Der badische Aktenknoten - eine traditionelle Art der Aktenheftung - gehört der Vergangenheit an: Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland in Deutschland flächendeckend die elektronische Akte in der Justiz einführt. Die kleinen Amtsgerichte von St. Blasien (Kreis Waldshut), Schönau (Kreis Lörrach) und Bad Säckingen (Kreis Waldshut) waren die letzten von 125 Gerichte im Land, wo die E-Akten installiert wurden. Alle Zivilverfahren werden damit nun digital bearbeitet. Ordnungswidrigkeiten und Strafverfahren sollen bis in zwei Jahren folgen. Sieben Jahre hat die Umstellung bislang gedauert.
Die lange Dauer der Umstellung erklärt die Pressesprecherin des Justizministeriums, Anna Härle, gegenüber dem SWR. Man habe nach und nach alle Justizangehörigen der 152 Gerichte im Land in Präsenzterminen im Umgang mit der E-Akte schulen müssen. Dies sei für die Akzeptanz der neuen Arbeitsweise hilfreich und erforderlich gewesen. Über eine gestaffelte Einführung sei sichergestellt worden, dass der Gerichtsbetrieb durch den Umstieg auf die elektronische Aktenführung so gering wie möglich beeinträchtigt wurde.
Die Justiz des Landes Baden-Württemberg habe sehr früh die Wichtigkeit der elektronischen Aktenführung erkannt und habe deshalb die Einführung der E-Akte mit großem Engagement gestartet, so Härle weiter. Selbst die Corona-Pandemie habe diesen Prozess nicht wesentlich eingeschränkt, zumal sich gerade in den Zeiten des umfassenden Lockdowns die E-Akte, mit der auch ein Arbeiten auf Distanz möglich war, als sehr gewinnbringend erwiesen habe. Womöglich habe es das Land deshalb vor allen anderen Bundesländern geschafft, die E-Akte flächendeckend einzuführen.
Ministerin: "Meilenstein bei der Digitalisierung der Justiz"
Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) sprach zum Abschluss der landesweiten Einführung der Akte von einem Meilenstein in der Digitalisierung der baden-württembergischen Justiz. Baden-Württemberg sei damit bundesweit Spitzenreiter im Bereich der Digitalisierung. Bei der E-Akte gehe es darum, die Arbeit bei Gericht effizienter zu gestalten, damit sich die Richterinnen und Richter auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.
Komfortable Verfahrensbearbeitung am PC
Zudem sollen die Justizmitarbeitenden entlastet werden: So können bei der E-Akte jetzt mehrere Richter gleichzeitig an einer Akte arbeiten oder sie können auch im Homeoffice darauf zugreifen, was eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit sich bringe, so Gentges.
Digitalisierung soll Verfahren beschleunigen
Modernste Hard- und Software ersetzten Papier-Aktenstapel oder rollende Aktenwagen auf den Gängen, so das Justizministerium. Das ermögliche einen schnellen Datenaustausch und vereinfache und beschleunige die Verfahrensbearbeitung. Moderne Verschlüsselungssysteme sollen dabei stets einen umfassenden Datenschutz gewährleisten.
Laut Ministerium setzt die Justiz in ganz Deutschland beim Versand elektronischer Nachrichten auf das besonders gesicherte Elektronische Gerichtspostfach "EGVP" sowie auf den eigens eingerichteten Elektronischen Rechtsverkehr (ERV), der eigene, gesicherte Zugänge und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nutzt. Auch für das Akteneinsichtsportal, über das die Akteneinsicht an Verfahrensbeteiligte gewährt wird, besteht demnach ein eigenständiges Sicherheitskonzept.
Justizministerin Gentges will die Digitalisierung der Justiz weiter vorantreiben und damit die 7.400 Mitarbeitenden in der Justiz des Landes entlasten. Mit Hilfe von KI-gestützten Assistenzsystem könnten weitere Arbeitserleichterungen folgen. Zum Beispiel beim elektronischen Einreichen von Klagen: Solche Verfahren werden im Bereich der Fluggastrechte bereits getestet.
St. Blasien ist das kleinste Amtsgericht in Baden-Württemberg. Eine Doku dazu im SWR:
Alle Gerichte und Strafverfolgungsbehörden werden ab dem Jahr 2026 bundesweit zur elektronischen Aktenführung verpflichtet.