Sie haben Bäume mit der Hand gefällt, das Holz mit mittelalterlichen Sägen zerteilt und mit bloßen Händen Löcher in die lehmige Erde gebuddelt. Und dann das: Beim Aufstellen der ersten Holzwand des Anbaus der Zimmerei auf dem Campus Galli haut der 19-jährige Bernhard mit dem Hammer zu fest auf die schmale Holzstrebe zwischen zwei Balken. Mit einem lauten Ratsch reißt das Holz, ein langer Riss zieht sich durch den Balken. Der ist nicht mehr zu gebrauchen. Die ganze Arbeit im Vorfeld war umsonst. Eine neue Holzstrebe muss angefertigt werden.
Fehler machen ist erlaubt
Campus Mitarbeiter Aurel nimmt es gelassen. Er ist hauptberuflich als Zimmermann auf der Klosterbaustelle angestellt und betreut die Gruppe, die ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege macht. " Jetzt muss man es eben neu machen. Das Gebäude ist nicht eingestürzt, alles ok noch," meint er schmunzelnd. Einen Fehler zu machen, das gehöre einfach dazu. Wenn alles perfekt laufe, komme man nicht weiter. Dinge müssen laut Aurel schief gehen, damit die Handwerker aus ihnen lernen können.
Ungewohnte Leinenkleider machen Probleme
Alle FSJler tragen Kleidung aus Wolle und Leinen. Für manch einen sehr ungewohnt. Vor allem die jungen Frauen tun sich schwer mit den Leinenkleidern. Bei der Arbeit rutscht der Stoff immer wieder zwischen die Beine und behindert. Das habe schon zu Diskussionen geführt, meint David Nonnenmann. Er ist der Leiter der Jugendbauhütte Baden-Württemberg und betreut die Jugendlichen.
Die Woche auf dem Campus Galli gehört zu dem einjährigen Programm. So sollen die jungen Menschen lernen, wie sich das Handwerk entwickelt hat. Mit 22 FSJlern sind sie in die Woche gestartet. Leider gab es schon Ausfälle. Vor allem das schlechte Wetter in den ersten Tagen war Schuld, einige haben sich erkältet und mussten in der Jugendherberge bleiben.
Auch einmal schön so ohne Computer
Die anderen sind voller Elan bei der Arbeit dabei. Für Bernhard ist die Campus-Woche ein Highlight. Der 19-Jährige hat bereits zwei Jahre Mathematik studiert, das war ihm aber zu langweilig. Nun probiert er sich ein Jahr lang in der Denkmalpflege aus. Und nicht nur er ist begeistert von der mittelalterlichen Klosterbaustelle. Seine Mutter war ziemlich neidisch auf diese Arbeitswoche. Und auch die anderen jungen Frauen und Männern sind von der Atmosphäre und der Arbeit begeistert.
Bauhütten gab es schon im frühen Mittelalter
Das Prinzip der Bauhütten gab es schon im 9.Jahrhundert. Hier leiteten die Baumeister ihre Lehrlinge an. Verschiedene Handwerker, wie etwa Zimmerleute, Maurer und Glasbläser, arbeiteten hier, meist am Bau einer Kathedrale, zusammen. Aber auch Material wurde dort gelagert. Das Prinzip des Lehrens, der Weitergabe von Wissen an Jung und Alt haben die Jugendbauhütten in der heutigen Zeit übernommen. In ganz Deutschland gibt es sie. Seit 2019 können in der Jugendbauhütte Baden-Württemberg junge Erwachsene aus dem ganzen Land ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege absolvieren.
Learning by doing ist wichtig
Es sind mehr Frauen als Männer, die ein Jahr lang in die Denkmalpflege schnuppern. Die 19-jährige Amelie etwa ist 12 Monate im Franziskanermuseum in Villingen-Schwenningen in der Restaurierungswerkstatt für Gemälde und Skulpturen.
Seit September ist Hanne ein Jahr lang auf dem Campus Galli und lernt alles von Grund auf. Sie ist also fast schon ein alter Hase auf dem Klostergelände, kennt sich schon besser aus als die anderen. Und kann Tipps geben. Etwa als sie mit Leonie zusammen einen Holzpfosten mit der Schrotsäge kürzt. Das ist gar nicht so leicht, denn das bogenförmige Blatt vibriert widerspenstig und springt immer wieder aus dem Holz heraus.
Ganz fertig werden die FSJler in der eine Woche sicher nicht mit ihrem Projekt. Sie hoffen, dass sie am Ende des Seminars immerhin noch ein paar selbst gehauene Schindeln aufs Dach legen können. Aber egal wie weit sie am Ende dann wirklich kommen. Die Woche auf der mittelalterlichen Klosterbaustelle Campus Galli war für alle eine einmalige Erfahrung und hat ihnen viel Spaß gemacht.