Freiburg im März 2020 ist wie leergefegt. Weil sich die Menschen nicht an Kontaktverbote halten, greift die Stadt durch. Sie verhängt Betretungsverbote für öffentliche Orte. Und das als erste Großstadt in ganz Deutschland. Andere ziehen nach. Raus darf nur, wer das gut begründen kann. Wer sich nicht dran hält, dem drohen hohe Geldstrafen. Drastische Mittel im Kampf gegen das Virus. War das damals gerechtfertigt? Vier Jahre danach gehen die Meinungen noch immer auseinander.
Freiburger Jurist versteht beide Seiten
Für Jan Henrik Klement, Richter und Hochschullehrer der Universität Freiburg, ist das harte Durchgreifen der Stadt nachvollziehbar. Das Verbot, das Zuhause nicht mehr verlassen zu dürfen, sei dennoch einer der intensivsten Grundrechtseingriffe gewesen, die man sich vorstellen kann. Er ist davon überzeugt, dass vergleichbare Ausgangssperren heute nicht noch einmal so umsetzbar wären.
Rechtsstaat steckte in einem Dilemma
Damals habe der Rechtsstaat in einer Situation, die es zuvor nicht gegeben hatte, eine Entscheidung treffen müssen, so Klement. Der Staat sei aus einer rechtlichen Perspektive im Zangengriff zwischen zwei sehr wesentlichen und auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen gewesen, sagt er. Zum einen die Freiheit und zum anderen der Schutz von Leben und Gesundheit. Ein Dilemma, das Spuren hinterlassen hat.
Kneipenwirtin spürt Auswirkungen der Pandemie noch heute
Die Wirtin der Freiburger Eckkneipe "Come Inn", Samira Schmidt, erinnert sich an die Zeit im März 2020, als alles wegbrach und ihre Kneipe auf einmal kein Ort der Begegnung mehr war. Und auch heute sei die Stimmung anders, berichtet sie. Einige ihrer Gäste seien psychisch angeschlagen und redeten heute noch davon.
Rückblick auf ersten Lockdown vor vier Jahren So hat die Corona-Pandemie das Leben in BW eingeschränkt
Geschäfte und Restaurants schließen, Schüler bleiben zu Hause: Vor vier Jahren trat der erste Lockdown in der Pandemie in Kraft. Es sollten weitere folgen. Ein Rückblick.
Therapeut hält Isolation für eine psychische Herausforderung
Wie sehr die Menschen unter der Ausnahmesituation gelitten haben, hat Robert Klorer hautnah mitbekommen. Der Therapeut bei der Psychologischen Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Freiburg bestätigt: Die Folgen der Isolation seien noch heute spürbar. Wie ein Brennglas habe die erzwungene Absonderung in dieser Zeit gewirkt und bei vielen Menschen Themen angestoßen, deren Bewältigung für manche bis heute eine Herausforderung darstelle.
Was die Pandemie auch gezeigt hat: Es gibt zu wenig Therapieplätze, die über die Krankenkasse abgerechnet werden können. Durch die Corona-Pandemie war der Bedarf deutlich gestiegen, nicht so jedoch die Anzahl der Kassensitze, die an Psychotherapeuten vergeben werden.
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Lokale Unterstützungsinitiativen für Einzelhandel und Gastronomie
Auch wenn die Pandemie für viele eine Herausforderung war, hat sie nicht vielleicht doch in mancher Hinsicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestärkt? Ein Beispiel dafür wäre die Aktion #supportyourlocal. Anwohnerinnen und Anwohner konnten mit dieser Initiative den lokalen Einzelhandel, die Gastronomie oder Künstler unterstützen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt hat während Corona gelitten
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat sich mit den gesellschaftlichen Folgen der Pandemie befasst. Das Ergebnis ist ernüchternd: Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei in Baden-Württemberg in der Pandemie deutlich zurückgegangen. Vor allem für jüngere Befragte habe sich die Situation durch die Pandemie verschlechtert.
Um dem entgegenzuwirken, gilt es laut der Studie, Begegnungsräume wieder aufzubauen und dabei ein gezieltes Angebot für benachteiligte Gruppen zu schaffen. Empfehlungen, die Gastronomen, wie die Freiburger Kneipenwirtin Samira Schmidt, sicherlich begrüßen würden und eine weitere Krise erträglicher machen könnten.