Der Rottenburger Gemeindewahlausschuss hat am Montag über strittige Stimmzettel der OB-Wahl vom Wochenende diskutiert. Eigentlich war die Zitter-Partie in Rottenburg mit dem Wahlergebnis am Sonntag vorüber: Amtsinhaber Stephan Neher (CDU) konnte die absolute Mehrheit mit rund 49,87 Prozent der Stimmen knapp nicht für sich gewinnen. Gerade weil das Ergebnis so eng war, hat der Gemeindewahlausschuss aber strittige Wahlzettel noch einmal untersucht.
Stimmzettel ordentlich ausgefüllt?
Dabei war zu klären, ob die Stimmzettel zuvor zurecht als gültig oder ungültig gewertet wurden. Vor allem die Zettel, bei denen die "freie Zeile" mit einer anderen wählbaren Person ausgefüllt war, wurden genau untersucht.
Ein wichtiges Kriterium: War bei den vorgeschlagene Kandidaten zweifelsfrei erkennbar, wer gemeint ist? Falls nicht, gelten die Stimmen nämlich als ungültig. Mit genügend als ungültig aussortierten Stimmen hätte Neher noch eine Chance auf die absolute Mehrheit gehabt.
Stundenlang wurde in der Sitzung über rund 30 strittige Fälle diskutiert. Und die Anspannung war deutlich zu spüren. Auch der Zweitplatzierte der OB-Wahl, Allgemeinmediziner Klaus Weber (parteilos) war vor Ort. Sowohl seine Sympathisanten, als auch die von Stephan Neher waren häufig in Diskussionen involviert. Nach der Sitzung stand aber fest: Für die absolute Mehrheit hat es bei Neher mit 49,92 Prozent trotzdem nicht ausgereicht - 13 Stimmen fehlten. Klaus Weber kam am Ende insgesamt auf 25,81 Prozent. Damit treten die beiden am 07. April zur Stichwahl an.
Ein Wimpernschlagfinale wie schon am Sonntag
Schon der Wahlabend am Vortag war an Spannung kaum zu überbieten: Neher hatte bei der Auszählung der Stimmen zeitweise mit 55 Prozent vorne gelegen. Als dann jedoch 37 der 38 Rottenburger Wahlbezirke ausgezählt waren, war er abgerutscht auf 49,95 Prozent. Am Ende war es sogar noch etwas weniger.
So reagieren Rottenburgerinnen und Rottenburger am Montagmorgen in der Fußgängerzone darauf, dass Stephan Neher die absolute Mehrheit verpasst hat:
Neher dürfte das Ergebnis als Denkzettel aus der Bevölkerung werten. Denn in den vergangenen Jahren war immer wieder Kritik an seinem Führungsstil laut geworden.
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Immer wieder Kritik am Führungsstil
Viele Rottenburger sind der Meinung, dass sie aus dem Rathaus nicht rechtzeitig oder nur einseitig über Entscheidungsprozesse informiert werden. Das lasten sie vor allem OB Neher an. Die Bürgerschaft hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach gegen die Politik von oben zur Wehr gesetzt. Der Amtsinhaber zeigte sich durch die Wahlergebnisse enttäuscht.
Bei einem Bürgerentscheid über den Erhalt des baufälligen Rottenburger Schlachthofs kassierte der OB vor gut einem Jahr eine Niederlage: Der OB und der Gemeinderat hatten gegen den Erhalt des Schlachthofs entschieden. Stattdessen sollte sich Rottenburg an einem nahe gelegenen Schlachthof in Gärtringen (Kreis Böblingen) beteiligen. Diese Entscheidung kippte die Bürgerschaft aber per Bürgerentscheid.
Schlachthof auch Thema im Wahlkampf
Der Streit um den Erhalt des Schlachthofs warf seine Schatten dann auch bis in den OB-Wahlkampf hinein. Unter den drei Gegenkandidaten, die Stephan Neher den Chefsessel im Rottenburger Rathaus abjagen wollten, war unter anderem auch der Sprecher der Bürgerinitiative für den Erhalt des Schlachthofs, Klaus Weber. Der sagte dem SWR, er werte sein Ergebnis als Erfolg - und als einen Hinweis aus der Bevölkerung an Oberbürgermeister Neher, dass nicht alles gut laufe.
Klaus Weber: "Bin immer noch auf Sieg gebürstet"
Weber glaubt, dass er bei der Stichwahl in drei Wochen, am 7. April, Chancen auf den Chefsessel im Rathaus hat. Sollte er unterliegen, könne er das auch akzeptieren, so der Allgemeinmediziner, der nach eigenen Angaben einen "Graswurzelwahlkampf" ohne viel Geld und ohne die Unterstützung einer Partei geführt hatte.
Stephan Neher - ein ungewöhnlicher CDU-Mann
Stephan Neher ist seit 2008 Oberbürgermeister in Rottenburg. Bei der Wahl zu seiner dritten Amtszeit hatte der CDU-Mann auch die Unterstützung der Rottenburger SPD und der Rottenburger Grünen. Neher gilt für viele nicht als typischer CDUler - vor allem wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen. Anders als viele seiner Parteifreunde pflegt Neher in Rottenburg ausdrücklich eine Willkommenspolitik.
Ergebnis nicht ganz unerwartet Meinung: OB-Wahl in Rottenburg herber Schlag für Neher
Dass der Rottenburger Oberbürgermeister Neher bei der OB-Wahl Federn lassen würde, war klar. Doch das jetzige Ergebnis ist ein herber Schlag für ihn. Ulrike Mix kommentiert.
Die Stadt hat sich während seiner Amtszeit 2019 zum "Sicheren Hafen" erklärt. Das heißt: Rottenburg wäre bereit mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als es eigentlich muss. Außerdem leistete die Stadt in den vergangenen Jahren vorbildliche Integrationsarbeit für ukrainische Flüchtlinge. So wurde zum Beispiel eine Schule für Kinder eröffnet, die aus der Ukraine geflüchtet sind.