Julian und Mario sitzen auf dem Campus Galli in der Nähe des Unterstandes der Steinmetzhütte. Zwischen den beiden Männern in heller Leinenkleidung liegt ein großer, roter Sandstein. Darauf, fein säuberlich eingeritzt, ein Mühlespiel. Mario, der auf dem Campus Galli die Thementage organisiert, schnappt sich einen kleinen Stein vom Boden und legt ihn auf das steinerne Spielbrett. Genauso wurde auch schon vor zigtausend Jahren gespielt, meint er lächelnd.
Schon Pharaonen liebten das Spiel
Viele Funde belegen es: Der Mensch hat schon immer gespielt. Die ältesten Funde haben Forscher aus einem Königsgrab in Ur in Mesopotamien entdeckt, ein Würfelbrettspiel, welches im 3. Jahrtausend vor Christus beliebt war. Auch im Pharaonengrab von Tutanchamun, der in Ägypten 1323 v. Chr. regierte, hat man Spielbretter mit Spielknöchelchen gefunden. Durch antike Schriftquellen weiß man außerdem, dass das Spielen im Alltag auch früher sehr verbreitet war. Nicht nur Kinder spielten, auch Erwachsene maßen sich mit Spielgegner am Spielebrett. Im strengen und harten Arbeitsalltag war das Spiel für Groß und Klein eine willkommene Abwechslung.
Durch Spielen werden christliche Inhalte vermittelt
Und gespielt wurde auch im frühen Mittelalter. Manchmal zum Zeitvertreib, aber häufiger, vor allen in den Klöstern, um christliche Inhalte zu vermitteln. Etwa bei einem Spiel aus dem 10. Jahrhundert, bei dem Tugenden erwürfelt werden mussten. Lernen wurde dabei mit Spielen gleichgesetzt.
Auch Ballspielen war im Mittelalter beliebt
Auch Bewegung sollte nicht zu kurz kommen. Kinder, die im Kloster wohnten und unterrichtet wurden, sollten laut einer mittelalterlichen Quelle mindestens einmal die Woche aufs Feld geführt werden, um sich dort ihrer Natur gemäß austoben zu können. Bilder und Quellen zeigen die Menschen im Mittelalter beim Ballspielen. So gab es laut Museumspädagoge Julian schon im 9. Jahrhundert das noch heute gespielte "Schweinchen in der Mitte".
Mühlespiel in Thron von Karl des Großen geritzt
Wenn es ums Spielen ging waren die Menschen erfinderisch. So wurden Spielbretter an den ungewöhnlichsten Stellen und Orten gefunden. Etwa auf der Unterseite von Essschalen, in Holzbalken von Kirchendächern oder sogar im Aachener Dom im Thron von Karl des Großen.
Auf dem Campus Galli haben viele Handwerker mitgearbeitet, um die Fülle der Spiele zu zeigen. Der Drechsler hat Holzkreisel hergestellt, der Töpfer Tonmurmeln gebrannt. Die Korbflechterei hat ein Kampfschild zu Übungszwecken aus Weiden geflochten, und in der Weberei wurden Bälle aus Lederresten genäht.
Vesperbrett oder Spielbrett?
Bei manchen Spielbrettern, die bei Ausgrabungen gefunden wurden, weiß man allerdings nicht mehr, wie und warum sie gespielt wurden. Museumspädagoge Julian hat in ein weiches Erlenbrett Felder, Linien und Kreuze eingeritzt. Es ist die Nachbildung eines Spielbretts, das in einem Grab in Seitingen-Oberflacht (Kreis Tuttlingen) gefunden wurde.
Was genau man damit gespielt hat, ist nicht überliefert. Man könnte mit den bunt-gefärbten Spielsteinen aus Holz, die neben dem Spielbrett liegen, nun auch Mensch-ärgere-dich-nicht spielen, meint er schmunzelnd. Die Wissenschaft streitet noch, ob es sich tatsächlich um ein Spielbrett handelt oder doch um ein Vesperbrett. Darum nennt man das Seitinger Holzbrett in der Archäologie auch liebevoll Vesperbrettle.