Für Haus- und Grundstücksbesitzer ist die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung in Baden-Württemberg abgelaufen. Mittlerweile trudeln die ersten Bescheide vom Finanzamt in den Briefkästen ein. Mancher Hausbesitzer stellt auf den ersten Blick erfreut fest: "Das ist ja weniger, als ich bisher zahlen musste." Doch Vorsicht! Was jetzt in den Briefkästen landet, ist nur der sogenannte Grundsteuerwertbescheid. Der teilt nur den Wert des Grundstücks mit. Die Berechnung der eigentlichen Grundsteuer folgt später. Doch die könnte dann für manchen Hausbesitzer unliebsame Überraschungen mit sich bringen - besonders für Besitzerinnen und Besitzer von Einfamilienhäusern mit einem großen Garten. Handlungsbedarf besteht deshalb möglicherweise jetzt schon, denn: Nur jetzt kann man Einspruch einlegen!
Die Problematik der neuen Grundsteuer zeigt ein Beispiel aus Freiburg
Norbert Stalter und seine Frau sind Besitzer eines Einfamilienhauses in Freiburg. Das Haus hat einen Garten und liegt in gehobener Wohngegend im Freiburger Süden, direkt am Waldrand. Knapp 2.500 Quadratmeter Fläche hat das Grundstück. Das Haus, Baujahr 1956, ist eher einfach und bescheiden. 1986 haben sie es gekauft und lange haben sie abgezahlt. Jetzt ist Norbert Stalter schockiert. Wenn sich nichts ändert, müsste er ab 2025 über 14.000 Euro Grundsteuer im Jahr bezahlen. Bisher sind es 433 Euro.
Steuerberater: Enorme Steigerungen sind durchaus möglich
Ein Nachbar und Steuerberater hat Stalter auf die möglicherweise enorme Steigerung aufmerksam gemacht. Sein Grundstück ist 1.050 Euro je Quadratmeter wert, ermittelt nach dem sogenannten Bodenrichtwert. Gutachterausschüsse haben diese neuen Bodenrichtwerte in den Kommunen ermittelt und festgelegt. Die Gemeinderäte haben sie dann beschlossen. Aktuell haben die Finanzämter begonnen, die Bescheide über diese neuen Bodenrichtwerte zu verschicken. Doch auch wer noch keinen Bescheid erhalten hat, kann diesen Bodenrichtwert für sein Grundstück nachsehen.
Mögliche Grundsteuer kann man selbst berechnen
Alle Grundstücke in Baden-Württemberg sind nämlich im "Bodenrichtswertsystem Boris-BW" verzeichnet. Der Bodenrichtwert gibt den Preis des Grundstücks in Euro pro Quadratmeter an. Den muss man dann mit der Grundstücksfläche multiplizieren (auch die steht in Boris). Das ergibt den Wert des Grundstücks. Wenn das Grundstück bebaut ist, bekommt man 30 Prozent Rabatt. Dann multipliziert man das Ergebnis mit der sogenannten Steuermesszahl - die ist überall in Baden-Württemberg identisch. Und anschließend noch mit dem Hebesatz, den jede Kommune selbst festlegen kann.
Zum Verständnis: auch die Steuermesszahlen unterscheiden sich je nach Bundesland. Baden-Württemberg hat sie 1,3 Promille festgesetzt. In den Ländern, die dem Bundesmodell für die neue Grundsteuer folgen, liegt sie bei 0,31 Promille.
Nur Bodenrichtwert und Fläche zählen für Grundsteuer
In Baden-Württemberg bestimmen in Zukunft nur der Bodenrichtwert und die Fläche die Grundsteuer, keine anderen Faktoren zählen. Der Freiburger Steuerberater Helmut Weyer kritisiert das.
Das heißt, so Weyer, in Baden-Württemberg würde ein einfaches Einfamilienhaus genauso viel kosten wie die 30 Millionen Villa. Norbert Stalter ist Rentner. Bliebe es bei der Steuersumme, wüsste er nicht, was er machen soll.
Finanzministerium verteidigt Sonderweg in Baden-Württemberg
Das Stuttgarter Finanzministerium will das vor der Kamera nicht kommentieren. Baden-Württemberg hat bei der neuen Grundsteuer einen Sonderweg gewählt. In den meisten anderen Bundesländern spielen nämlich Faktoren wie etwa Bebauung oder Art des Gebäudes sehr wohl eine Rolle. Schriftlich verteidigt das Stuttgarter Finanzministerium das abweichende Vorgehen des Landes. Man habe diesen Weg gewählt, um die Berechnung der Grundsteuer so einfach wie möglich zu machen.
Damit entspreche man langjährigen Forderungen der Umweltverbände zum Thema Flächenverbrauch. Im Klartext: Grundstücksbesitzer sollen ermutigt werden, ihr Grundstück stärker zu bebauen.
Kommunen sollen Hebesätze senken - aber entlastet das wirklich?
Das Finanzministerium sieht jetzt die Kommunen am Zug, solche enormen Steigerungen abzumildern. Sie sollen die Hebesätze senken. Denn die Kommunen haben sich verpflichtet, dass die Reform insgesamt nicht zu Steuererhöhungen führt. Doch das hilft nicht allen, sagt der Bund der Steuerzahler. Die Kommunen würden sich sicher daran halten, die Hebesätze anzupassen, aber das bedeute nicht, dass der einzelne Steuerzahler nicht doch stärker belastet wird.
Der Bund der Steuerzahler habe bereits vorsorglich Klage eingereicht, die irgendwann vor dem Bundesverfassungsgericht landen werde, so Möller.
Bund der Steuerzahler rät: Vorsorglich Einspruch einlegen - JETZT!
In Freiburg liegt aktuell der Hebesatz bei 600 Prozent. Er gilt für alle Grundstücke, egal ob Hochhausgrundstück oder Einfamilienhaus. Um Einfamilienhäuser zu entlasten, müsste die Stadt ihn aber so weit senken, dass sie kaum noch Einnahmen hätte. Das kann sich keine Kommune leisten. Denn auch mit einem Hebesatz von nur 400 Prozent müsste im Beispiel von Norbert Stalter immer noch knapp 10.000 Euro Grundsteuer bezahlen. Der Bund der Steuerzahler empfiehlt daher jedem, vorsorglich Einspruch gegen den Bescheid des Finanzamts einzulegen und hat deshalb einen Mustereinspruch auf seine Web-Seite gestellt.
Einspruch zur Monatsfrist - kommt der Grundsteuerbescheid ist es zu spät
Innerhalb eines Monats hat man nach Erhalt des Bescheids Zeit. Ganz wichtig ist: Nur gegen den ersten Bescheid des Finanzamts - den "Grundsteuerwertbescheid" - kann man Einspruch einlegen. Wenn das Finanzamt später die tatsächliche Grundsteuer mitteilt, ist es zu spät.
Norbert Stalter aus Freiburg wird auf jeden Fall sofort Einspruch einlegen, sobald der erste Bescheid vom Finanzamt kommt. Und dann hofft er auf das Bundesverfassungsgericht.