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim entschieden.

Tierversuche sind höchst umstritten. Bekannt sind sie vor allem aus der Forschung. Aber auch in der Lehre sind sie gängig - wenn auch seltener. Die Tierschutzorganisation PETA verlangt, dass über diese Tierversuche öffentlich informiert wird. Deshalb hat sie erfolgreich gegen das Regierungspräsidium Tübingen geklagt, bei dem die Unikliniken Tübingen und Ulm die Genehmigungen erhalten.

Ein Urteil - Zwei Meinungen

"Wir hoffen, dass bei zukünftigen Anfragen weniger Widerstand kommen wird", kommentiert Sabrina Engel das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Die Fachreferentin Tierversuche bei PETA verweist allerdings darauf, dass sich die Entscheidung auf die konkrete Anfrage bezieht, die die Tierschutzorganisation gestellt hat.

Verschiedene Zeitungen hatten berichtet, dass das Regierungspräsidium in Zukunft über alle Tierversuche Auskunft geben muss, die bei Ausbildungsveranstaltungen von Ärztinnen und Ärzten an den Universitätskliniken Tübingen und Ulm durchgeführt werden. Weil sich das Urteil eben auf die konkrete PETA-Anfrage aus dem Juli 2019 bezieht, sieht die Genehmigungsbehörde das anders:

Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die bislang noch nicht rechtskräftig ist, wurden wir verpflichtet, PETA für die Jahre 2014 bis 2019 die beantragten Auskünfte zu erteilen. Eine allgemeine Veröffentlichungspflicht von Tierversuchen ergeht aus dem Urteil nicht.

Anfrage zu Tierversuchen abgelehnt

Konkret hatte PETA dem Regierungspräsidium vier, ausführlich formulierte Fragen gestellt. Darin ging es unter anderem darum, welche Art von Tierversuchen im Rahmen des Medizinstudiums bei der Behörde beantragt wurden und von wem. Die Anfrage bezog sich ausdrücklich auf die Aus- und Weiterbildung im Bereich Humanmedizin.

Das Regierungspräsidium hat den Auskunftsantrag der Tierschutzorganisation mit Verweis auf das Landesinformationsfreiheitsgesetz abgelehnt. Denn für den Bereich Lehre und Forschung ist dort eine Ausnahmeregelung zur Auskunftspflicht festgeschrieben - die sogenannte Bereichsausnahme:

Das Gesetz gilt nicht gegenüber den Einrichtungen mit der Aufgabe unabhängiger wissenschaftlicher Forschung, Hochschulen nach § 1 des Landeshochschulgesetzes, Schulen nach § 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg sowie Ausbildungs- und Prüfungsbehörden, soweit Forschung, Kunst, Lehre, Leistungsbeurteilungen und Prüfungen betroffen sind.

Gegen die Ablehnung des Antrags hat PETA geklagt, scheiterte im November 2021 noch vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen. Dessen Urteil wurde nun vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zugunsten der Tierschutzorganisation geändert. Nun interpretieren die beiden Streitparteien das Urteil auf ihre Weise.

Auskunft über Tierversuche in Zukunft?

Ein Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs sieht die Tragweite der Entscheidung auf Nachfrage eher wie PETA. Sollten Anfragen zu Tierversuchen in der Lehre an beiden Universitäten in Zukunft ähnlich formuliert sein, müssten sie wohl beantwortet werden – prüfen darf das das Regierungspräsidium trotzdem. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Verwaltungsgerichtshof argumentiert, dass die Bereichsausnahme für das Regierungspräsidium nicht greift. Sie gelte nur für die beiden Universitäten Tübingen und Ulm, die Forschung und Lehre betreiben. Das Regierungspräsidium müsse als Tierschutzbehörde die gestellten Fragen beantworten, obwohl die Antworten die Arbeit an den Universitätskliniken betreffen. Dem Sprecher zufolge sei es das erste Urteil dieser Art. Bisher habe es nur Entscheidungen zu Anfragen bezüglich Geheimdienstinformationen gegeben.

PETA berät zu Tierversuchen

Abseits der juristischen Spitzfindigkeiten, wer nun unter die Bereichsausnahme fällt und wer nicht, fragt sich der Dekan der Medizinischen Fakultät im Gespräch mit dem SWR, was die Auskunft PETA überhaupt bringt. Prof. Dr. Bernd Pichler zufolge würden Genehmigungen für Tierversuche in der medizinischen Ausbildung sehr lange dauern. Unter anderem weil daran eine Tierversuchskommission beteiligt sei.

"In dieser Kommission sitzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ethiker und Tierschützer. Von daher ist für mich nicht ganz klar, welchen Wert man von dieser zusätzlichen Information hat", fragt der Mediziner. Sabrina Engel von PETA weiß, dass eine Vertreterin ihrer Organisation in dieser Kommission sitzt.

Wenig Tierversuche in Lehre

Da die Kommission nur berät und nicht direkt über Genehmigungen für Tierversuche entscheidet, hat PETA mit seiner Anfrage kontrollieren wollen, was am Ende in den Unikliniken passiert. Eine Information hat das Regierungspräsidium Tübingen auf Anfrage jedenfalls schon öffentlich gemacht: Im Zeitraum zwischen 2014 und 2019 hat es in der Lehre der Unikliniken Ulm und Tübingen neun Tierversuche gegeben.

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