Medikament soll Menschen mit Übergewicht helfen

Arzt aus Tübingen informiert über Spritze zum Abnehmen

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Nikolaus Rhein

Seit einigen Wochen macht ein neues Medikament, die Abnehmspritze, Schlagzeilen. Der Tübinger Arzt Andreas Birkenfeld klärt über Thesen zu Adipositas und über die Spritze auf.

Seit einigen Wochen macht "Wegovy", ein neues Medikament zum Abnehmen, Schlagzeilen. Das Präparat wird gespritzt. Wie es wirkt und welche Bedeutung es im Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas hat - darüber informiert der Tübinger Arzt Andreas Birkenfeld.

"Wer zu dick ist, soll einfach weniger essen." Dieser Satz ist eine verbreitete Aussage über Menschen, die an Übergewicht oder Adipositas - auch bekannt als Fettleibigkeit - leiden. Der Mediziner Andreas Birkenfeld vom Tübinger Universitätsklinikum räumt nun mit Behauptungen wie diesen auf. Der Diabetologe und Endokrinologe forscht an Therapien zu Adipositas und Typ-2-Diabetes - zwei Krankheiten, die seiner Ansicht nach eng miteinander verknüpft sind.

Eine übergewichtige Frau
Ein neues Medikament soll bei Übergweicht helfen

Einige Thesen über adipöse Menschen seien "Unsinn" und "viel zu pauschal", sagt Birkenfeld. Betroffene würden durch falsche Behauptungen stigmatisiert. So nehme etwa die Aussage, dass wer zu dick sei, einfach weniger essen solle, ausschließlich die Kalorienzufuhr in den Blick. Ob man zunehme, hänge jedoch auch von den Genen und nicht zuletzt vom Bildungsgrad und den finanziellen Mitteln ab. "Umwelteinflüsse wie Stress wirken sich ebenfalls auf unser Hungergefühl aus", so der Diabetologe.

Evolution erschwert Prozess des Abnehmens

Dass übergewichtige Menschen abnehmen, kommt laut Birkenfeld häufig vor. "Allerdings hat der menschliche Körper im Laufe der Evolution Mechanismen entwickelt, um zu seinem eigentlichen Gewicht zurückzukehren", so der Experte. "Als Jäger und Sammler waren wir immer dann erfolgreicher, wenn wir mehr Gewicht, also mehr Energie, speichern konnten." Heutzutage seien wir aber gar nicht mehr darauf angewiesen, weil wir uns viel weniger bewegen und viel weniger Kalorien verbrauchen als unsere Vorfahren. Gleichzeitig sei aber ständig und überall Essen verfügbar. Das führe bei vielen Menschen zu Übergewicht oder Adipositas.

Wirkungsweise der Abnehmspritze "Wegovy"

"Eine Magenverkleinerung ist die beste Therapie gegen Adipositas" ist eine weitere These, der Birkenfeld entgegentritt. Zwar lasse sich, so der Endokrinologe, auf diese Weise das Gewicht um bis zu 30 Prozent reduzieren. Doch der chirurgische Eingriff berge Risiken: Beispielsweise müssten Betroffene nach der Operation einige Vitamine ersetzen oder könnten bestimmte Nährstoffe nicht mehr zu sich nehmen.

Beim Abnehmen können auch Medikamente helfen - so wie die Abnehmspritze "Wegovy", die teilweise als neues Wundermittel gegen überflüssige Pfunde angepriesen wird. Der Wirkstoff Semaglutid unterdrückt das Hungergefühl und reduziert das Körpergewicht auf diese Weise um 15 bis 20 Prozent - allerdings nur, solange das Medikament eingenommen wird. Setzt man die Spritze ab, kehrt das Hungergefühl laut Birkenfeld zurück. "Adipositas ist eine chronische Erkrankung und braucht deshalb auch eine chronische Behandlung, sprich: Medikamente, die man sein Leben lang einnimmt." Viele, die "Wegovy" nutzen, würden trotzdem adipös bleiben.

Krankenkasse übernimmt Kosten bislang nicht

Die Abnehmspritze ist rezeptpflichtig. Ärzte können sie Menschen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 verschreiben. Ab dieser Grenze gelten Menschen als adipös. "Wegovy" muss einmal wöchentlich unter die Haust gespritzt werden und kostet etwa 300 Euro im Monat. Allerdings werden die Kosten von Medikamenten zur Gewichtsreduktion nicht von den Krankenkassen erstattet, die Patientinnen und Patienten müssen die Abnehmspritze also selbst bezahlen. Weil Adipositas seit 2020 offiziell als Krankheit gilt, könnte sich das künftig ändern.

Andreas Birkenfeld würde das begrüßen. "Eine Therapie muss für alle Menschen möglich sein, unabhängig vom Einkommen." Klar sei aber auch: Eine Kostenerstattung für alle Menschen mit einem BMI größer als 30 wäre eine enorme Belastung für die Gesundheitssysteme, da zu dieser Gruppe 30 Prozent der deutschen Bevölkerung gehören würden. Birkenfeld plädiert deshalb für eine abgestufte Regelung, bei der zunächst Menschen mit Adipositas und weiteren Risikofaktoren priorisiert werden.

Mehr als die Hälfte der Bevökerung übergewichtig

Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts aus dem vergangenen Jahr sind in Deutschland 53,5 Prozent der Menschen von Übergewicht betroffen (46,6 Prozent der Frauen und 60,5 Prozent der Männer). Fast jeder fünfte Erwachsene (19 Prozent) ist adipös. Stand Herbst 2022 leiden hierzulande knapp 13 Millionen Erwachsene an Adipositas.

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