Luisa Neubauer bei der Mediendozentur in Tübingen

"Die Klimakrise ist eine Frage des Lebensstils"

Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei Mediendozentur in Tübingen

Stand
AUTOR/IN
Nathalie Waldenspuhl

"Wir müssen zeigen, dass das Gras auf unserer Seite wirklich grüner ist!" In ihrer Rede hat Luisa Neubauer dafür plädiert, auf eine neue Art über das Klima zu sprechen.

Der Festsaal der Uni Tübingen war mit 900 Besuchern voll. Am Ende gab es Standing Ovations: Luisa Neubauers Rede kam bei den rund 900 Zuhörenden vor Ort und den vielen weiteren im Internet gut an. Und das, obwohl die Klimaaktivistin eher trübe Aussichten mit nach Tübingen brachte: "Die Party ist vorbei", meinte Neubauer. Der Klimawandel sei da und ließe sich nicht mehr umkehren. Aber, anstatt sich zu fragen, "wie es soweit kommen konnte" brauche es nun ein neuen Blick auf die Klimakrise. Und vor allem eine neue Art, über sie zu sprechen.

Zum Nachschauen: Die Rede von Luisa Neubauer auf der Tübinger Mediendozentur

Neubauer: "Fakten allein reichen nicht"

"Man dachte, man hätte es längst verstanden", so Neubauers Diagnose. Schon ihre Oma habe es vor Jahrzehnten gewusst. Ebenso der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor 30 Jahren: Der Klimawandel ist da und er ist eine Herausforderung für die Menschen. Warum also ist es bisher nicht gelungen, die Menschen vom Klimaschutz zu überzeugen?

Festsaal der Universität Tübingen bei der Mediendozentur
Der Festsaal der Universität Tübingen war mit rund 900 Menschen voll besetzt.

Wenn es um das Klima und den Umweltschutz geht, dann geht dabei immer auch um Fakten. Und das ist das Problem, meint Neubauer. Wissenschaftliche Erkenntnisse seien zwar wichtig, sie würden aber nicht ausreichen, um Menschen von einem ökologischen Leben zu überzeugen. Vielmehr geht es laut Neubauer bei der Klimakrise auch um ein Lebensgefühl. Dieses sei in unserer Gesellschaft nicht nachhaltig. Ob der Job im Industriewerk oder der Neuwagen: Was wir für ein gutes Leben halten, bedeutet für die Umwelt eine große Belastung, so Neubauer. Immerhin würde James Bond seine Gegner im schicken Aston Martin verfolgen und nicht etwa auf dem Fahrrad.

Eine Frage des Lebensstils

An dieser Stelle will die Klimaaktivstin ansetzen, um neue Impulse zu schaffen: Wer über das Klima spricht, muss auch über den Lebensstil sprechen. "Wir müssen zeigen, dass das Gras auf unserer Seite wirklich grüner ist", so Neubauer. Nachhaltigkeit solle nicht nur moralisch richtig sein, sondern auch ein "gutes Leben für alle" versprechen können. Das sei wichtig, um Menschen abzuholen.

Keine großen Überraschungen

Im gut einstündigen Vortrag ist es Neubauer gelungen, die Menschen mit klaren Ansagen und anschaulichen Erzählungen für eine emotional zugängliche Klimakommunikation zu gewinnen. Trotzdem merkten einige der Besucherinnen und Besucher an: Die große Überraschung blieb für sie aus. Konsumkritik und die Problematisierung von Machtverhältnissen seien Aspekte der Klimakrise, aber keine neuen Erkenntnisse. Der Klimaaktivistin zugehört haben die Meisten aber gerne.

Neubauer unterstützt Fridays for Future-Protest in Tübingen

Kurz vor ihrem Vortrag ging Neubauer noch auf die Straße: Gemeinsam mit der Fridays For Future-Gruppe Tübingen demonstrierte sie gegen den geplanten Bau des Schindhaubasistunnels. Der Tunnel ist eine Maßnahme zum Ausbau der Bundesstraße in der Tübinger Südstadt.

Luisa Neubauer mit Tübinger Fridays for Future-Aktivisten vor der Mediendozentur
Vor ihrem Vortrag demonstrierte Luisa Neubauer mit den Tübinger Aktvistinnen und Aktivisten von Fridays for Future.

Mehrfach ausgezeichnete Bestsellerautorin und Preisträgerin

Als Autorin schrieb Neubauer bislang drei Bücher - allesamt Bestseller. Zuletzt veröffentlichte sie 2022 gemeinsam mit ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma den autobiografischen Essay "Gegen die Ohnmacht".

Das Time Magazine zählte Neubauer 2022 zu den wichtigsten Newcomern, das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen verlieh ihr die Auszeichnung "Rede des Jahres 2022" für eine Ansprache, die sie auf dem Parteitag der Grünen gehalten hatte.

Tübinger Mediendozentur

Die thematische Einführung zur 18. Tübinger Mediendozentur am Donnerstagabend übernahm der Medienwissenschaftler Professor Bernhard Pörksen. Es moderierte der Tübinger SWR-Studioleiter Marcel Wagner.

Das Institut für Medienwissenschaft der Universität Tübingen und der SWR veranstalten jährlich die Mediendozentur. Neben den Gastvorträgen prominenter Medienvertreterinnen und Medienvertreter wird im Rahmen dieser Kooperation auch ein Workshop für Studierende des Masterstudiengangs Medienwissenschaft angeboten, der gemeinsam von der Universität und dem SWR Studio Tübingen konzipiert wird. So bekommen die Studierenden Einblicke in ein modernes Medienunternehmen und haben die Möglichkeit, ihre Ausbildung praxisorientiert zu vertiefen. Die Universität beteiligt im Gegenzug Medienfachleute an Forschung, Lehre und Ausbildung.

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Nathalie Waldenspuhl