33 Jahre nach ihrem Tod

Ehemalige Rundfunk-Mitarbeiterin erhält Stolperstein

Stand
Autor/in
Luisa Bleich
SWR-Redakteurin Luisa Bleich

Künstler Gunter Demnig verlegt am Montag wieder Stolpersteine in Stuttgart. Auch an Klara Lemberger, eine ehemalige Rundfunk-Mitarbeiterin, soll auf diese Weise erinnert werden.

Am Montag findet die 42. Stolperstein-Verlegung in Stuttgart statt. Dieses Mal wird es auch einen Stolperstein für eine ehemalige Mitarbeiterin der Süddeutschen Rundfunk AG (Sürag), geben. Aus der Sürag ging 1949 der SDR hervor, der 1998 mit dem Südwestfunk (SWF) zum Südwestrundfunk (SWR) fusionierte. Klara Lemberger, von allen nur Kläre genannt, arbeitete ab 1930 bei der Sürag und baute dort das Schallplattenarchiv auf. 1933 sollte sie eigentlich befördert werden. Nach ihrem Urlaub folgte stattdessen die Entlassung. Der Grund: Klara Lemberger war Jüdin - zumindest auf dem Papier. Ihre Familie lebte den Glauben nicht. "Es hat gereicht, dass sie Juden waren", sagt Michael Scheck. Er ist ein Neffe von Klara Lemberger und hat die Verlegung des Stolpersteins initiiert.

Drei kleine Mädchen auf einer Fotografie Anfang des 20. Jahrhunderts.
Klara Lemberger (links) war die jüngste von drei Schwestern. In der Mitte ist ihre Schwester Anna, rechts ihre Schwester Maria zu sehen. Bild in Detailansicht öffnen
Ein Familienfoto in schwarz-weiß aus dem 20. Jahrhundert.
Die Familie von Klara Lemberger (Mitte): Ihr Vater Isidor, ihre Mutter Jenny, ihre älteste Schwester Maria (zweite von rechts) und ihre mittlere Schwester Anna (links) Bild in Detailansicht öffnen
Drei Schwestern in Faschings-Kostümen auf einer alten Fotografie aus dem 20. Jahrhundert.
Klara Lemberger (rechts) und ihre beiden Schwestern in Faschings-Kostümen Bild in Detailansicht öffnen

Machtergreifung der Nationalsozialisten: Flucht vor Verfolgung

Nach der Kündigung lebte Klara Lemberger von Gelegenheitsjobs. Ende der 1930er Jahre kontaktierte sie schließlich verschiedene Konsulate. Sie wollte raus aus Deutschland - so schnell wie möglich. 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, hatte Klara Lemberger Glück. Sie bekam eine Schiffspassage und konnte nach England fliehen.

Hier entging sie zwar der Verfolgung, ein einfaches Leben hatte sie dort laut ihrem Neffen aber trotzdem nicht. Klara Lemberger schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. "Sie hat, glaube ich, auch mit der Sprache zu kämpfen gehabt", erzählt Scheck.

An ihrem ersten Geburtstag in London erhielt Klara Lemberger einen Brief von ihrem Schwager, dem Vater von ihrem Neffen Michael Scheck. Scheck hat den Brief seines Vaters vorgelesen:

Einmalige Rückkehr nach Stuttgart

Zurück nach Deutschland wollte Klara Lemberger trotzdem nie. Sie kam nur ein einziges Mal zurück: auf Einladung des damaligen Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel (CDU). Rommel hat während seiner Amtszeit als Oberbürgermeister ein Besuchsprogramm für ehemalige jüdische Stuttgarterinnen und Stuttgarter ins Leben gerufen. Klara Lemberger blieb nur für wenige Tage. Laut ihrem Neffen Scheck fiel es ihr schwer, wieder zurück in Deutschland, zurück in Stuttgart zu sein. Sie habe sich aber sehr über die persönliche Einladung des Oberbürgermeisters gefreut.

Sie wollte nochmal ihr Stuttgart sehen.

Der Besuch in Stuttgart war das erste und einzige Mal, dass Michael Scheck seine Tante persönlich traf.

Entschädigungen durch den Süddeutschen Rundfunk

Nach dem Krieg führte Klara Lemberger ein "Wiedergutmachungs-Verfahren" mit der Bundesrepublik Deutschland. Vom Süddeutschen Rundfunk (SDR) erhielt sie zwischen 1953 und 1974 19.400 DM aus dem Künstlerfonds. Das geht aus Dokumenten von damals hervor. Mit dem Künstlerfonds hat der SDR mehrere Jahrzehnte lang von den Nationalsozialisten verfolgte Künstlerinnen und Künstler unterstützt. Eine Entschuldigung habe Klara Lemberger vom SDR aber nie erhalten, erzählt ihr Neffe Michael Scheck.

Neben Klara Lemberger wurden wohl noch zwei weitere Mitarbeitende "wegen ihrer jüdischen Abstammung" entlassen. So steht es in einem Bericht über die Personalveränderungen beim Süddeutschen Rundfunk aus dem Jahr 1933. Insgesamt wurden von Januar bis März 1933 sieben Mitarbeitende entlassen. Weitere Entlassungen sind möglich, lassen sich aber nicht mehr rekonstruieren.

Stolperstein soll an Lembergers Schicksal erinnern

1990 starb Klara Lemberger an Leukämie. Michael Scheck und seine beiden Brüder flogen für die Beerdigung nach London und wohnten in der alten Wohnung ihrer Tante. Hier, in ihrem Nachlass, fand Scheck einen großen Karton. Bis er sich den Inhalt genau angeschaut hatte, vergingen einige Jahre. Später fand er darin Briefe, Fotos und weitere Schriftstücke und wandte sich damit an Archivare.

33 Jahre nach ihrem Tod gibt es am Montag nun jeweils einen Stolperstein für Klara Lemberger, ihre Eltern Jenny und Isidor Lemberger und ihre beiden Schwestern Maria Schäfer und Anna Scheck vor ihrem ehemaligen Haus in der Urbanstraße.

20 Jahre Stolpersteine in Stuttgart

In Stuttgart gibt es die Stolperstein-Initiative seit 20 Jahren. Der SWR-Mitarbeiter und Ehrenamtliche der Initiative Stolpersteine Stuttgart, Andreas Langen, war damals daran beteiligt, das Projekt in die baden-württembergische Landeshauptstadt zu bringen. Er hatte von den Stolpersteinen in einer Zeitung gelesen. "Das Projekt hat mich total überzeugt. Es überzeugt mich bis heute", so Langen.

Stuttgart

Gedenken an Opfer des Faschismus 20 Jahre Stolpersteine in Stuttgart

Stolpersteine sollen an Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Seit genau 20 Jahren sind sie auch ein Teil der Stuttgarter Straßen.

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Einen Stolperstein initiieren kann jede und jeder. Die Kommune müsse aber zustimmen, so Langen. Dass sei in Stuttgart aber kein Problem. Michael Scheck hat eine Weile überlegt, findet es jetzt aber wichtig, dass seine Familienmitglieder Stolpersteine bekommen.

Es ist wichtig, dass man an das erinnert, was früher mal war und wie die Leute gelitten haben. Und wenn ich heute sehe, wie sich die Menschheit von allen Seiten kaputtmacht, vielleicht wenn einer an so einem Stein steht, hält er mal kurz inne und sagt: Warum machen die Menschen sowas?

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