Der frühere Landeschef der Grünen, Andreas Braun, sitzt im Gerichtssaal (Archiv).

Abrechnungsbetrug bei arabischen Patienten?

Stuttgart: Urteil im Klinikskandal gegen Ex-Grünen-Landeschef Braun erwartet

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Verena Neuhausen
Verena Neuhausen

Im Korruptionsskandal am Klinikum Stuttgart soll am Donnerstag das Urteil gegen den Ex-Abteilungsleiter, Andreas Braun, fallen. Er fühlt sich von der Politik im Stich gelassen.

Kurz bevor am Donnerstag das Urteil im Prozess um mutmaßliche Korruption am Klinikum Stuttgart fallen soll, hat der Angeklagte Andreas Braun das Landgericht Stuttgart um eine Bewährungsstrafe gebeten. Nur aufgrund seiner Aussagen während der sechsmonatigen Untersuchungshaft und danach habe der Klinikskandal aufgeklärt werden können, sagte er am Dienstag vor Gericht. Seit Dezember 2023 muss sich Braun als Ex-Leiter der Auslandsabteilung (International Unit) des Klinikums wegen Korruption im Auslandsgeschäft vor dem Landgericht verantworten.

Wegen Klinik-Vorwürfen saß Braun bereits in U-Haft

Vor seiner Tätigkeit im Klinikum Stuttgart war Andreas Braun baden-württembergischer Landeschef der Grünen gewesen. Vor der Partei hat er sich mittlerweile distanziert. Nach seiner politischen Karriere war er bis 2015 zehn Jahre lang Leiter der Auslandsabteilung des Klinikums Stuttgart. Dabei soll er maßgeblich bei der Abrechnung nach Behandlungen von Kriegsversehrten aus Libyen betrogen haben, so die Anklage. Auch im Zusammenhang mit Plänen für ein Krankenhaus in Kuwait soll er ebenfalls Schmiergeld gezahlt und bekommen haben. Braun hatte wegen der Vorwürfe bereits 2018 sechs Monate in Untersuchungshaft gesessen.

Ex-Grüner Braun: "Man hat mich auflaufen lassen."

Braun und seine Verteidigung erklärten kurz vor der Urteilsverkündung im Prozess, der Job im Klinikum sei nur über politische Kontakte zustande gekommen. Vor Gericht hatte er zwar einige Versäumnisse in seiner Arbeit für das Klinikum eingeräumt, aber auch darauf hingewiesen, dass sowohl die Klinikchefs als auch die Krankenhausbürgermeister der Stadt Stuttgart über seine Arbeit informiert waren. "Geschäfte mit Arabern sind schwierig", so Brauns Anwalt, das sei allen klar gewesen. Zunächst sei Braun aber finanziell erfolgreich gewesen, deshalb habe man ihn als "Retter des defizitären Klinikums gefeiert", so der Verteidiger weiter. Als dann aber Schwierigkeiten auftraten, "hat man mich sehenden Auges auflaufen lassen", so Braun vor Gericht.

Der frühere Landeschef der Grünen, Andreas Braun, sitzt im Gerichtssaal (Archiv).
Der ehemalige baden-württembergische Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Braun, muss sich im Zusammenhang mit dem Klinikskandal vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. (Archivfoto)

Verteidigung kritisiert "organisierte Verantwortungslosigkeit"

Es stimme auch nicht, dass nur seine Abteilung problematisch gewesen sei, sagte er am Dienstag vor Gericht. Die gesamte Klinik sei in einem Zustand "organisierter Verantwortungslosigkeit und Organisationsversagens" gewesen. Eine erneute Haftstrafe würde er nicht verkraften. Laut seinem Verteidiger ist er wegen suizidaler Tendenzen derzeit in stationärer Behandlung. Die Zeit in der Stammheimer Untersuchungshaft habe ihn seine Familie, seine Ersparnisse und seine Arbeit gekostet, sagte Braun. Er habe es danach wieder geschafft, Arbeit zu finden und sein Privatleben in den Griff zu bekommen. Er hoffe, dass man jetzt nicht "die Kleinen hänge und die Großen laufen lasse".

Stuttgart

Angeklagter macht ausführliche Erklärung Klinikskandal Stuttgart: Ex-Grüner Andreas Braun wegen Korruption vor Gericht

Die juristische Aufarbeitung des Stuttgarter Klinikskandals geht in die nächste Runde. Erstmals muss sich ein hoher früherer Landespolitiker der Grünen vor Gericht verantworten.

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Staatsanwalt fordert mehrjährige Haftstrafe

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer in der vergangenen Woche gefordert, Braun zu drei Jahren und zehn Monaten Haft zu verurteilen. Dabei soll es vor allem um Abrechnungsbetrug bei Patienten aus Libyen gehen, die wegen ihrer Kriegsverletzungen in Stuttgart behandelt wurden. Den Männern sollen auch Taschengelder auf Kosten des Klinikums ausgezahlt worden sein. Außerdem soll sich Braun laut Staatsanwaltschaft wegen Untreue strafbar gemacht haben, als er an Planungen des Klinikums Stuttgart zum Aufbau einer Klinik in Kuwait maßgeblich mitgewirkt hatte. Das Krankenhaus wurde nie gebaut.

Archiv: So begann der Prozess

Keine Aussagen von ehemaligen Politikern vor Gericht

Versuche, frühere Krankenhausbürgermeister als Zeugen in dem Prozess zu laden, hatte das Gericht abgelehnt. Darunter waren auch der spätere Staatsminister Klaus-Peter Murawski (Grüne) und Michael Föll (CDU), die beide derzeit keine politischen Ämter mehr bekleiden. Der ehemalige Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) ist ebenfalls im Kontext des Klinikskandals angeklagt, sowie ehemalige Klinikchefs.

Der Klinikskandal hat zu einer ganzen Reihe von Prozessen vor dem Stuttgarter Landgericht geführt. Zuvor waren bereits Vermittler von ausländischen Patienten wegen krummer Geschäfte mit dem Klinikum Stuttgart verurteilt worden.

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