Die Stuttgart-21-Baustelle von einer nahen Anhöhe aus gesehen

Komplizierte Inbetriebnahme

Stuttgart 21: Diese Schritte sind jetzt noch bis zum Start nötig

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Frieder Kümmerer
Frieder Kümmerer

S21 wird nicht wie geplant 2025 in Betrieb gehen. Stattdessen plant die Bahn eine komplizierte stufenweise Inbetriebnahme - doch geschieht das auf dem Rücken der Fahrgäste?

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Das Großprojekt Stuttgart 21 soll im Dezember 2026 in Betrieb gehen. Ausgenommen davon ist die Anbindung der Gäubahn über den Pfaffensteigtunnel, der noch gebaut werden muss. Das bestätigt jetzt auch offiziell die Bahn am Dienstag in Stuttgart. Bereits am Montag hatte der SWR berichtet, dass sich die Inbetriebnahme definitiv um ein Jahr verzögern wird.

Klar ist aber auch: Die Bahn will dennoch schon vorher Züge mit Fahrgästen durch den Tiefbahnhof leiten. In dieser Zeit bleibt der Kopfbahnhof durchgehend in Betrieb. Gestaffelt will die Bahn ab 2025 immer mehr Elemente von Stuttgart 21 bis zur vollständigen Inbetriebnahme im Jahr 2026 testen.

Die komplette Pressekonferenz zur Verzögerung bei Stuttgart 21 vom Dienstag zum Nachschauen:

So soll die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 ablaufen

Die Bahn spricht von der komplexesten Inbetriebnahme in Europa. Vor allem ist es aber wohl die komplizierteste Inbetriebnahme aller Zeiten.

  • Ende 2025: Der Testbetrieb wird im Tiefbahnhof aufgenommen. Lokführer sollen für den neuen Bahnhof geschult und verschiedene Zugtypen im Tiefbahnhof ausführlich getestet werden. Primär wird der Streckenabschnitt Feuerbach - Hauptbahnhof - Flughafen - Wendlingen im Testbetrieb aufgenommen.
  • Ab 2026: Im Laufe des Jahres 2026 werden im Testbetrieb auch einzelne reguläre Züge mit Fahrgästen in den Tiefbahnhof geleitet. Für die Fahrgäste soll es am jetzigen Kopfbahnhof dann einen Durchgang zum Tiefbahnhof geben.
  • Mitte 2026: Der neue Abstellbahnhof Untertürkheim wird in Betrieb genommen werden. Damit soll auch das neue digitale Stellwerk in Untertürkheim den Betrieb aufnehmen.
  • Sommer 2026: Die S-Bahn-Stammstrecke wird mindestens für sechs Wochen während der Sommerferien gesperrt. In dieser Zeit soll final die neue digitale Technik für den Betrieb vorbereitet werden.
  • September 2026: Die S-Bahn-Stammstrecke geht unter neuer digitaler Sicherungstechnik (ETCS) in Betrieb. Die Gäubahn wird in Stuttgart-Vaihingen unterbrochen. Die S-Bahn fährt ab dann durch den neuen Tunnel zur Neckarbrücke nach Bad Cannstatt.
  • Ab Oktober 2026: Der Bahnhof Bad Cannstatt wird umgebaut. Die Gleise werden neu verlegt, sodass der Regional- und Fernverkehr von dort dann nur noch in den Tiefbahnhof fahren kann.
  • Dezember 2026: Der neue Digitale Bahnknoten inklusive Tiefbahnhof geht in Betrieb. Der Kopfbahnhof soll ab dann nicht mehr angefahren und außer Betrieb genommen werden. Stuttgart 21 und der Digitale Knoten (Baustein 1 und 2) soll dann (mit Ausnahme der Gäubahnanbindung) komplett in Betrieb sein.

