Autos und Häuser beschädigt, Ernten zerstört

Vor zehn Jahren: Hagelsturm verursacht Milliardenschaden in Reutlingen und Tübingen

Stand
Autor/in
Christoph Necker
Christoph Necker ist Reporter für Hörfunk und Online beim SWR im Studio Tübingen.

Er hinterließ eine Schneise der Verwüstung: Am 28. Juli 2013 zog ein gewaltiger Hagelsturm über die Region Neckar-Alb hinweg. Unzählige Häuser und Autos wurden schwer beschädigt.

Vor genau zehn Jahren, am Nachmittag des 28. Juli 2013, hat ein Hagelunwetter in der Region Neckar-Alb innerhalb weniger Minuten riesigen Schaden angerichtet. An tausenden Häusern wurden die Dächer beschädigt, Hagelkörner in Tennisball-Größe durchschlugen Fensterscheiben und Dachziegel.

In manchen Straßen Reutlingens lagen Blätter, Äste, Scherben und Hagelkörner so hoch, dass nur ein Schneepflug die Straßen räumen konnte. An Autos durchschlugen die Hagelkörner die Scheiben und demolierten die Karosserien.

Wie Geschosse kamen damals die Hagelkörner vom Himmel, durchschlugen Dächer und Fenster, beschädigten die Fassaden. Danach fiel Regen. Die Folge waren dann auch noch Wasserschäden in den Gebäuden. Der Hagel zerstörte innerhalb weniger Minuten auch ganze Felder, entlaubte Bäume. Laub und Hagelkörner verstopften die Kanalisation, Keller liefen voll. Bei vielen Landwirten war die komplette Ernte vernichtet. In Gärtnereien durchschlugen die Hagelkörner die Gewächshäuser und richteten enormen Schaden an.

Feuerwehr im Dauereinsatz - Unterstützung aus benachbarten Kreisen

Bei Polizei und Feuerwehr in Reutlingen gingen innerhalb kürzester Zeit rund 1.500 Notrufe ein. 800 mal rücken die Feuerwehrleute in Reutlingen zu Einsätzen aus. In Tübingen, wo nur der südliche Teil des Stadtgebiets betroffen war, verzeichnete die Feuerwehr 400 Einsätze.

Auch das Technische Hilfswerk war im Dauereinsatz. Es galt, voll gelaufene Keller leer zu pumpen und beschädigte Dächer provisorisch abzudecken. Unterstützung bekamen die Feuerwehren in der Region Neckar-Alb aus Karlsruhe, Pforzheim und Stuttgart.

Hagel und starker Regen verursachten am 28.07.2013 im Landkreis Reutlingen große Schäden.
So sah es nach dem Hagelunwetter in der Gärtnerei Hespeler in Wannweil bei Reutlingen aus.

Hagel tötet und verletzt viele Vögel

In der Notaufnahme des Reutlinger Krankenhauses wurden 70 Menschen behandelt, die beim Hagelsturm verletzt wurden. Meist hatten sie Schnittwunden von den Hagelkörnern und umherfliegenden Glasscherben. Auch viele Tiere, vor allem Vögel, wurden verletzt oder getötet.

So wurden am Tag nach dem Unwetter im NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen 50 Vögel mit Prellungen und Frakturen eingeliefert, von denen die meisten eingeschläfert werden mussten. Die Mitarbeitenden vermuteten, dass viele Tausend dem Hagel zum Opfer fielen.

Schäden in einem Garten nach Hagel am 28.07.2013
Schäden in einem Garten in Gomaringen (Kreis Tübingen) nach dem Hagel im Juli 2013.

Milliardenschwerer Hagelschaden von historischem Ausmaß

Die Versicherer schätzten den Schaden zunächst auf 400 bis 600 Millionen Euro. Die Württembergische Gemeinde-Versicherung bezifferte ihn später auf fast 2 Milliarden Euro. Andere Schätzungen gingen sogar von 4 Milliarden aus. Damit war bei dem Unwetter der höchste Hagelschaden in der Geschichte Deutschlands entstanden.

In den Wochen und Monaten nach dem Hagelsturm warteten viele der Betroffenen lange auf Hilfe. Handwerker wie Dachdecker, Rolladenbauer, Glaser und Stuckateure waren hoffnungslos überlastet. Viele Dächer konnten oft nur notdürftig mit Planen abgedeckt werden, bis ein Handwerker Zeit für die Reparatur hatte. Die Kreishandwerkerschaft Reutlingen empfahl, in anderen Bundesländern nach Handwerkern zu suchen.

Hier können Sie den Archivbeitrag von vor 10 Jahren noch einmal sehen:

Hagel, Regen, Schimmel - viele Häuser lange unbewohnbar

Auch Monate nach dem verheerenden Unwetter litten viele Menschen noch unter den Folgen. Jutta und Hermann Thüringer aus Grafenberg (Kreis Reutlingen) etwa wohnten auch im März 2014 noch im Wohnwagen. Die Hagelkörner hatten in kürzester Zeit das Eternit-Dach ihres Hauses und ihrer Schreinerei durchlöchert. Danach kam der Regen und setzte alles unter Wasser. Weil es anschließend heiß wurde, fing es an zu schimmeln. Alle Böden mussten herausgerissen werden.

"Mir hen müssa s´ Haus rückbaua auf´n Rohbau, mir hen praktisch an Rohbau ghet.

Ihr Mann musste seine Schreinerei komplett ausräumen. Boden, Decke, Dach und Elektrik mussten neu gemacht werden. Monatelang war an Arbeiten nicht zu denken. Immerhin hatten die Thüringers Glück mit ihrer Versicherung. Bei ihnen lief die Regulierung der Schäden problemlos - anders als bei vielen anderen Hagelopfern.

Um die vielen Hagelschäden an Autos zu beseitigen, reisten aus ganz Europa Spezialisten an. Auch sie hatten monatelang alle Hände voll zu tun. Und auch zehn Jahre nach dem Hagelsturm sieht man in Reutlingen und Tübingen an manchen Häusern und Autos noch die Folgen.

Mehr zu Hagelunwettern

Schäden nach Unwettern Überschwemmung: Versicherung zahlt nicht oder mauert

Immer wieder kommt es vor, dass Versicherer die Schadenssumme mindern oder die Regulierung verzögern. Wie kann man sich wehren?

Marktcheck SWR

Baden-Württemberg

Versicherer sparen 2022 viel Geld Mehr als eine Milliarde Euro weniger Unwetterschäden in BW

Baden-Württemberg ist 2022 vor größeren Schäden durch Sturm, Flut und Hagel verschont geblieben. Die Versicherungen sparen dadurch viel Geld.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.