Ein Mann mit Mütze und Brille geht über eine Wiese.

Beschwerden und Geldsorgen

"Ich bin ein anderer Mensch" - wie dieser Schwanauer mit Long Covid kämpft

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Wera Engelhardt
Wera Engelhardt

Wohl Hunderttausende Menschen in Deutschland leiden an Long Covid. Einer von ihnen ist Karl-Martin Kögel aus Schwanau. Was ihm zu schaffen macht - und woraus er Kraft zieht.

Schmerzende Muskeln, bleierne Müdigkeit, Konzentrationsprobleme: Seit seiner Corona-Infektion vor drei Jahren ist für Karl-Martin Kögel aus Schwanau (Ortenaukreis) nichts mehr, wie es mal war. "Ich bin ein anderer Mensch", sagt er. Kögel leidet an den Spätfolgen seiner Infektion, an Long Covid.

SWR-Reporterin Wera Engelhardt berichtet in SWR Aktuell Baden-Württemberg über den neuen Alltag von Karl-Martin Kögel:

Heute muss er sich Notizzettel schreiben, um durch den Tag zu kommen. Dort stehen auch die ganz banalen Dinge: schlafen, essen, duschen. Kögel braucht die Struktur, die Erinnerung. Spontan könne er nichts mehr machen, ohne dass es ihn viel Kraft koste, sagt er. Arbeiten kann er nicht mehr, seine Frau Angelika hat in ihrem Beruf als Erzieherin aufgestockt. Auch ihr macht die neue Situation zu schaffen.

Für uns als Paar ist es eine neue Situation, die wir uns nicht ausgesucht haben. Das ist schwierig. Ich denke manchmal, mein Mann ist in den letzten drei Jahren um 30 Jahre gealtert.

Kögel hatte sich während seiner Arbeit als Heilerziehungspfleger mit Corona angesteckt. Die Infektion war irgendwann überwunden, es ging ihm immer noch nicht gut, doch er tat das ab, wollte sich "zusammenreißen". Doch irgendwann war klar, dass etwas nicht stimmt.

Long Covid: Viele Fragen sind offen

Im ersten Jahr habe er gleich versucht, wieder arbeiten zu gehen, erzählt Kögel. Doch er war zu platt, musste sich lange krankmelden. 2022 kam er in die Reha, lernte, langsamer zu machen, versuchte dann mehrfach, wieder bei der Arbeit einzusteigen. Doch alle Versuche scheiterten. Seit dem 1. Oktober 2023 ist er arbeitslos gemeldet - etwas, das er nie gewollt habe.

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Kögel ist nicht allein mit seiner Not. Studien zufolge leiden Tausende Menschen in Deutschland an den Spätfolgen einer Corona-Infektion. Wie viele genau, das kann die Wissenschaft nicht seriös beantworten. Dafür sei das Phänomen noch zu neu und zu komplex, sagt Jonas Hosp, Facharzt für Neurologie an der Uniklinik Freiburg. Studien gehen davon aus, dass es bis zu zehn Prozent all der Menschen trifft, die Corona durchgemacht haben. Ebenso viele Fragezeichen gibt es noch bei der Ursache für Long Covid - und wie die Krankheit geheilt werden kann. "Eine Therapie gibt es aktuell nicht", sagt Hosp.

Neurologe: Es geht um die Nachweisbarkeit und Anerkennung

Dem Neurologen zufolge geht es jetzt darum, die Symptome im Einzelnen zu lindern und Betroffene zu ermutigen, mit ihrer Energie zu haushalten. Außerdem sei es wichtig, Wege zu ermitteln, Long Covid als Krankheit eindeutig nachweisbar zu machen. Das sei nach wie vor schwierig, was oft dazu führe, dass die Patientinnen und Patienten nicht ernst genommen werden.

Für viele Patienten wäre es für die Psychologie extrem hilfreich, wenn man einen Test machen könnte und es heißt dann am Ende: Jawohl, das ist Post Covid und da gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Karl-Martin Kögel frustriert es, dass die Wissenschaft noch nicht weiter ist beim Thema Long Covid. Aber er ist auch dankbar für die Möglichkeiten, die es gibt. Und weil er sich bei der Arbeit infiziert habe, sei er über die Berufsgenossenschaft vergleichsweise gut versorgt. Die Krankheit sei von der Berufsgenossenschaft anerkannt, Reha und Sauerstofftherapien habe er bezahlt bekommen. Außerdem bekommt er Beratung beim Sozialverband VdK und im Post-Covid-Programm der BG Klinik Tübingen. Die kümmert sich um die Versorgung und Rehabilitation von Menschen, die im Beruf krank geworden sind.

Die Sorgen um die finanzielle Zukunft bleiben

"Alle haben mich gut behandelt, aber es gibt eben keine Lösung", bedauert Kögel. Außerdem brauche es oft lange, bis seine Anträge bearbeitet seien. Und dann bleibt da die Sorge um die wirtschaftliche Existenz. Der Frust darüber, nicht wie andere Väter mit seinen Söhnen eine Radtour oder eine Wanderung machen zu können.

Karl-Martin Kögel schöpft Kraft aus seinem Glauben

Doch es gibt Dinge, die ihm Mut machen. Die Unterstützung seiner Familie und von anderen Betroffenen zum Beispiel. Ein Bekannter im Dorf habe ihm viele wichtige finanzielle Tipps gegeben, ihn mental und gesundheitlich unterstützt. Kraft zieht er auch aus seinem Glauben an Gott. Und seinem liebsten Hobby geht Kögel weiterhin nach: Er spielt Tuba, leitet einen Posaunenchor, auch wenn er sich nach Proben und Auftritten mittlerweile viel länger erholen muss. "Das lasse ich mir nicht nehmen, die Musik tut mir gut."

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