600 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben sich in Freiburg versammelt. Seit Donnerstag tagt dort die Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg. Zwei Tage lang geht es um die Zukunft der Städte im Land. Es geht darum, wie sie die vielen und ständig wachsenden Aufgaben meistern können - von Digitalisierung der Verwaltung bis Bürgergesundheit. Ein Thema, das allen Kommunen im Land auf den Nägeln brennt: Wie kann eine lebendige Innenstadt der Zukunft aussehen?
"Freiburger Erklärung" mit konkreten Forderungen
Neben der Innenstadt-Problematik beschäftigt sie auch der öffentliche Nahverkehr, die Schulen, die Schwimmbäder. Die Städte und Gemeinden im Südwesten haben nun Alarm geschlagen. Sie fordern mehr Geld vom Land für ihre Aufgaben. Über 60 Prozent der Kommunen und über 80 Prozent der Landkreise würden keinen ausgeglichenen Haushalt mehr hinkriegen, warnt Frank Mentrup (SPD), der Präsident des Städtetags und Karlsruher Oberbürgermeister. "So etwas gab es in Baden-Württemberg noch nie", sagt er.
Der Verband verabschiedete eine sogenannte Freiburger Erklärung mit 13 Forderungen an das Land Baden-Württemberg. In dem Papier wird beklagt, dass Kommunen wegen Finanz- und Personalproblemen handlungsunfähig werden könnten.
Auf der Suche nach Konzepten: Wie können Innenstädte überleben?
Und dann wäre da noch das Thema mit den Innenstädten. Läden machen dicht, 1A-Lagen stehen leer: Händeringend suchen die Städte nach Konzepten, wie die Innenstädte nach den Schockwellen der Corona-Pandemie in Zeiten von boomendem Online-Handel überleben und lebendig bleiben können. Den Einzelhandel stärken, die Gastronomie ausbauen und attraktiver machen, das gilt landauf landab als Lösung. Aber: "Das funktioniert nicht“, meint der Referent, den der Städtetag zu dieser Podiumsdiskussion eingeladen hat. Donato Acocella von der Schweizer Fachhochschule Rapperswil trägt den Mitgliedern des Städtetags radikale und vor allem unbequeme Thesen vor.
Experte: Städte müssen bereit sein viel Geld auszugeben
Die Städte müssten sich von Einkaufen und Essen gehen als tragende Säulen verabschieden, das sei gestrig, so Acocella. Alle Konzepte in diese Richtung klammerten sich an Althergebrachtes und versuchten wiederzubeleben, was in der Pandemie schon gestorben sei, so der Experte.
Menschen würden langfristig in die Städte kommen, um sich wohlzufühlen und nicht, um zu konsumieren, erklärt Acocella. Laut ihm bräuchten Städte mehr attraktive Freiflächen mit viel Grund und an den Klimawandel angepasst. So würden Orte der Begegnung entstehen, ohne dass die Menschen Geld ausgeben müssten.
Statt der immergleichen Filialisten also zum Beispiel besser eine Altenbegegnungstätte in 1A-Lage, das sei die Zukunft, so Acocella. Doch dafür müssten die Städte bereit sein viel Geld auszugeben. Auf lange Sicht machten sich solche Investitionen bezahlt, wie das Beispiel der spanischen Stadt Bilbao zeige.
Bürgermeister halten am Einzelhandel fest
Manchen Bürgermeistern beim Städtetag geht das zu weit. "Es wird auch weiterhin viel Einzelhandel (in der Innenstadt) geben", sagt Martin Haag, Baubürgermeister der Stadt Freiburg. Wo sie sich einig sind: Die öffentliche Räume aufwerten und attraktiver machen. "Ich glaube, es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir Freiburger unsere Innenstadt liebhaben, dass wir da auch investieren wollen", sagt Haag. Die Stadt baue zum Beispiel einen Spielplatz in der Innenstadt.