Das Stuttgarter Tierheim kümmert sich derzeit um 68 Hunde der Rasse Chihuahua, die es auf einmal aufnehmen musste. Das Jahr beginne mit traurigen Rekordzahlen, teilte das Tierheim mit. Es beklagte dabei drei Fälle von sogenanntem Animal-Hoarding, bei dem Tierhalterinnen oder Tierhalter mehr Tiere haben als üblich und damit oft überfordert sind. "Wir haben alleine in diesem Jahr schon über hundert Tiere aus vergleichbaren Haltungen geholt", berichtet das Veterinäramt angesichts des Chihuahua-Falls.
Stadt Stuttgart: Käuferin beschwerte sich
Auf die Chihuahuas stieß das Stuttgarter Veterinäramt durch die Beschwerde einer Käuferin. "Wir haben viele Meldungen in solchen Fällen, wo potenzielle Käufer sich bei uns melden", berichtet Thomas Stegmanns, der Leiter des Veterinäramts Stuttgart. Tierärztinnen stellten bei der Chihuahua-Züchterin vor Ort fest, dass die Hunde unter katastrophalen Bedingungen gehalten wurden: In einem Keller, teilweise in Einzelboxen eingesperrt, 68 Chihuahuas in einem oder zwei Räumen. "Das ist natürlich für die Tiere Stress pur und die Geruchsbelästigung durch den Gestank nach Ammoniak, was die Atemwege reizt, war nicht unerheblich."
Der städtische Vollzugsdienst brachte die Tiere schließlich ins Stuttgarter Tierheim. Sie wurden dort gründlich untersucht, teilt das Veterinäramt mit, räumt aber auch ein: "Sie können bei 68 Tieren, die herumwuseln, die Tiere natürlich nicht jeweils eine halbe Stunde klinisch untersuchen." Allerdings seien die Tiere ohne Wunden und im Wesentlichen nicht total verwahrlost, erklärt Stegmanns.
Außer den 68 Chihuahuas musste sich das Stuttgarter Tierheim zu Jahresbeginn auch auf eine Menge neuer Katzen einstellen. 18 von ihnen stammten aus illegaler Zucht und 9 weitere von einem überforderten Halter. Ein kleiner Teil der Katzen sei bereits in der Vermittlung, teilt das Tierheim mit. Die restlichen Katzen sowie die 68 Chihuahuas sollen ebenfalls in den kommenden Wochen in die Vermittlung kommen. Doch zuvor müssten die Tiere falls nötig noch gesundgepflegt werden. Hinzu kommt, dass einige der Hündinnen trächtig sind. Die vielen neuen Tiere im Heim stellen das Personal vor immense Herausforderungen, sagt Petra Veiel, Sprecherin des Tierheims Stuttgart. Auch finanziell sei es eine Belastung.
"Wir sind natürlich auch froh, dass dann alles relativ kleine Hunde waren, also mit 68 Rottweilern wäre das schwieriger geworden", sagt Veterinäramts-Chef Thomas Stegmanns. Und da es sich bei Chihuahuas um kleine Hunde handelt, schätzt er ihre Chancen, ein neues Zuhause zu finden, als besser ein als die großer Artgenossen.
Animal-Hoarding kann vor Gericht landen
Über die Züchterin und wie es bei ihr zu einer solch großen Zahl an Chihuahuas gekommen ist, weiß das Veterinäramt derzeit nach eigenen Angaben noch kaum etwas. Deswegen macht es dazu keine weiteren Angaben. "Ich denke mal, das ist der Züchterin über den Kopf gewachsen", erklärt Stegmanns und spricht von einer gewissen Eigendynamik, die in solchen Fällen zu so vielen Tieren führe. "Die Leute sind überfordert, und es ist in vielen Fällen so, dass die Leute auch froh sind, dass es jetzt vorbei ist."
Er geht davon aus, dass die Frau ihre behördliche Zulassung zur Züchtung von Tieren verlieren wird. Außerdem prüft die Polizei Stegmanns zufolge jetzt, ob eine Straftat vorliegt. Falls die Staatsanwaltschaft danach Anklage erhebt und es zu einem Prozess kommt, werden an Züchterinnen und Züchter strengere Maßstäbe angelegt - schließlich könne man erwarten, dass diese Personen über mehr Sachkunde in der Tierhaltung verfügen als Privatleute. Das werde auch bereits beim Zulassungsverfahren durch das Veterinäramt geprüft, erklärt dessen Chef Stegmanns. "Wir überprüfen auch diese Sachkunde, beispielsweise in einem Gespräch. Das hilft aber natürlich nicht, wenn - aus welchen Gründen auch immer - so etwas aus dem Ruder läuft."
Das sollte man beim Kauf eines Haustiers beachten
Wer sich als Privatperson ein Tier zulegen möchte, dem empfiehlt das Veterinäramt entweder den Besuch eines Tierheims oder sich den oder die Verkäuferin sowie die Haltungsbedingungen der Tiere genauer anzusehen. Ist das nicht möglich, rät Stegmanns, die Finger davon zu lassen.
Debatte über Hundeführerschein in BW
Auch Veterinäramts-Leiter Stegmanns verfolgt die Diskussion über die mögliche Hundeführerschein-Pflicht in BW. Es sei natürlich vernünftig, durch Kurse den Umgang mit und das Wissen über die Tiere zu lernen. Doch bei einem Hundeführerschein sieht er ein praktisches Problem: "Was machen wir mit den Hunden in den Fällen, in denen der Halter keinen Hundeführerschein hat?"
Unterdessen versucht das Stuttgarter Tierheim weiter, mit den vielen neuen Tieren klar zu kommen. "Die Situation ist chaotisch, die Nerven liegen blank und wir sind am Ende der Kräfte", teilt das Tierheim auf Facebook mit. "Wie soll das alles weitergehen? Es wird nicht der letzte Fall in diesem Jahr sein, der uns die Kräfte raubt, aber für die armen Tierchen geben wir natürlich alles." Neben den Tieren aus den Fällen des Animal-Hoardings kommt laut Tierheim außerdem die große Zahl an Fundtieren dazu. Ende 2023 sei darüber hinaus "ein ordentlicher Schwung" Zebrafinken ins Tierheim gekommen - und im Oktober 2023 wurden außerdem mehr als 50 Katzen aufgenommen, von denen sich einige derzeit noch immer im Tierheim befinden.