"Die Straßen Freiburgs zurückerobern"

Protest-Party in Freiburg aufgelöst - Nachttanzdemo am Samstag verboten

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Samantha Happ
Samantha Happ

Die Polizei hat Freitagabend in Freiburg eine Protest-Party mit rund 150 Leuten aufgelöst. Eine für Samstag geplante "Tanzdemo" hat die Stadt untersagt. Bleibt es dann ruhig?

Es ist das ewige Thema in Freiburg: Anwohnerinnen und Anwohner sind genervt von Lärm und Müll und junge Menschen fühlen sich von immer mehr Verboten und Einschränkungen verdrängt. Am Samstag wollten sie deswegen erneut auf die Straße gehen. Doch das hat die Stadt jetzt per Allgemeinverfügung untersagt. Sie sieht "die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet".

Unter dem Motto "Beat the System, Reclaim the City!" hatten anonyme Veranstalter aus dem Umfeld des linken Kulturtreffs in Selbstverwaltung (KTS) für am Samstag zu einer weiteren "Nachttanzdemo" aufgerufen, um "die Straßen Freiburgs zurückzuerobern".

Protestparty am Freitagabend aufgelöst

Bereits am Freitagabend haben sich rund 150 Menschen zu einer Protest-Party im Freiburger Stadtgarten getroffen, um gegen das Verbot von Musikboxen in Parks ab 23:00 Uhr zu protestieren. Die Polizei beschlagnahmte dort mehrere Geräte. Die Feiernden - mutmaßlich aus der Linken Szene - zogen nach Polizeiangaben dann weiter in die Innenstadt und feierten im Viertel "im Grün" weiter. Da die Musik auch hier zu laut gewesen sei und trotz Aufforderung nicht leiser gemacht wurde, lösten die Einsatzkräfte die Party auf, so ein Polizeisprecher. Es gab mehrere Platzverweise. Insgesamt ist der Einsatz laut Polizei aber "unproblematisch" verlaufen.

Mülltonnen liegen auf der Straße, im Hintergrund sieht man Menschen, die ausgelassen auf dem Lederleplatz in Freiburg feiern.
Party und Krawall auf dem Freiburger Lederleplatz in der Nacht zum 10. Juni - dokumentiert von einer Anwohnerin.

Lärm, Graffiti und Müll nach Party auf Lederleplatz vor einer Woche

Am vergangenen Wochenende war der Protest allerdings aus dem Ruder gelaufen. Da hatten auch etwa 150 junge Menschen - mutmaßlich aus dem linken Umfeld - lautstark auf dem Freiburger Lederleplatz gefeiert.

"Der Lärm war ohrenbetäubend, wir konnten bis 3:30 Uhr nicht schlafen, der ganze Platz war zugemüllt mit leeren Flaschen, Scherben, Kronkorken, Zigarettenkippen und Verpackungsmüll aller Art", schildert die Rechtsanwältin und Anwohnerin Barbara Mayer im Gespräch mit dem SWR, wie sie die Nacht von Freitag, 9.Juni 2023, auf Samstag auf dem Lederleplatz erlebt hat.

"Die Feiernden haben in Gärten und Einfahrten uriniert, den Lederlebrunnen und etliche Wände und Türen mit Graffiti versehen."

Außerdem seien Mülltonnen als Barrikaden auf die Straßen gelegt worden, Eier an die Tür des ortsansässigen Cafés geschmissen worden und Feiernde hätten Plastikmüll von einem nahegelegenen Supermarkt auf den Platz gezerrt und versucht diesen anzuzünden. Einige Anwohnerinnen und Anwohner hätten an diesem Abend mehrfach die Polizei gerufen.

Party in Freiburg bis spät in die Nacht: Polizei greift nicht ein

Doch Barbara Mayer zufolge soll es von der Polizei geheißen haben, die Stadt habe die Beamten angewiesen, die Party laufen zu lassen und nicht einzugreifen. Bürgermeister Stefan Breiter kann nach eigenen Worten zwar nicht sagen, was einzelne Beamtinnen und Beamte an diesem Abend gesagt haben, doch er betont, dass es keine Anweisungen der Stadt gewesen seien.

