Seit dem 1. Januar 2022 wird für alle in Tübingen, die Essen in Einwegverpackungen verkaufen, eine Steuer erhoben. Für Oberbürgermeister Boris Palmer ist es weiterhin der richtige Weg. Die Verpackungssteuer bevorzuge Mehrweg. Das müsse so sein, weil To-Go-Angebote bequem seien. Man könne nicht erwarten, dass Menschen darauf verzichten. Da brauche es finanzielle Anreize, um dies zu ändern.
Gastronomie hat sich darauf eingestellt
Die Gastronomiebetriebe scheinen mit der Regelung zurecht zu kommen und haben eigene Lösungen gefunden. Das Cafe´ Willi etwa bietet nur noch Pfandbecher an.
Es gibt dort kein Einweggeschirr mehr. Es werde von den Kundinnen und Kunden sehr gut angenommen, hieß es auf Nachfrage des SWR. Becher würden zwar öfter nicht abgegeben oder lange gesammelt, so dass nachbestellt werden müsse. Das sei aber nicht problematisch.
Gastronomen begrüßen bundesweite Mehrwegpflicht
Auch der Imbiss "Salam" ist zufrieden mit seinem Pfandsystem. Der Betreiber nutzt für das Pfand eine App. Die Gaststätte X dagegen klagt über Probleme. Die Wirte haben eine Zeit lang eigene Teller herausgegeben. Die wurden aber oft nicht zurückgegeben: "Da müssen 80 Prozent der Leute mitmachen, sonst funktioniert das nicht“. Die Gastronomen des "X" begrüßen die Einführung der bundesweiten Mehrwegpflicht ab Januar. Das sei eine gute Sache, weil die Beschränkung dann für alle gelte, nicht nur für die Tübinger Gastronomie.
Kundschaft nutzt Pfandsystem
Kunden und Kundinnen haben sich offensichtlich mit dem Tübinger Sonderweg arrangiert. Manche sammeln die Pfandbecher und bringen sie dann auf einmal zurück. Ein Gast in einem Cafe´ meint, die Steuer sollte bundesweit eingeführt werden, um die Vermüllung und Umweltverschmutzung zu begrenzen. Eine Frau stimmt dem zu: "Warum immer etwas Neues nehmen und Abfall produzieren".
Verwaltungsgerichtshof kassiert Verpackungssteuer
Allerdings ist die Tübinger Verpackungssteuer nicht rechtens. Das hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im vergangenen März entschieden. Die Mannheimer Richter gaben damit der Klage einer Tübinger Pächterin der Fast-Food-Kette McDonald's recht.
Sie war der Auffassung, die Verbrauchssteuer auf Einwegverpackungen in Tübingen verstoße gegen das Abfallrecht des Bundes. Dagegen hat die Stadt Revision eingelegt.
Verpackungssteuer in Tübingen gilt weiter
Dennoch gilt die Verpackungssteuer weiter. Der Tübinger Gemeinderat hatte im Sommer beschlossen, die Steuer weiter zu erheben, bis eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt. Sie wird bei den Betrieben aber nicht eingezogen. "Nachteile für die Betriebe kann ich in der Entscheidung nicht sehen", sagte Oberbürgermeister Boris Palmer damals. Auch Kunden seien nicht benachteiligt, da sie sich auch für kostenlose Mehrwegverpackungen entscheiden könnten.
Stadtverwaltung sagt Müll den Kampf an
Schon vor Jahren kam Palmer die Idee, Einwegverpackungen für Essen in der Stadt zu besteuern. Der Tübinger Stadtverwaltung ist nämlich der viele Abfall schon lange ein Dorn im Auge. Nicht selten liegen Pappbecher, Pizzaschachteln und Plastikgabeln in Büschen, Parkanlagen und Straßenrinnen. 2020 stimmte der Gemeinderat zu, dann kam Corona dazwischen. Die Stadt verschob den Start der Verpackungssteuer. Man wollte die vom Lockdown gebeutelten Gastronomen nicht zusätzlich belasten.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte die Tübinger Initiative als Vorreiter für Umwelt und Klima in der Vergangenheit gelobt. Auch in der Diskussion um die neue Mehrwegangebotspflicht in der Gastronomie wird Tübingen als positives Beispiel genannt.
Mehrweg-Gesetz der Bundesregierung kritisiert
Nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wird die neue Regelung ins Leere laufen. Zwar sei es der richtige Ansatz, dass Gastronomiebetriebe verzehrfertige Speisen und Getränke auch in Mehrweg anbieten müssen. Die Regelung enthält jedoch weder Vorgaben, wie viel Mehrweg genutzt werden soll, noch eine finanzielle Schlechterstellung von umwelt- und klimaschädlichem Einweg.
Damit möglichst viele Menschen auf Mehrweg umsteigen, fordert die DUH eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einweg-Geschirr. Nur so erhalten Kundinnen und Kunden einen echten Impuls, Mehrweg gegenüber Einweg vorzuziehen.