Eine junge Familie hat in Bad-Urach (Kreis Reutlingen) im kleinen Teilort Wittlingen ein Haus gekauft und dort nach kurzer Zeit schwere Mängel festgestellt. Vor dem Kauf haben die Verkäufer und Vorbesitzer die Schäden laut der Familie verschwiegen. Die Verkäufer behaupten, davon nichts gewusst zu haben. Die Familie aus Böblingen ist vor Gericht gezogen.
Das Traumhaus in Bad Urach wurde zum Albtraum
Eigentlich hat alles so schön angefangen, wie das Paar dem SWR erzählt. Als Roman Raffler und Laura Pippig 2021 die Anzeige für das Haus lesen, sind sie völlig hin und weg: ruhige, ländliche Umgebung, blaue Holzfassade, fünf Zimmer, 170 Quadratmeter mit schönem Garten samt Schwimmteich. Das Haus selbst ist keine 25 Jahre alt und wurde 1999 gebaut, nach und nach kam ein Anbau dazu. Und das Ganze noch für einen relativ "günstigen" Preis von 550.000 Euro.
Weg aus Böblingen wollen sie eigentlich nicht. Doch ein Traumhaus im Ballungsraum Stuttgart ist kaum zu bekommen. So lockt das Angebot in Bad Urach. Vor allem, weil sich die Familie noch vergrößern will, wäre das das perfekte Zuhause für die bald vierköpfige Familie, meinen Roman Raffler und Laura Pippig.
Und die Besichtigung vor Ort überzeugt die Beiden noch mehr. Alles sieht soweit gut aus. Das Vorbesitzer- und Verkäufer-Ehepaar scheint nett und sympathisch. "Es war so familiär und wir haben uns gut verstanden", erinnert sich Laura Pippig. Auch die Nachbarschaft sei freundlich, versichern ihnen die Vorbesitzer damals. Wenig später, im Juni 2021, unterschreibt das Paar den Kaufvertrag, im September ziehen sie ein. Der Albtraum beginnt.
Böses Erwachen: Traum vom idyllischen Eigenheim platzt
Voller Tatendrang macht sich die Familie an die Sanierungsarbeiten. Im Untergeschoss gibt es eine kleine Einliegerwohnung, die sie gerne immer mal wieder an Wanderer untervermieten wollen. Als Laura Pippig für die Malerarbeiten das Klebeband an der Wand anbringen will, hält es nicht und fällt immer wieder ab. Fast so, als wäre die Wand feucht.
Ebenfalls im Untergeschoss ist der Hobbyraum, von den Vorbesitzern eingerichtet mit vielen Regalen und Holzplanken. Auch hier scheint viel Feuchtigkeit in der Luft zu liegen. Traurige Gewissheit liefern damals die Messwerte des Rauchmelders, der auch Feuchte messen kann, wie sich Roman Raffler im Gespräch mit dem SWR erinnert.
Mit den zunehmend kalten Temperaturen im Herbst und Winter misst er teils eine Luftfeuchtigkeit von bis zu 90 Prozent. Im Hobbyraum hat es im Winter manchmal zwei Grad. Das Paar wird skeptisch. Ist das Problem erst jetzt mit ihrem Einzug aufgetreten? Also schrauben sie die Holzplanken ab. Der schimmelige Zustand der Wand darunter verrät: Das Problem mit der Feuchtigkeit gibt es schon länger. Und beim ersten starken Regen zeigt sich auch warum: Der Raum läuft mit Wasser voll, es fehlten Dichtungen.
Gutachter decken viele Mängel im Haus auf
Raffler und Pippig wollen die Meinung eines professionellen Gutachters einholen. 27.000 Euro kostet das erste Gutachten, das das Paar in Auftrag gibt. Es sollte nicht das letzte bleiben und auch nicht der letzte aufgedeckte Schaden am Haus. Die Liste wird immer länger. Die größten Probleme laut der Gutachter: abfallender Putz durch Nässe, eine nicht ausreichend verstärkte Bodenplatte, fehlende Dämmungen, fehlende Abdichtungen. Am schlimmsten ist aber der gesundheitsgefährdende Schimmel.
Das Paar ist geschockt. Keinen der Schäden hatte das Verkäufer-Paar laut der beiden zuvor angesprochen. Einige Mängel waren durch festgeschraubte Möbel oder Holzplanken verdeckt. Außerdem war das Feuchtigkeitsproblem bei der Besichtigung im Sommer nicht zu ahnen.
Von den Schäden hätten sie nichts gewusst, sagen die Verkäufer dem jungen Paar immer wieder. Später stellte sich nach Angaben von Raffler und Pippig aber heraus, dass die Vorbesitzer eigenhändig das komplette Untergeschoss gebaut hatten. Die Verkäufer wollten sich auf SWR-Anfrage nicht äußern.
Gutachter Fritz Buckel fasst nach einer weiteren Besichtigung dem SWR gegenüber zusammen: "Der Erbauer hat sich wohl nicht ganz identifiziert mit der Arbeit. Wenn dann noch Unwissen dazukommt, kriegt man so ein Ergebnis." Insgesamt rechnet Buckel mit einem Schaden in Höhe von circa 440.000 Euro - ein Totalschaden.
Morddrohung aus der Nachbarschaft
Roman Raffler und Laura Pippig fühlen sich hintergangen. Das einst familiäre Verhältnis zum Verkäufer-Ehepaar bröckelt. Hinzu kommen Probleme mit der Nachbarschaft, die zu den ursprünglichen Hausbesitzern hält.
Pippig erinnert sich im Gespräch mit dem SWR an einen Mann, der ihr im eigenen Haus damit drohte, sie umbringen oder ein Kind verschwinden zu lassen. Vor dem Amtsgericht Bad Urach gewinnt sie das Verfahren wegen Bedrohung. Danach entscheidet die Familie, auch gegen das Verkäufer-Ehepaar vor Gericht zu ziehen.
Ein langer Gerichtsprozess
Mittlerweile erwarten die Eltern ihr drittes Kind. Seit knapp zweieinhalb Jahren kämpfen sie für ihr Recht und wollen den Kauf rückgängig machen. Allein die Dokumentation der Schäden durch die Gutachter reicht dafür aber nicht aus, erklärt Anwalt Josef Gläser. Ein sogenannter Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag schützt das Verkäufer-Ehepaar bei nachträglich entdeckten Mängeln. Stattdessen muss laut dem Anwalt der Familie Arglist nachgewiesen werden. Also, dass der Verkäufer von den Mängeln wusste.
Die Familie ist von ihrem vermeintlichen Traumhaus jedenfalls sichtbar mitgenommen. Sie mussten Kredite aufnehmen, damit sie sich den Rechtsstreit überhaupt leisten konnten. Die Kosten tragen sie nach eigenen Angaben nämlich zur Hälfte selbst, weil der Familienvater keine Rechtsschutzversicherung hat. "Man ist innerhalb von den zweieinhalb Jahren auch wirklich abgestumpft", sagt Roman Raffler dem SWR. Wenn sie den Prozess verlieren sollten, müssten sie Privatinsolvenz anmelden, meint er.