Viele Händlerinnen und Händler haben aktuell zu kämpfen, heißt es vom Handelsverband BW. Das zeigen die zahlreichen Schließungen und Insolvenzen - darunter selbst große Handelsunternehmen. Auch in der Stuttgarter Innenstadt gibt es diejenigen, die weiterhin versuchen, kreativ zu sein und zu kämpfen. Dazu gehören Winni Klenk und andere, die bald schließen müssen, wie ein Traditionsmöbelgeschäft in der Innenstadt.
Traditionsgeschäft schließt wegen Baustellen, Personal und Miete
Das Möbelgeschäft E + H Meyer wird Ende Juli nach 96 Jahren Firmengeschichte schließen. Geschäftsführer Lars Schmidt fehlt die Zukunftsperspektive. Dabei sei der 49-Jährige quasi in dem Geschäft aufgewachsen, erzählte er dem SWR. Sein Laufstall habe da schon drin gestanden, doch jetzt ist Schluss. Die ganzen Baustellen in der Innenstadt, das fehlende Personal und fehlende Parkflächen: All das sei mühsam.
Schmidt weiß außerdem: Wenn sein Mietvertrag in vier Jahren ausläuft, steigt die Miete so sehr, dass es nicht mehr lohnt. Schmidts Prognose für Stuttgart: "Die Innenstadt wird verwaisen. Dann gibt's nur noch mehr Imbissbuden, Nagelstudios und Barbershops. Aber die normalen Einzelhändler, die nicht Filialbetriebe sind, werden verschwinden."
Wegen Corona: Kein Eigenkapital mehr für Zukunftsumbau
Die letzten Jahre haben die Situation der Händlerinnen und Händler laut Michael Heinle vom Handelsverband Baden-Württemberg massiv verschärft. Erst die Coronajahre, in denen der Umsatz ausgeblieben ist. "Damals waren viele dazu gezwungen, Eigenkapital zur Sicherung des Geschäfts zu verwenden. Vielerorts ist das Eigenkapital vollständig oder nahezu vollständig aufgebraucht", erklärt Heinle. Das fehle natürlich, wenn man sich nun zukunftsfähig verändern und investieren wolle.
Und das Geld sei nach den Corona-Lockdowns auch durch die Kunden nicht wieder so stark hereingekommen, wie erhofft. "Viele Kundinnen und Kunden haben in dieser Zeit dem stationären Einzelhandel den Rücken gekehrt und sind bis heute nicht wieder zurückgekehrt", so Heinle. An einigen Standorten sei bis heute noch nicht wieder so viel los, wie zu Vor-Pandemie-Zeiten. Denn nun seien die Käufer durch die Inflation auch noch zusätzlich zurückhaltender.
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Mieten für Läden in Stuttgart besonders hoch
Fehlt das Geld, dann wird es auch mit den Mieten schwierig - vor allem in der Stuttgarter Innenstadt. Nach der Corona-Pandemie seien die Mieten für Einzelhandels-Immobilien in Baden-Württemberg eigentlich überall deutlich zurückgegangen, hieß es vom Immobilienverband Süd im Februar. In Stuttgart sind sie allerdings nach wie vor hoch geblieben. So zahlen Ladenmieter laut der Statistik in Stuttgart beispielsweise rund drei Mal so viel wie in Pforzheim oder in Karlsruhe. Die Mieten liegen zwischen 47 und 160 Euro pro Quadratmeter für kleinere Geschäfte. Für größere Läden mit 150 Quadratmetern Fläche ist der Quadratmeter-Preis etwas niedriger - er bewege sich zwischen 35 und 120 Euro.
Baustellen und weniger Parkplätze: Erreichbarkeit wird schwierig
Für eine erfolgreiche Innenstadt gilt außerdem laut Handelsverband BW der Dreiklang: Erreichbarkeit, Sauberkeit und Sicherheit. "Deshalb muss alles dafür getan werden, dass unsere Innenstädte weiterhin gut mit allen Verkehrsträgern erreichbar sind und sich Menschen in den Innenstädten wohlfühlen und dort gerne Zeit verbringen", sagt Heinle.
Gerade die Erreichbarkeit ist in Stuttgart aber aktuell schwierig. Die S-Bahn ist für viele derzeit unattraktiver, da sich Baustellen, Ausfälle und Verspätungen häufen. Wenn die Menschen dann aufs Auto umsteigen wollen - sowieso laut Handelsverband BW das bevorzugte Verkehrsmittel, um im Einzelhandel einkaufen zu gehen - dann winken teure Parktickets in Stuttgart oder die Parkhäuser schließen. Aktuell ist in der Stuttgarter Innenstadt zum Beispiel das Parkhaus des ehemaligen Kaufhofs geschlossen. Das Parkhaus von Breuninger ebenfalls, weil es abgerissen wird. Dadurch fehlen knapp 1.000 Parkplätze - das sind fast zehn Prozent der Parkmöglichkeiten in der Innenstadt.
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Weniger Umsatz durch Streiks und Demos
Außerdem gibt es in Stuttgart als Landeshauptstadt auch öfter Streik- und Demonstrationsaktionen. Dadurch kommt es zu Absperrungen, Besucher und potentielle Kunden würden die Innenstadt und das Gebiet ums Stuttgart Rathaus meiden, sagten anliegende Einzelhändler Anfang März dem SWR, als ein Streiktag dem nächsten folgte.
Händler müssen kreativ werden und Politik muss helfen
Der Handel braucht Unterstützung von der Politik, heißt es klar von Michael Heinle vom Handelsverband BW: "Hier muss das Land einen Investitionsfonds für den Einzelhandel aufsetzen, damit die einzigartige Einzelhandelsstruktur in Baden-Württemberg, mit vielen kleinen, inhabergeführten Geschäften nicht verloren geht." Mit einem Ideenwettbewerb habe das Land außerdem schon versucht, kreative Lösungen zu finden, wie die Kundinnen und Kunden wieder in die Innenstädte gelockt werden könnten und Spaß am Einkaufserlebnis hätten.
Mit Megaphon die Kunden wieder locken
Mit Kreativität dagegen halten, so will es auch Winni Klenk aus Stuttgart machen. Ein Mode-Urgestein: Vor 40 Jahren hat er seinen Laden "abseits" auf dem kleinen Schlossplatz gegründet und verkauft bunte, internationale Mode. Sein Laden habe überlebt trotz der großen Ketten, sagt er. "Man muss sich als Unternehmer jeden Tag was Neues überlegen." Er veranstaltet deshalb Special Events und präsentiert seine Mode jeden Tag mit dem Megaphon vor seinem Laden und live auf Instagram. Vor dem Geschäft sind außerdem zwei große goldene Pferde ein Blickfang. Winni Klenk kämpft. "Ich hab 40 Jahre hier gearbeitet, ich lass mir das jetzt auch nicht nehmen," sagt Klenk. Doch auch seine Miete soll nun stark ansteigen.
Der Nachwuchs im Einzelhandel fehlt
Es sei wenig verwunderlich, dass bei so vielen Widrigkeiten im Einzelhandel gerade sehr der Nachwuchs fehle. "Immer weniger junge Menschen sind bereit, aufgrund der zusehends schlechten Rahmenbedingungen, einen Betrieb fortzuführen oder von der Vorgängergeneration zu übernehmen", sagt Michael Heinle vom Handelsverband BW. Und vor allem das Mietniveau spiele dabei eine gewichtige Rolle - insbesondere in den Citylagen - sei das ein wesentlicher Kostenfaktor, der von vielen Händlern und Nachfolgern nicht mehr getragen werden könne.