Die Bundespolizei registriert seit Sommer 2022 einen deutlichen Anstieg unerlaubter Einreisen. Dem SWR liegen die neuesten Zahlen zu den Grenzübertritten an der Deutsch-Schweizer Grenze vor.
Unerlaubte Einreisen seit 2019 vervierfacht
In den ersten acht Monaten dieses Jahres sind der Bundespolizei zufolge 9.371 Menschen ohne Erlaubnis über die Schweizer Grenze nach Deutschland eingereist. Damit deutet sich ein neuer Rekord an: Denn im Vorjahr waren es in zwölf Monaten etwas mehr als 10.000 Menschen. Verglichen mit dem Jahr 2019 hat sich die Zahl der unerlaubten Einreisen über die Deutsch-Schweizer Grenze 2022 nahezu vervierfacht. In den Jahren 2020 und 2021 waren die Zahlen der unerlaubten Grenzübertritte wohl aufgrund der Corona-Pandemie deutlich geringer.
Starker Anstieg ab August 2022
Während die unerlaubten Einreisen über die Deutsch-Schweizer Grenze in der ersten Jahreshälfte 2022 im niedrigen dreistelligen Bereich lagen, konnte die Bundespolizei ab August einen rasanten Anstieg der Zahlen beobachten. Von August bis Oktober hat sich die Zahl monatlich ungefähr verdoppelt, im November 2022 erreichte sie ihren Höhepunkt mit 2.916 unerlaubt eingereisten Personen. Anschließend sind die Zahlen wieder deutlich gesunken. Anfang des Jahres 2023 bewegten sie sich wieder im dreistelligen Bereich. Seit Mai 2023 steigt die Zahl der unerlaubten Grenzübertritte erneut an. Im August dieses Jahres hatte sich die Zahl im Vergleich zu den Vormonaten nahezu verdoppelt.
Quelle: Bundespolizei, Stand 21. September 2023
Die meisten der Menschen, die seit Januar 2023 unerlaubt über die Schweizer Grenze nach Deutschland gekommen sind, haben eine afghanische, syrische oder türkische Staatsangehörigkeit. 89 Prozent von ihnen sind männlich, elf Prozent weiblich. Die Altersstruktur reicht von 0 bis 69 Jahren.
Einreise nur mit Ausweis und Aufenthaltstitel erlaubt
Grundsätzlich sind alle Reisenden verpflichtet, bei einem Grenzübertritt ein Ausweisdokument und gegebenenfalls einen Aufenthaltstitel mit sich zu führen. Diese müssen der Bundespolizei auf Verlangen ausgehändigt werden. Besteht der Verdacht der unerlaubten Einreise, beispielsweise aufgrund fehlender oder ungültiger Dokumente, so folgt die Bundespolizei eigenen Angaben zufolge einem vorgegebenen Verfahren.
Bundespolizei identifiziert unerlaubt Eingereiste
Bei einer unerlaubten Einreise werde die betreffende Person "zur Klärung des Sachverhaltes und für die sich gegebenenfalls anschließende Sachbearbeitung in die Diensträume begleitet", schreibt die Bundespolizei auf SWR-Anfrage. In den Diensträumen werde dann die Identität der Person festgestellt, sie werde befragt und es würden, wenn erforderlich, erkennungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise Fingerabdrücke oder Lichtbilder.
Bundespolizei leitet Asylsuchende an Landeserstaufnahmestellen weiter
Wenn eine Person, die von der Bundespolizei auf deutschem Hoheitsgebiet aufgegriffen wurde, ein sogenanntes Schutzersuchen stellt, werde sie nach den polizeilichen Maßnahmen an die zuständige Landeserstaufnahmestelle weitergeleitet. Dies gilt nicht für unbegleitete Minderjährige und Familien. Ihr Verfahren werde beschleunigt bearbeitet, so die Bundespolizei. Unbegleitete Minderjährige werden außerdem nicht an die Landeserstaufnahmestellen weitergeleitet, sondern sie kommen in die Obhut des jeweiligen Jugendamtes.
Immer mehr unbegleitete Minderjährige reisen ein
Von Januar bis einschließlich August dieses Jahres sind laut Bundespolizei bereits mehr unbegleitete Minderjährige unerlaubt über die Schweizer Grenze nach Deutschland eingereist, als im gesamten Jahr zuvor. Im Jahr 2022 waren es insgesamt 1.651 Jugendliche, bis August dieses Jahres wurden an der Grenze 1.679 Jugendliche aufgegriffen.
Unerlaubte Einreisen per Zug am häufigsten
Die meisten Flüchtenden kamen mit dem Zug nach Deutschland, ein Teil reiste mit dem Bus über die Grenze, einige mit dem Auto. Die Bundespolizei kann die Weiterreise nach Deutschland bereits auf Schweizer Hoheitsgebiet verhindern. So verweigerte sie am Badischen Bahnhof in Basel mehr als 9.000 Menschen seit November vergangenen Jahres die Einreise nach Deutschland.
Ministerien fordern Kontrollen an der Deutsch-Schweizer Grenze
Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) fordern die Einführung von Grenzkontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte diese bereits für die Grenze zu Polen und Tschechien vorgeschlagen.
Illegale Einreisen Mehr Kontrollen an der Grenze zur Schweiz gefordert
Weil immer mehr Menschen illegal über die deutsch-schweizerische Grenze nach Deutschland einreisen, fordern Ministerien jetzt strengere Grenzkontrollen.
Pro Asyl befürchtet rechtswidrige Abweisungen an der Grenze
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl äußert sich dem SWR gegenüber kritisch zu den geforderten Grenzkontrollen. Diese hätten nicht die von der Politik erhoffte abschreckende Wirkung, so die rechtspolitische Sprecherin Wiebke Judith.
Grenzkontrollen dürften nicht dazu führen, dass schutzsuchende Menschen rechtswidrig abgewiesen würden, wenn sie einen Asylantrag stellten. Bei Menschen, die aus den Hauptherkunftsländern wie Syrien oder Afghanistan stammen, sei davon auszugehen, dass sie ein Schutzgesuch äußern wollten, so Pro Asyl.