Seit das Amazon-Verteilzentrum in Meßkirch (Kreis Sigmaringen) steht, hat sich in der Stadt einiges verändert. Hier gehen täglich über 50.000 Pakete raus.
Die Fließbänder rattern. Ein Paket nach dem anderen fährt auf den Bandrollen durch die Industriehalle. Hier in Meßkirch werden die Päckchen sortiert und zum Ausfahren vorbereitet, dann kommen die Kurierfahrer und verteilen sie in die Haushalte. Rund 250 Transporter starten jeden Tag von Meßkirch aus.
So sieht es im Amazon-Verteilzentrum Messkirch aus
Die Mitarbeiter im Verteilzentrum tragen orange Warnwesten. Sie bekleben, scannen und sortieren die Pakete. Bei einem Rundgang mit dem Pressesprecher kommen einige von ihnen ins Gespräch mit dem SWR. So zum Beispiel Khalid. Er ist vor knapp zwei Jahren aus Afghanistan geflohen. In seiner Heimat hat er als Polizist gearbeitet. Hier in Deutschland gehe das nicht, sagt er, dazu sei sein Deutsch noch zu schlecht.
Deswegen ist er froh, dass er bei Amazon sein Geld verdienen kann. Als Sortierer bekommt man am Anfang 14 Euro pro Stunde. Wer über zwei Jahre dabei bleibt, verdient laut Amazon mehr als 16 Euro. Die Gewerkschaft ver.di hat die Arbeitsbedingungen im Amazon-Logistikzentrum Karlsruhe vergangenes Jahr stark kritisiert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen über permanenten Leistungsdruck und einen respektlosen Umgangston der Führungskräfte berichtet haben.
Beim Rundgang im Verteilzentrum Meßkirch äußern sich die Sortierarbeiter anders. Sie seien mit den Arbeitsbedingungen zufrieden. Ver.di kann keine Auskunft zum Amazon-Standort Meßkirch geben. Eine Sprecherin sagte dem SWR, die Gewerkschaft habe im Moment noch keine Kontakte in das Verteilzentrum.
An einer anderen Station in Meßkirch verräumt eine junge Frau die Pakete in bunte Taschen. Sie heißt Rajvi, studiert in Villingen-Schwenningen internationales Management. Die 22-jährige Inderin ist erst seit einigen Monaten in Deutschland. Sie wolle mehr über die Prozesse im Verteilzentrum lernen, sagt sie. Sie kann sich vorstellen, nach ihrem Studium vielleicht auch als Managerin bei Amazon einzusteigen.
Amazon ist Teil der städtischen Wirtschaft
Zurzeit arbeiten bei Amazon in Meßkirch rund 230 Menschen. Für die Stadt Meßkirch ist der Versandhändler ein "Baustein der städtischen Wirtschaft mit überörtlicher Wirkung", sagt eine Sprecherin der Stadt auf Nachfrage des SWR. Amazon schafft Arbeitsplätze und zahlt Gewerbesteuern, so wie andere Unternehmen auch.
In Meßkirch merke man, dass sich seit einigen Jahren große Unternehmen wie Amazon dort angesiedelt haben, sagt Mathias Bank von der örtlichen Gewerbe- und Handelsvereinigung (GHV). In vielen Branchen würden Arbeitskräfte fehlen. Ein Amazon-Mitarbeiter verdiene ähnlich viel wie eine Bedienung, eine Küchenhilfe oder eine Verkäuferin. Viele würden mit der Zeit die Gastronomie oder den Handel verlassen, um etwa bei Amazon zu arbeiten. Vor allem seit der Corona-Pandemie. "Diese Leute fehlen uns jetzt", so Bank.
Mietwohnungen statt Ladenfläche
Und auch in der Innenstadt hinterließen große Unternehmen wie Amazon ihre Spuren. Denn: Laut Mathias Bank vermieten einige Hausbesitzer leerstehende Gebäude gerne an Amazon-Mitarbeitende und Paketboten. Zum Teil auch Häuser, in denen vorher Geschäfte drin waren. Die Fahrerinnen und Fahrer würden sich in der Regel eher günstige Wohnungen suchen. Das sei für die Vermieter weniger Aufwand, als einen Laden oder ein Restaurant einziehen zu lassen. Schade für die Innenstadt, findet Bank, denn die werde durch Mietwohnungen nicht attraktiver.
Das Innenstadtsterben auf Amazon zu schieben, sei aber zu kurz gedacht, sagt er. Und örtliche Tankstellen und Supermärkte würden von Amazon sogar profitieren. Denn die vielen Beschäftigten und Kurierfahrer kaufen in Meßkirch ein und das bringt Umsatz.
Amazon als Nachbar? Das sagen Menschen aus Meßkirch
Und die Menschen in Meßkirch selbst? Die merken vor allem, dass immer mehr große graue Amazon-Transporter in und um Meßkirch herum unterwegs sind. "Es ist deutlich mehr Verkehr in der Stadt", sagt ein Anwohner. Auch an den Tankstellen gebe es mittlerweile lange Schlangen. Manche Leute stört das. Eine Frau sagt dem SWR, sie finde es unglaublich nervig, wenn ihr im Auto gleich mehrere Transporter am Stück entgegenkommen. Das sei einfach zu viel Verkehr.
In Meßkirch selbst gebe es wegen der Transporter aber keinen Stau, sagt ein anderer Anwohner. Allerdings würden die Paketboten an manchen Stellen deutlich zu schnell fahren. Auch in der Fußgängerzone ist das so, wie ein Gastronom in der Innenstadt berichtet.
Die Stadt Meßkirch bestätigt: Das hohe Verkehrsaufkommen sei spürbar. Mittlerweile habe es sich aber relativiert. Das Verteilzentrum liege in der Nähe zweier Bundesstraßen, das sei von Vorteil. Dass die Transporter Straßen oder Parkplätze in der Stadt blockieren, versuche man zu vermeiden. "Es gibt eine gute Zusammenarbeit und einen regelmäßigen Austausch mit dem Standortleiter, sodass Probleme schnell gelöst werden können", sagt eine Sprecherin der Stadt.