Boris Palmer beklagt sich in dem Schreiben an Robert Habeck über das Landesverkehrsministerium. In einem Rundschreiben sei auf die Verpflichtung der Kommunen hingewiesen worden, Zebrastreifen bei Dunkelheit aus Sicherheitsgründen immer zu beleuchten. Wörtlich habe es darin geheißen: "Ausnahmen von der Beleuchtungsverpflichtung sind nicht vorgesehen. Der Straßenbaulastträger kann weder auf technische Hinderungsgründe noch Energiesparabsichten verweisen."
Das hält Tübingens Oberbürgermeister, dessen Parteimitgliedschaft bei den Grünen momentan ruht, für "Bürokratie in Reinform". Dem SWR sagte Palmer, er habe die vielen Vorschriften in Deutschland satt. Angesichts der aktuellen Energiekrise sei jetzt Energie-Sparen angesagt, darum habe auch der Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister gebeten.
Straßenlaternen sollen nachts aus bleiben
Boris Palmer argumentiert in dem Brandbrief an Habeck für die Abschaltung der Straßenbeleuchtung. Nachts sei kaum jemand unterwegs, schon gar keine Kinder. Er glaube, dass die Menschen die nächtliche Situation am Zebrastreifen überblicken könnten. Wie der Zebrastreifen nachts ohne Beleuchtung allerdings erkannt werden soll, bleibt in Palmers Schreiben offen.
Wie ist die Rechtslage in Baden-Württemberg?
Im baden-württembergischen Straßengesetz findet sich in Paragraph 41 folgende Formulierung: "Den Gemeinden obliegt es im Rahmen des Zumutbaren als öffentlich-rechtliche Pflicht, Straßen einschließlich Radwege innerhalb der geschlossenen Ortslage einschließlich der Ortsdurchfahrten zu beleuchten (...) soweit dies aus polizeilichen Gründen geboten ist; dies gilt auch für Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundesstraßen." Laut einem Fachanwalt für Verwaltungsrecht ist Baden-Württemberg eines von insgesamt vier Bundesländern, das eine Beleuchtungsregelung hat. Das heißt, es gibt auch Gemeinden in Deutschland ohne eine solche landesweite Regelung. Da es in Baden-Württemberg allerdings eine Beleuchtungsvorschrift gibt, muss diese von der Gemeinde, also auch von Tübingen, beachtet werden. Demnach ist zu überprüfen, ob die Zebrastreifen "aus polizeilichen Gründen" beleuchtet werden müssen.
Palmer: Einsparung von 3.000 Kilowattstunden Strom
Wenn dem so sei, dass Energie dringend eingespart werden müsse in Deutschland, wie es unter anderem von der Bundesregierung gefordert wurde, dann wolle Tübingen auch weiterhin den Energieverbrauch über die Straßenbeleuchtung reduzieren, schreibt Palmer. Es sei technisch nicht möglich, einzelne Straßenlaternen an den Zebrastreifen zu beleuchten. Sie würden in Gruppen geschaltet und nicht einzeln angesteuert werden. Mit dem Abschalten würden pro Nacht 3.000 Kilowattstunden Strom eingespart. Damit könne die Stadt ihren Stromverbrauch um etwa zehn Prozent senken.
Palmer will Verantwortung für Unfälle übernehmen
Er sei bereit, die Verantwortung für die unbeleuchteten Zebrastreifen zu übernehmen, wolle aber eine klare Antwort auf die Frage, ob die nächtliche Abschaltung der Straßenbeleuchtung in der aktuellen Situation vernünftig sei. Hierbei müsse zwischen den "Risiken des Straßenverkehrs" und der "akuten Bedrohung unserer Energieversorgung" abgewogen werden. Komme Bundesminister Habeck zu dem Ergebnis, das Energiesparziel könne auch ohne Abschaltung der Laternen in der Stadt erreicht werden, lasse er als Oberbürgermeister die Laternen gerne wieder einschalten. Mit dieser Botschaft endet der Brief.