SWR-Reporter und Bahnexperte Frieder Kümmer fasst in der SWR Aktuell-Sendung vom 11. Juni 2024 zusammen, welche Auswirkungen der Testbetrieb von Stuttgart 21 ab 2026 für die Fahrgäste hat:

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Schulungen für rund 2.500 Lokführerinnen und -führer

Der gesamte Bahnknoten soll also im Dezember 2026 in Betrieb gehen. Der Grund sind die Herausforderungen mit dem Digitalen Knoten - durch die Entscheidung 2019, dass Stuttgart 21 auch mit der neuen digitalen Technik ausgerüstet wird, also mit dem European Train Control System (ETCS). Laut Bahn-Insidern heißt das aber auch, dass rund zwei Drittel mehr Eisenbahnanlagen, zum Beispiel Weichen oder Stellwerke, gebaut und in Betrieb genommen werden müssen, als ursprünglich einmal geplant war.

Ab Oktober 2025 will die Bahn ausführlich den Tiefbahnhof testen. Schritt für Schritt sollen mehr Systeme und mehr Elemente in diesen Testbetrieb aufgenommen werden, so die Deutsche Bahn. Rund 2.500 Lokführerinnen und -führer müssen geschult werden, verschiedenste Lok- und Zugtypen getestet und "Kinderkrankheiten" ausgemerzt werden.

Bauarbeiter auf der Baustelle des milliardenschweren Bahnprojekts Stuttgart 21
Auf der Baustelle von S21 (Archiv)

Testbetrieb auf den Rücken der Fahrgäste?

Das Kuriose: In dieser Testphase sollen vereinzelt im Laufe des Jahres 2026 bereits reguläre Züge mit Passagieren in den Tiefbahnhof fahren. Dafür könnte es mehrere Gründe geben, einer davon dürfte die schiere Größe sein. Denn so ein Bahnknoten in dieser Dimension und mit so einer Technik ist in dieser Größenordnung bisher einmalig. So viele Züge und Konstellationen in einem Bahnknoten auf Herz und Nieren zu prüfen ist kompliziert. Da dürfte es sich anbieten, einfach reguläre Züge ab einem gewissen Punkt mit in den Testbetrieb einzubeziehen.

Für Fahrgäste dürfte das aber zu mehr Komplikationen führen. Wie lange Fahrgäste im Voraus informiert werden, ob ihr Zug im Tiefbahnhof oder dem alten Kopfbahnhof abfährt, kann die Bahn noch nicht genau sagen. Auch, ab wann die ersten Züge mit Fahrgästen im Tiefbahnhof fahren sollen, verschweigt die Bahn.

Zugleich werden die langen Laufwege am Hauptbahnhof noch länger werden. Denn es wird vom Bahnhofsvorplatz aus keine Abkürzung in den Tiefbahnhof geben. Stattdessen soll es erst an den Gleisen vom alten Kopfbahnhof einen Abgang in den unterirdischen Durchgangsbahnhof geben, der zumindest barrierefrei sein soll.

Baukräne stehen um den Hauptbahnhof in Stuttgart.
Baukräne stehen um den Hauptbahnhof in Stuttgart (Archiv)

Offene Fragen zum Pfaffensteigtunnel und "Baustein 3"

Weiterhin unklar bleibt, wie es mit den zwei großen Folgeprojekten von Stuttgart 21 weiter geht. Konkret geht es um den weiteren digitalen Ausbau. Denn durch Stuttgart 21 ist nur der digitale Ausbau im Kern der Landeshauptstadt abgedeckt, aber die gesamte Region soll mit ETCS ausgerüstet werden. Wie allerdings dieses Projekt realisiert werden kann und wer das bezahlt, das kann laut Bahn erst mit der Aufstellung der Bundeshaushalte für 2025 und 2026 entschieden werden.

Das gleiche gilt für den sogenannten Pfaffensteigtunnel. Dieser soll die Gäubahnstrecke, also die Eisenbahnstrecke von Zürich über Singen nach Stuttgart, zukünftig mit dem neuen Flughafenbahnhof und damit auch mit dem neuen Tiefbahnhof verbinden. Die Planfeststellungsunterlagen dafür sind bereits eingereicht, aber auch hier ist nach wie vor die Finanzierungsfrage nicht geklärt.

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