Diese Aussage bestätigte auch der Polizeivizepräsident des Polizeipräsidiums Freiburg, Matthias Zeiser, auf Anfrage des SWR. In dem schriftlichen Statement räumt er jedoch ein, dass es "bei der Entgegennahme der Bürgeranrufe in der betreffenden Nacht Fehler bei der Kommunikation gegeben habe".

"Es hat und es wird nie Anweisungen der Stadt geben, wie die Polizei sich in einem aktuellen Einsatz zu verhalten hat."

Immer mehr Verbote für junge, feiernde Menschen

Eine junge Anwohnerin am Lederleplatz hat dagegen ein gewisses Verständnis für die jungen Menschen, da es in Freiburg nur noch wenig Plätze gebe, an denen man sich draußen vergnügen könne. Auch die Clubszene in Freiburg sei unter anderem wegen der Pandemie immer weiter ausgestorben.

Nun also droht erneut eine unruhige Nacht. Denn es ist unklar, ob sich die Protestierenden an das von der Stadt verhängte Verbot der Demo bis 23 Uhr halten werden. Ihr Treffpunkt war ursprünglich der Stühlinger Kirchplatz. Dort findet aber zeitgleich die "Nostalgische Messe" des Bürgervereins Stühlinger statt. Das ist eine Art Nachbarschaftsfest mit Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils, in dem es vor allem am Lederleplatz immer wieder zu Auseinandersetzungen und Ärger mit feiernden jungen Menschen kommt.

"Ich kann schon verstehen, dass man als junge Person sagt: Ich bin eben nur einmal jung, ich nehme diesen einen Abend mit und bin einfach mal egoistisch."

Tausende Menschen feiern bei "Sea You on Tour" auf dem Münsterplatz

Parallel dazu feiern am Samstag bis 22 Uhr mehrere tausend junge Menschen zu elektronischer Musik bei "Sea You on Tour" auf dem Münsterplatz. Nach der Veranstaltung werden auch sie in der Freiburger Innenstadt unterwegs sein, unter anderem zu den zahlreichen After-Show-Partys.

Laut Bürgermeister Stefan Breiter, der unter anderem für öffentliche Ordnung zuständig ist, sind Stadt und Polizei gut auf das Wochenende vorbereitet und werden die Veranstaltungen im Blick haben.

Vor zwei Jahren hatte bereits ein Späti-Kiosk in der Nähe des Lederleplatzes schließen müssen, nachdem die Betreiber über mehrere Jahre mit den Anwohnerinnen und Anwohnern im Streit gewesen waren. Im Späti-Kiosk hatten sich viele mit Getränken versorgt und waren damit zum Lederleplatz gezogen.

"Wir sind gerüstet und werden es kein zweites Mal dulden."

Oft Konflikte mit Anwohnerinnen und Anwohnern in Freiburg

Auch an anderen Plätzen in Freiburg gibt es immer wieder Ärger zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern und jungen Menschen, die sich amüsieren wollen. Erst im Mai hatte die Stadt Freiburg deswegen ein nächtliches Verbot für Musikinstrumente und Lautsprecherboxen in den meisten Parks in Freiburg ausgerufen. Unter anderem im Seepark, der durch die Lage der Studierendensiedlung (StuSie) vor allem von Studierenden gerne besucht wird.

Um künftig Konflikte einzudämmen, sind seit Kurzem Nachtmediatorinnen und Nachtmediatoren an den beliebten Plätzen in Freiburg unterwegs, um den Kontakt zu den feiernden Menschen zu suchen. Für die Stadt Freiburg kein leicht zu lösender Konflikt: Auf der einen Seite stehen die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Ruhe haben möchten, und auf der anderen Seite das Image einer Universitätsstadt, die als Standort für junge Menschen attraktiv sein und bleiben möchte.

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