Dauerschichten und Niedriglöhne

"24-Stunden-Pflegekräfte": Wie Betreuer aus Osteuropa ausgebeutet werden

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Autor/in
Ulrike Mix

Im Internet findet man viele solcher Angebote: sogenannte 24-Stunden-Pflegekräfte, die alte Menschen zu Hause betreuen. Doch die Arbeitsbedingungen sind oft illegal.

Schon die landläufig gebrauchte Bezeichnung "24-Stunden-Pflegekraft" bringt den katholischen Diakon Bernward Hecke aus Tübingen in Wallung. Zum einen, weil die meist osteuropäischen Betreuungskräfte, die hier arbeiten, eben in der Regel keine ausgebildeten Pflegekräfte sind. Sie sind Betreuungskräfte - und nicht mehr. Außerdem sei doch klar: Immer und rund um die Uhr arbeiten darf niemand. Dass trotzdem bei Vermittlungsagenturen mit dem Begriff geworben wird, empört Hecke.

Ich hätte mir früher nie vorstellen können, dass wir hier in Privathaushalten solche Arbeitsverhältnisse, die es zum Teil so gibt, so zulassen.

Eine Informationsveranstaltung von FairCare in Tübingen.
Um das Problem der illegalen Betreuung ging es bei einer Informationsveranstaltung von FairCare in Tübingen.

Rumäne hat Ausbeutung durch Vermittlungsagentur erlebt

Dan Nicolae Boicescu din Buicesti betreut gerade zwei alte Menschen in Rottenburg-Wurmlingen (Kreis Tübingen). Er ist mit seiner Arbeit zufrieden und will dauerhaft in Deutschland bleiben. Doch er hat auch anderes erlebt:

Der heute 64-jährige Rumäne kam 2016 über eine Vermittlungsagentur nach Deutschland. Damals pflegte er in Bayern einen alten Menschen - unter Verhältnissen, die man wohl schlicht als Ausbeutung bezeichnen muss: Er habe 24 Stunden am Tag mit im Haus verbracht und hatte keinen freien Tag. So sah es nach seinen Angaben der Vertrag der Vermittlungsagentur vor, die ihn nach Deutschland geschickt hatte.

900 Euro im Monat netto bekam er damals für die Betreuung. Allerdings nur, wenn er im Monat auch 31 Tage gearbeitet hat. In Monaten mit weniger als 31 Tagen habe er auch weniger Geld bekommen, so Dan Boicescu. Sprechen durfte er über diesen Arbeitsvertrag nicht, sagt er. Das habe die Vermittlungsagentur nicht gewollt. Irgendwann tat er es doch - und alles wurde anders und besser.

Dan Nicolae Boicescu din Buicesti - der Rumäne betreut zwei ältere Menschen in Rottenburg-Wurmlingen (Kreis Tübingen).
Dan Nicolae Boicescu din Buicesti - der Rumäne betreut zwei ältere Menschen in Rottenburg-Wurmlingen (Kreis Tübingen).

FairCare vermittelt Betreuungskräfte an Familien

Als Dan Boicescu in eine neue Familie wechselte, ging die mit ihm zum Stuttgarter Betreuungsvermittler FairCare. Die kirchliche non-profit-Organisation macht mit der Vermittlung von Betreuungskräften keinen Gewinn, sondern arbeitet nur kostendeckend. Deshalb kommt mehr Geld bei den Betreuungskräften an, sagt Tetiana Darchiashvili von FairCare: nämlich rund 1.500 Euro netto.

Weitere Besonderheit: Die Arbeitskräfte werden mit Hilfe von FairCare direkt von den deutschen Familien angestellt, die die Betreuung brauchen. Sie haben also einen Vertrag, der deutschen Standards entspricht. Das hat laut Darchiashvili auch für diejenigen Vorteile, die die Betreuungskräfte engagieren.

Faire Arbeitszeiten, Urlaub und eine deutsche Rentenversicherung

Weil die Betreuungskräfte in Deutschland angestellt sind, sind sie hier krankenversichert. Außerdem können sie eventuell nach mehrjähriger Tätigkeit sogar eine deutsche Basisrente erhalten, erklärt Tetiana Darchiashvili. Wenn Vermittlungsagenturen im Spiel seien, sei das nicht immer so. Oft könne kaum nachvollzogen werden, wie die Arbeitskräfte zuhause eigentlich abgesichert sind. Wichtig auch: Im Vertrag von FairCare gebe es auch eine Unfallversicherung. Das sei für beide Seiten wichtig: Betreuungskraft und Arbeitgeber.

Der katholische Diakon Bernward Hecke aus Tübingen ist von FairCare überzeugt. In Freiburg biete die ebenfalls kirchliche Carifair ein ähnliches Modell, sagt er.

Tübinger Diakon kennt illegale Arbeitsverhältnisse

Ob die Arbeitszeiten in den Familien letztlich eingehalten werden, kann auch FairCare nicht immer garantieren. Aber immerhin: Die Betreuenden haben bei der Organisation Ansprechpartner, falls Probleme auftauchen, bekräftigt Tetiana Darchiashvili. In vielen Orten bieten auch Sozialstationen Angehörigen eine erste Hilfestellung, wenn es darum geht, Betreuungskräfte zu finden und angemessen zu beschäftigen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg empfiehlt keine konkreten Pflegeanbieter. Dafür habe man nicht genügend Erfahrungsberichte oder andere belastbare Daten vorliegen, heißt es.

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