Die Justiz in Baden-Württemberg macht nach Einschätzung von Experten zu selten Gebrauch von der Möglichkeit des sogenannten Täter-Opfer-Ausgleichs. Mit diesem Verfahren, das in der Regel auf Anregung von Staatsanwaltschaften oder Gerichten in Gang kommt, können Geschädigte und Täter zusammen mit geschulten Mediatoren einen Konflikt außergerichtlich klären.
Nur wenige Täter-Opfer-Ausgleiche in Baden-Württemberg
Zwar wurden im Jahr 2023 für Erwachsene rund 1.600 solcher Verfahren angestoßen, für Jugendliche und Heranwachsende waren es rund 970. Das Potenzial sei aber wesentlich größer, heißt es seitens der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW). Auch im internationalen Vergleich würden sich die Zahlen auf relativ niedrigem Niveau bewegen.
Laut Justizministerium ist Gerichten und Staatsanwaltschaften der Täter-Opfer-Ausgleich nicht immer als geläufiges Mittel bekannt. Es sei wichtig, Richterinnen und Staatsanwälte entsprechend zu schulen und fortzubilden, sagte ein Ministeriumssprecher. "Für uns ist es von großer Bedeutung, dieses Verfahren weiter auszubauen, da es nicht nur die Opfer stärkt, sondern auch dazu beitragen kann, umfangreiche Hauptverhandlungen in Straf- und Zivilverfahren zu vermeiden", sagte dazu Ministerin Marion Gentges (CDU).
Experten sehen Vorteile für Täter und Opfer
Ein Täter-Opfer-Ausgleich gibt Tätern die Chance, ihre Tat zumindest teilweise wiedergutzumachen. Auch können sie dadurch eine mildere Strafe oder die Einstellung des Verfahrens erreichen. Letzteres entlastet die Justiz. Opfer haben die Chance, ohne Zivilprozess an Schmerzensgeld oder Schadenersatz zu kommen, und vor allem in ihrem Leid gesehen und gewürdigt zu werden.
Viel wichtiger aber sei, die Tat nicht kleinzureden und das Opfer in seinem Leid zu würdigen, so Jasmina Wiehe, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Täter-Opfer-Ausgleich. Bei Straftaten werde nicht einfach nur das Gesetz gebrochen, sondern Menschen verletzt, sagte sie. "Es entsteht nicht nur Schuld, sondern auch die Pflicht zur Wiedergutmachung." Opfer bekämen - bestenfalls durch eine Begegnung mit dem Täter - die Kontrolle zurück, sie bekämen ein Gespür dafür, wer der Täter ist und warum sie ausgesucht wurden, erläuterte Wiehe.
Beim Gros der verhandelten Delikte gehe es um Beleidigungen, Nötigung oder Körperverletzung, so Wiehe. Aber auch deutlich schwerere Delikte sind theoretisch für einen Täter-Opfer-Ausgleich geeignet. Bei solchen Fällen dauert das Verfahren deutlich länger - und sie werden seitens der Justiz eher selten angestoßen.