Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) fordern die Einführung von Grenzkontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte diese am Wochenende für die Grenze zu Polen und Tschechien vorgeschlagen. Ihr Ministerium lässt derzeit prüfen, ob es stationäre Kontrollen an diesen Grenzen künftig geben kann. Damit sollen unerlaubte Einreisen von visumspflichtigen Drittstaatsangehörigen eingedämmt werden, deren Zahl seit Sommer 2022 laut Bundespolizei stetig steigt. Die Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz sei besonders von illegalen Grenzübertritten betroffen, so das baden-württembergische Innenministerium. Konkrete Zahlen nennt das Ministerium nicht. Dem SWR liegen aktuelle Zahlen der Bundespolizeidirektion Stuttgart vor.
Masoud Farhatyar ist Flüchtlingskoordinator bei der Jugendhilfestiftung TimeOut, die jugendliche Flüchtlinge in Freiburg betreut. Bei SWR Aktuell hat er darüber gesprochen, wie sie mit der wachsenden Zahl an minderjährigen Flüchtlingen umgehen, die nach Freiburg kommen.
Polizei hat verstärkt im grenznahen Gebiet zur Schweiz kontrolliert
In der Pressemitteilung schreibt das Innenministerium, es habe vergangene Woche Schwerpunktkontrollen im grenznahen Raum zur Schweiz durchgeführt. In den vier Tagen waren 135 Beamtinnen und Beamte der Landespolizei, Bundespolizei und des Zolls im Einsatz. Sie kontrollierten insgesamt 484 Personen und 230 Fahzeuge und stellten 33 Straftaten fest. Davon waren 16 ausländerrechtliche Straftaten, außerdem Verkehrsverstöße und andere Ordnungswidrigkeiten.
Polizei hat bei Kontrollen vor allem Schleuserkriminalität im Blick
Innenminister Thomas Strobl sagte am Dienstag: "Mit unserem verstärkten polizeilichen Engagement im grenznahen Raum zur Schweiz erhöhen wir den Druck auf Schleuser und diejenigen, die versuchen illegal in unser Land einzureisen". Stationäre Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum grundsätzlich möglich, jedoch für maximal 30 Tage am Stück erlaubt. In Ausnahmefällen können sie verlängert werden.
Stadt Freiburg: Brandbrief an Ministerpräsident Kretschmann
Gerade an der deutsch-schweizerischen Grenze seien Grenzkontrollen wichtig, betont Strobl. "Die hohe Einwanderung nach Deutschland hat uns an einen ganz kritischen Punkt gebracht: Unsere Städte, Gemeinden und Landkreise sind an der Belastungsgrenze, die Kapazitäten zur Aufnahme sind nahezu erschöpft. Wir müssen jede Stellschraube nutzen, um die Migration zu steuern und zu begrenzen. Dazu gehört auch ein wirksamer Grenzschutz an der Grenze Deutschlands zur Schweiz." Mehrere Städte und Landkreise in Baden-Württemberg haben sich am Mittwoch mit einem Brandbrief an Ministerpräsident Kretschmann gewandt. Darin beklagen sie die hohe Zahl unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender, die gerade in den grenznahen Landkreisen ankommen.
Brandbrief an Kretschmann Minderjährige Flüchtlinge: Landesregierung stellt Städten Hilfe in Aussicht
Mehrere Städte in BW wenden sich mit einem Hilferuf an die Landesregierung. Sie fordern Unterstützung bei der Unterbringung von geflüchteten unbegleiteten Kindern und Jugendlichen.
Justizministerin fordert Bundesregierung zum Handeln auf
Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) sagte am Dienstag: "Im Mai hatte die Bundesregierung […] lageabhängige Grenzsicherungsmaßnahmen angekündigt. Seitdem ist nichts passiert. Dass jetzt stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen in den Blick genommen werden, ist begrüßenswert." Unverständlich sei jedoch, dass die aktuellen Überlegungen die Schweizer Grenze nicht einbeziehen. Auch dort gebe es Grenzübertritte und Schleusungen.
Zahl der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden im Sommer massiv gestiegen
Unbegleitete Minderjährige, die in Deutschland ankommen, werden nicht in den Landeserstaufnahmestellen untergebracht. Sie werden in den Landkreisen, in denen sie aufgegriffen werden, in die Obhut des zuständigen Jugendamtes gegeben. Oftmals werden sie erst nach mehreren Wochen auf andere Kreise verteilt, dadurch sind beispielsweise allein im Kreis Lörrach seit Jahresbeginn mehr als 1.000 unbegleitete Kinder und Jugendliche aufgegriffen worden. Immer mehr Städte und Landkreise bringen die Minderjährigen aufgrund von Platzmangel in Turnhallen, Zelten oder ähnlichen Räumlichkeiten unter.
Polizei baut Kontrollen gegen Schleuserkriminalität aus
Die Polizeipräsidien Freiburg und Konstanz haben ihr Engagement in Sachen Schleuserkriminalität verstärkt und zahlreiche Kontrollaktionen durchgeführt. Neben einer allgemeinen Erhöhung der Präsenz, setze die Landespolizei hierbei vor allem auf mobile und stationäre Personen- und Fahrzeugkontrollen an relevanten Örtlichkeiten im grenznahen Raum, heißt es in der Pressemeldung des Innenministeriums.
Ukrainische Geflüchtete werden nicht in Landeserstaufnahmeeinrichtungen untergebracht
In der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg kamen seit Januar 2023 rund 5.400 Asylsuchende an. Sie werden erst in der LEA untergebracht, bevor sie in die Kreise in Gemeinschaftsunterkünfte verlegt werden. Anders ist das bei Geflüchteten aus der Ukraine. Die circa 2.400 Menschen, die seit Anfang des Jahres nach Freiburg gekommen sind, wurden direkt an die Landkreise weitervermittelt. Darüber hinaus haben die Kreise im Regierungsbezirk Freiburg seit Jahresbeginn rund 3.800 Ukrainerinnen und Ukrainer direkt aufgenommen. "Die Zugangszahlen der ukrainischen Geflüchteten spiegeln die anhaltenden Kriegsgeschehnisse wider", schreibt das Regierungspräsidium auf SWR-Anfrage.
Stadt Freiburg von Verteilungsschlüssel ausgenommen
Die Stadt Freiburg ist von der Zuweisung Asylsuchender ausgenommen, weil die Stadt Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung ist. Aus diesem Grund verzeichnet die Stadt Freiburg seit Jahresbeginn 185 zusätzliche Asylsuchende, die beispielsweise über Familiennachzug nach Freiburg kamen. Ukrainische Kriegsvertriebene werden gesondert registriert. Sie müssen kein Asyl beantragen, sondern erhalten vorübergehenden Schutz. Seit Jahresbeginn wurden in Freiburg 296 Menschen aus der Ukraine registriert, insgesamt sind es seit Februar 2.685 Personen.
Nach Freiburg sind besonders Familien geflüchtet
Insgesamt lebten in den städtischen Freiburger Unterkünften im August 2.828 Asylsuchende. Von ihnen sind 53 Prozent weiblich und mehr als ein Drittel jünger als 18 Jahre. "Der relativ hohe Anteil an weiblichen Personen und Minderjährigen zeigt, dass Freiburg vergleichsweise viele Familien aufgenommen hat", so die Stadt Freiburg gegenüber dem SWR.