Unser Ausflug ins 9.Jahrhundert beginnt in einem schmucklosen Container im Mitarbeiterbereich des Campus Galli. Hier hängen viele hellbraune Leinenkleider, ockerfarbene Leinenhosen, naturbraune Wollumhänge und einfache Wollgürtel an Stangen an der Wand: die Arbeitskleidung auf dem Campus Galli. Auch Antje Nutbohm und ich bekommen Leinenkleid, Wollumhang, Schal und Wollgürtel. Etwas ungewohnt fühlt sich das knöchellange Leinenkleid an. Zumindest der braune Wollumhang kratzt nicht wie befürchtet, sondern hält uns an dem frischen Morgen kuschelig warm.
Wichtige Regeln fürs 9.Jahrhundert
Wir sind nicht die Einzigen, die an diesem Morgen neu eingekleidet werden. Mit uns beginnen noch weitere zehn Freiwillige ihre Arbeit. Manche bleiben nur wenige Tage, andere mehrere Wochen. Doch bevor es los geht, gibt es erst einmal eine Einweisung. Denn der Campus Galli ist eine Baustelle, zwar eine im Mittelalter, aber wie auf einer modernen Baustelle gibt’s Regeln und Dinge, die zu beachten sind. Das beginnt schon beim Laufen übers Gelände: Die Klosterbaustelle ist mitten in einem Waldstück. Mit dem Leinenkleid muss man gut aufpassen, dass man nicht an einer Wurzel hängen bleibt und stürzt. Oder was sollen wir tun, wenn ein Unwetter kommt? Wie umgehen mit dem Mittelalter-Hammer? Anschließend werden wir eingeteilt. Zusammen mit anderen Freiwilligen geht es zur Klosterscheune. Die soll bald fertig werden und deshalb braucht es viele fleißige Hände.
Mit nackten Füßen Lehmputz stampfen
Bei der Klosterscheune wartet schon Maurer Andreas Mutter, genannt Mutti, auf uns. Er ist schon einige Jahre auf der Klosterbaustelle und betreut uns an diesem Arbeitstag. Unsere Arbeit: Lehm stampfen. Aus Weidenkörben schüttet Mutti Sand und feine Lehmklumpen auf ein Tuch. Anschließend gießt er aus dem Holzeimer noch etwas Wasser auf die Mischung. Dann sind wir dran. Ohne Schuhe und Strümpfe , eben wie im Mittelalter, beginnen wir vorsichtig das Sand-Lehm-Wasser-Gemisch zu stampfen. Geht gar nicht so leicht. Neben mir stampft Nicole aus Villingen-Schwenningen. Die 47-Jährige ist schon zum fünften Mal zum Arbeiten auf den Campus Galli gekommen. Das Stampfen im Lehm ist für sie Sport und anstrengend. Und sie prophezeit Antje und mir einen schönen Muskelkater am Abend.
Bei mir zwickt's schon nach 20 Minuten Lehmstampfen in den Waden. Gottlob gibt es immer wieder motivierende Zurufe von den vielen Besuchern, die uns, mancher etwas schadenfroh, beobachten. Immer wieder müssen wir die Plane zusammenfalten und die Pampe wie eine Biskuitrolle zusammenpressen. Das geht ganz schön in die Oberarme. Nach und nach wird aber aus der klumpigen Masse ein homogener, heller Lehmputz. Am Ende wird noch pieksendes Stroh in die Masse gestampft, damit der Lehmputz beim Trocknen nicht reißt. Die fertige Lehmmasse wird anschließend in Schultermohlen aus Holz gefüllt und in die Klosterscheune getragen. Dort wird der Lehmputz auf ein Weidengeflecht unterhalb des Daches geklatscht und festgedrückt.
12.000 Mal in die Lehmmasse getreten
Nicole, Antje und ich sind da schon wieder am Lehmstampfen. Die Klosterscheune soll bald fertig werden. Vor den ersten Herbststürmen sollen die Wände unterhalb des Daches alle verputzt sein und deshalb braucht es viel Stampflehm. Also treten wir weiter die Masse zusammen. Immer einen Stampfer vor den anderen. Eine monotone Arbeit ist das, aber je länger wir stampfen, umso mehr tauchen wir ein ins Arbeiten auf der Klosterbaustelle. So langsam fühlen wir uns wirklich wie auf einer Baustelle im 9. Jahrhundert. Da kann Mutti nur Lächeln. Er selbst benutzt zu Hause natürlich modernes Werkzeug, die Arbeit mit mittelalterlichem Werkzeug ist für ihn einfach Teil seiner Arbeit und hat nichts mit Mittelalterromantik zu tun. Als am Abend die Tabula zum Feierabend geschlagen wird, haben nicht nur Antje und ich vom Stampfen schwere Füße. Trotzdem sind wir stolz über das, was wir geleistet habe. Das Lob von Mutti am Ende ist zum Feierabend wie Balsam für unsere wunden, müden Füße.