In dem Lager, das von Caritas international mit Sitz in Freiburg betreut wird, befanden sich der Hilfsorganisation zufolge 300 Tonnen Hilfsgüter. Darunter auch warme Kleidung und Generatoren für die Winterhilfe. Diese seien zerstört worden. Ein Lagermitarbeiter kam bei dem mutmaßlich russischen Drohenangriff am Dienstag ums Leben. Caritas-Mitarbeiterin Laila Weiß war am Donnerstag vor Ort in der Freiburger Partnerstadt Lwiw. Im SWR-Interview schildert sie Ihre Eindrücke.
SWR Aktuell: Sie sind in Lwiw, um sich einen Eindruck von der Lage vor Ort zu machen. Was haben Sie dort vorgefunden, wo die Lagerhalle von Caritas International stand?
Laila Weiß: Es sah schrecklich aus, alles ist komplett verbrannt, auf dem gesamten Gelände riecht es verbrannt. Man konnte die Reste von Wasserflaschen, verbrannten Generatoren und Konservendosen sehen. Es handelt sich um das größte humanitäre Hub (Lager) der Caritas in der Ukraine. Von dort aus fanden Hilfstransporte nach Charkiw, Saporischschja und auch nach Odessa statt. Und einige Tage zuvor wurden noch 33 Paletten mit Lebensmittelpaketen aus Polen geliefert und dort gelagert. Die Drohne ist an der Seite des Gebäudes eingeschlagen, insgesamt wurden fünf Lagerhallen bei dem Drohnenangriff zerstört.
Das Interview in SWR4 Baden-Württemberg zum Nachhören:
SWR Aktuell: Also so ein richtiger Schlag, auch was die Versorgung der Menschen in der Westukraine betrifft?
Weiß: Im gesamten Land.
SWR Aktuell: Sie sagen ja auch, es wurden Lebensmittel vernichtet. Die Menschen sind ja darauf angewiesen. Werden die Hilfsgüter jetzt neu herangeschafft? Und wie wird das organisiert?
Weiß: Es geht weiter. Die Caritas arbeitet weiter, und weiter werden auch Hilfsgüter in die Ukraine gebracht. Aktuell können wir aber noch nicht sagen, welche und wieviele Hilfsgüter neu beschafft werden müssen. Wir müssen erst einmal einschätzen, wie hoch der Schaden überhaupt ist.
SWR Aktuell: Wie ist denn die Stimmung bei den Menschen dort? Haben Sie mit ein paar Menschen dort reden können?
Weiß: Ich habe mit dem Caritas-Verantwortlichen Marikan gesprochen, und er hat gemeint, trotz des großen Verlustes an Hilfsgütern ist die Hauptsache, dass niemand von den Kolleginnen und Kollegen ums Leben gekommen ist. Denn wäre der Drohnenangriff tagsüber gewesen, wären unzählige Mitarbeitende in dem Gebäude gewesen und damit ums Leben gekommen.
SWR Aktuell: Haben die Menschen jetzt die Hoffnung, dass Lebensmittel, Hygieneartikel wiederbesorgt werden können?
Weiß: Ja, die Solidarität, die weltweite Solidarität ist so groß für die Ukraine und die Caritas steht den ganzen trotzdem positiv gegenüber und machen weiter mit ihrer Arbeit.
SWR Aktuell: Wie blickt man denn jetzt in Lwiw aktuell in Richtung Winter?
Weiß: Der Winter wird kalt und düster. So wie letztes Jahr kann es minus 20 Grad geben. Auch letztes Jahr kam es immer wieder zu Stromausfällen, und in der Stadt hatte man so ein Summen gehört von den Generatoren. In dem Lagerhaus selber waren ungefähr 50 Generatoren, die für den Winter bereitstanden, was natürlich ein großer Verlust ist. Aber wir versuchen jetzt noch vor dem Wintereinbruch eine neue Halle zu finden - entweder die Lagerhalle gegenüber, die nicht abgebrannt ist oder eine neue, um dann wieder Lebensmittelpakete dort zu lagern. Denn der Winter ist kalt, und viele, so viele Menschen sind auf Lebensmittelpakete, auf warme Kleidung, auf warme Unterkünfte angewiesen.
SWR Aktuell: Und haben Sie den Eindruck, dass dieser Drohnenangriff auf dieses Lagerhaus ganz gezielt stattgefunden hat, also dass dieses Lagerhaus getroffen werden sollte?
Weiß: Die Frage habe ich dem Verantwortlichen der Caritas vor Ort auch gestellt. Er meinte, er könne es sich vorstellen, weil da eine Bahnlinie ist und vielleicht wurde gedacht, dass da Militärgüter transportiert werden. Scheinbar fand letztes Jahr schon mal ein Angriff statt in dem Gebiet.
SWR Aktuell: Wie schauen denn die Menschen in Lwiw jetzt nach vorne?
Weiß: Die letzten Tage gab es wieder vermehrt Angriffe. Scheinbar ist es im Winter generell ein Problem, mit der ganzen Situation, mit den Stromausfällen. Und dann kommt noch die psychische Belastung hinzu. Das sind erstmal nicht die besten Aussichten.
Das Interview führte SWR-Moderatorin Nadine Zeller am 21.9.2023 in SWR4 Baden-Württemberg.