Rund 9.000 Haushalte könnte die geplante Freiflächen-Photovoltaik-Anlage künftig mit grünem Strom versorgen, wenn sie, wie geplant, auf einer Fläche von 30 Hektar bei den Bertholdshöfen in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) gebaut würde. Doch die Stadtverwaltung und Stadtwerke stoßen auf Gegenwind bei dem geplanten Solarpark.
Tausende gelbe Köpfe recken sich in diesen Tagen in Richtung Sonne. Zwischendrin immer wieder lichte, brachliegende Flächen, an denen in diesem Jahr keine Sonnenblumen wachsen wollten. Es scheint fast so, als hätten das verhangene, regenreiche Frühjahr und die fressfreudigen Schnecken das drohende Unheil bereits angekündigt. Denn wo sich heute, dank Landschaftsgärtner Dietmar Wildi, noch tausende Sonnenblumen nach der Sonne ausrichten, sollen es schon bald zahlreiche Photovoltaik-Module ihnen gleichtun.
Die Spaziergängerin Viktoria Stern und ihr Mann Rolf fordern alternative Plätze für die PV-Anlage:
PV-Anlage statt regionaler Lebensmittel
Auf dem Feld nebenan dreht Landwirt Wolgang Schwörer Runden mit seinem Traktor. Noch in diesen Tagen möchte er hier Winterroggen anpflanzen. Er lebt und liebt seine Landwirtschaft. Seine Ernte verkauft er an eine ortsansässige Mühle mit Bäckerei-Filialen weit über die Stadtgrenze hinaus. Mehl, Öl und Brot aus der Region. Rund zehn Hektar Land würde er durch den Bau der Photovoltaik-Anlage im Bereich der Bertholdshöfe verlieren - das entspricht einer Fläche von etwa sieben Fußballfeldern.
Trotz guter Pachten - Landwirte weigern sich
Um die 3.500 Euro Pacht bieten die Stadtwerke den Landwirten für den Hektar Land. Ein Vielfaches der durchschnittlichen Pacht von 274 Euro je Hektar, die das Statistische Landesamt Baden-Württemberg für das Jahr 2023 ermittelt hat. Über eine Laufzeit von 20 Jahren, würde der Landwirt so für seinen Acker immerhin um die 700.000 Euro verdienen, ohne dafür arbeiten zu müssen.
Trotzdem sei keiner der Landwirte bereit, seine Flächen im Gebiet der Bertholdshöfe an die Stadtwerke abzugeben, so Dietmar Wildi - auch nicht im Tausch gegen Ausgleichsflächen. "Wo soll ich denn noch Fläche herbekommen? Wenn die Stadt mir irgendwo eine Fläche anbietet, dann ist sie weiter weg, ich muss also weiter fahren und die Ausgleichsflächen werden ja bisher auch von irgendeinem Landwirt bewirtschaftet", erklärt Wolfgang Schwörer seine Entscheidung gegen das Angebot der Stadtwerke.
Immer weniger landwirtschaftliche Flächen
Das Ergebnis sei immer das Gleiche: Landwirtschaftliche Fläche verschwindet und mit ihr die Felder zum regionalen Anbau von Lebensmitteln. Der Deutsche Bauernverband warnt, "wenn der Ausbau von Photovoltaik bis 2030 zur Hälfte in herkömmlichen Freiflächen erfolgt, ist mit einem zusätzlichen Flächenverlust der Landwirtschaft von etwa 80.000 Hektar bis 2030 zu rechnen." Das entspricht etwa 56.000 Fußballfeldern.
Dagegen wehrt sie sich, die Interessensgemeinschaft Bertholdshöfe (IG Bertholdshöfe), denn "landwirtschaftliche Flächen vermehren sich nicht, es kann keine Kartoffel und kein Weizenkorn auf dem Dach von einem Industriegebäude angebaut werden, aber sehr wohl kann ein Industriedach mit Photovoltaik (PV) belegt werden", mahnt Dietmar Wildi. Deswegen fordern sie die Stadtwerke dazu auf, stattdessen bereits versiegelte Parkplätze und Dächer für die PV-Anlagen zu nutzen. Mehr als 2.700 Bürgerinnen und Bürger schließen sich in einer Petition dieser Meinung an.
