Wasser aus Flasche fließt ins Glas - besser als aus dem Hahn?

Abkochgebot für Bürger und Pflegeheime

So reagieren die Böblinger auf die Verunreinigung im Trinkwasser

Stand
Autor/in
Deborah Kölz
Porträt Reporterin Deborah Kölz
Thomas Fritzmann
Thomas Fritzmann

Seit Mittwoch ist in Böblingen und Dagersheim das Trinkwasser verunreinigt. Es gilt ein Abkochgebot. Wie werden die Bürger und Pflegeheime mit der Situation fertig?

Im Böblinger Wassersystem wurden vergangene Woche Bakterien entdeckt. Auch nach fünf Tagen kommt von den Stadtwerken Böblingen keine Entwarnung: Die Menschen in der Stadt sollen weiter ihr Wasser abkochen, bevor sie es trinken oder damit Essen zubereiten. Ganz konkret betroffen sind laut den Stadtwerken die Stadtteile Ost, West, Diezenhalde und Dagersheim. Dazu haben sie auf ihrer Webseite auch eine Stadtkarte des betreffenden Gebiets eingestellt. Wie geht es den Bürgern damit?

Darf ich noch duschen? Wie muss ich den Geschirrspüler jetzt einstellen? Die Wasserwerke Böblingen geben auf ihrer Webseite hilfreiche Tipps zu den Fragen, die sich gerade rund ums Trinkwasser in Böblingen stellen.

Böblinger Bürger: Mit Flaschenwasser kochen und auf Salat verzichten

Klar, sei es anstrengend, aber die meisten Böblinger sagten dem SWR, sie würden beim Abkochgebot mitmachen. Auch wenn das mehrmahlige Einschalten des Wasserkochers natürlich wieder zusätzlich Strom kostet, wie ein Mann zu bedenken gibt. "Aber es muss jeder selber wissen, ob er seine Gesundheit schätzt oder nicht," sagt er. Ein junger Mann erzählt, dass er ohnehin fast nie Leitungswasser nutze, sondern stets Flaschenwasser. Das nehme er nun auch teilweise fürs Kochen oder koche das Trinkwasser eben die vorgeschriebenen sieben Minuten ab.

"Man muss es ja nicht herausfordern. Deshalb war das Abkochgebot für mich jetzt nicht so tragisch."

Eine ältere Dame findet die Umstellung nicht so schlimm. Sie fülle die Kaffeemaschine jetzt eben mit Flaschenwasser - aber ohne Sprudel. Und sie verzichte momentan auf Salat: "Eben alles, was man da unter Leitungswasser waschen müsste. Das ist für mich gerade Tabu." Denn sie wüsste, was die Bakterien anrichten könnten. Da mache man sich schon Gedanken um die Leute, die ständig mit so "Dreckwasser" konfrontiert seien.

Mann trägt Wasser-Sixpack
Die Böblinger müssen aktuell ihr Leitungswasser abkochen oder Flsschenwasser kaufen. (Symbolbild)

Pflegeheime: Kaffeemaschinen getauscht und Zahn-Putz-Verordnung

Neben den Bürgerinnen und Bürgern sind im Stadtgebiet Böblingen auch einige Senioren- und Pflegeheime betroffen. Während das verkeimte Trinkwasser auf gesunde Menschen laut einer Sprecherin der Stadtwerke vermutlich nicht viel Einfluss hat, sollten vor allem immungeschwächte Menschen aufpassen. Die Pflegeeinrichtungen haben sich nach eigenen Angaben deshalb palettenweise mehr Wasser in Flaschen ins Haus geholt. Außerdem seien die Bewohner und Mitarbeitenden informiert worden. Im Böblinger Pflegeheim "Haus am See" würden die Leute das gut aufnehmen, sagt Heimleiter Ljubomir Puljiz. Bisher habe es da keine Proteste gegeben und die Leute würden das angebotene Flaschenwasser nutzen.

Heimleiter Gerd Olinger vom "Wohn- und Pflegezentrum Flugfeld" berichtet zumindest von einem kleinen Knackpunkt: Am schwierigsten sei es gewesen, den Leuten klar zu machen, dass sie auch zum Zähneputzen das Flaschenwasser nutzen müssten. Ansonsten habe man im Haus gut umstellen können. Die Kaffeemaschinen mit Anschluss an die Leitung seien sofort vom Netz genommen und durch anders befüllbare Geräte ausgetauscht worden. In der Küche werde vor dem Kochen das Wasser abgekocht.

Seniorin greift nach Wasserflasche
Gerade Menschen mit schwächerem Immunsystem wie Senioren müssen bei verunreinigtem Wasser aufpassen. (Symbolbild)

Zum Glück keinen Wassersprudler gekauft

Außerdem sei nach der Meldung der Stadtwerke am vergangenen Mittwoch sofort jemand losgezogen und habe für das Heim und seine 57 stationären Bewohner Wasser in Kanistern gekauft. Etwa 40 Fünf-Liter-Kanister hätten sie besorgt, um erstmal über das Wochenende zu kommen, so Heimleiter Olinger. Zudem hätten sie das große Glück gehabt, viel Sprudel auszugeben und diesen noch palettenweise in der Tiefgarage zu haben.

Dabei hätte das Heim vor knapp zwei Monaten noch überlegt, wegen des Wasserschleppens von Sprudelflaschen umzusteigen auf Wassersprudler, die dem Trinkwasser einfach Kohlensäure zusetzen. Damals sei der Vorschlag im Team abgelehnt worden, weil jemand zu Bedenken gab, dass es auch einmal zu Wasserverunreinigungen kommen könnte und man das Leitungswasser dann nicht nutzen dürfe.

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Nach Angaben des Heimleiters scheint es außerdem nicht zu Engpässen beim Wasserkauf zu kommen. Die Supermärkte die er besuche, hätten direkt wieder aufgefüllt.

Wasserwerke suchen Ursache für Verunreinigung

Dabei hatte es eine Verunreinigung wie jetzt tatsächlich noch nicht in Böblingen gegeben, teilten die Wasserwerke dem SWR mit. Es seien bei den Proben vor allem Coliforme Bakterien und an einer Entnahmestelle eColi-Bakterien entdeckt worden, so die Stadtwerke. Sie seien dabei den Ursprungsort einzugrenzen. Wie lange das Wasser noch verunreinigt sein wird, sei noch nicht abzusehen. Es werden täglich Proben entnommen und im Labor getestet.

Bis dahin wird das Wasser in dem betroffenen Stadtgebiet auch noch vorsichtshalber gechlort. Der Chlorgehalt sei für Menschen aber nicht schädlich, es könnte aber ein Geruch aus der Leitung auftreten. Aquarien sollten damit aber nicht befüllt werden. Und auch Haustieren sollte aktuell nur Wasser aus der Flasche oder abgekochtes Leitungswasser gegeben werden.

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