Welche Alternativen gibt es?
Bei den Stadtwerken Villingen-Schwenningen hofft man dagegen auf eine versöhnliche Lösung. Vielleicht sogar darauf, das Sonnenblumenfeld als Ausflugsziel für Spaziergänger aus beiden Stadtteilen erhalten zu können, beispielsweise durch einen Flächentausch. Denn mit der bisherigen Verteilung der 20 Hektar in dem Gebiet, die in städtischer Hand sind, wäre die geplante Anlage noch nicht umsetzbar.
Auch Modellflugverein fürchtet Anlage
Durch einen Flächentausch könnte auch eine andere Interessensgruppe profitieren. Denn auch die Modellfluggruppe Villingen-Schwenningen fürchtet inzwischen Einschränkungen durch die geplante PV-Anlage. Gerade im Start- und Landebereich gehe doch auch immer mal wieder etwas schief.
Bisher sind die in liebevoller Feinstarbeit gebauten und historischen Flugzeugmodelle in solchen Fällen in einem Feld gelandet. Das von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Suchgebiet grenzt nun unmittelbar an die Start- und Landezone. "Wenn so eine teure, schwere Maschine auf ein PV-Modul kracht, ist der Schaden natürlich deutlich höher. Der des Flugzeugs und vielleicht auch am Modul", erklärt Nils Hambrecht, zweiter Vorsitzender des Vereins. Das könnte dazu führen, dass Versicherungen nicht mehr dazu bereit sind, für Schäden der Modellflieger aufzukommen oder die Modellflieger zu versichern.
Unwirtschaftlichkeit bei Parkflächen
Dem Wunsch der IG Bertholdshöfe, die PV-Anlage stattdessen auf Dachflächen zu bauen, würden die Stadtwerke Villingen-Schwenningen gerne nachkommen, so Geschäftsführer Gregor Gülpen. "Das Thema ist, dass ich Eigentümer nicht verpflichten kann. Ich möchte das mal gerne erleben, wenn die Stadtwerke einem Unternehmer sagen müssen, du musst das jetzt machen."
Auch die Überdachung von Parkflächen mit Solarmodulen scheint als Alternative wenig vielversprechend. Statt der bisherigen 25 Millionen Euro, würde es um die 100 Millionen Euro kosten, die gleiche Leistung durch PV-Module auf Parkflächen zu gewinnen. "Wenn wir als Gesellschaft bereit sind, die vierfache Summe dafür zu bezahlen, sträuben sich die Stadtwerke nicht dagegen. Aber das habe ich bisher noch nicht erlebt", so Gülpen. Auch sogenannte Agrar-PV-Anlagen, die weiterhin eine landwirtschaftliche Nutzung der Fläche ermöglichen würde, seien wirtschaftlich nicht attraktiv.
Solarfläche verdoppeln
Bei all der Kritik an der geplanten Anlage: Sie würde die Fläche der Solaranlagen, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden, auf einen Schlag verdoppeln und die Stadt so der Klimaneutralität und den Klimazielen von Bund und Land deutlich näher bringen. Das Gebiet sei deswegen so attraktiv, da es zwischen den beiden Ortsteilen liegt und so kein Umspannwerk gebaut werden muss, erklärt der Geschäftsführer. "Wir haben uns alle politisch darauf geeignet, dass wir klimaneutraler werden wollen. Wir haben auch eine Umfrage bei den Menschen gemacht und da sind 60 Prozent der Befragten für die Anlage", so Gülpen.
Einigkeit bei der Frage nach Solarenergie
Bei aller Uneinigkeit über den Standort der geplanten Anlage, sind sich alle beteiligten Parteien zumindest in einem Punkt grundsätzlich einig: ja, zu grünem Strom und Solarenergie durch PV-Anlagen - obwohl diese durchaus auch Schattenseiten mit sich bringen. Die Diskussionen um die geplante PV-Anlage im Bereich der Bertholdshöfe wirft dabei vor allem eine Frage auf: Wie können grüne Energiegewinnung und regionale Lebensmittelproduktion auf Dauer in Einklang gebracht werden, ohne dabei eine Abhängigkeit von anderen Ländern in einem der Bereiche zu befeuern?