Fidan Cinki ist im sechsten Monat schwanger - und wurde Anfang März nach Istanbul in die Türkei abgeschoben. Weil sie dort keine Bleibemöglichkeit hat, ist sie wieder bei ihren Eltern im Osten des Landes. Statt mit ihrem Mann Harun Coban jetzt in Stuttgart-Möhringen zusammen zu sein und gemeinsam auf die Geburt ihres Kindes zu warten, sitzt Cinki mitten im türkischen Erdbebengebiet.
Cinkis Asylantrag in Deutschland wurde bereits im Dezember 2021 abgelehnt. Cinki und Coban schalteten einen Anwalt ein. Aber auch die Klagen am Verwaltungsgericht Stuttgart sowie am Verwaltungsgerichtshof Mannheim waren erfolglos.
Anwalt kämpft weiter
Um die Abschiebung rückgängig zu machen, bliebe nur noch der Gang vors Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof, sagt Anwalt Rolf Gutmann aus Schorndorf (Rems-Murr-Kreis). Die Aussichten seien schlecht, aber er überlege, es dennoch zu probieren.
Gutmann habe schon viele Abschiebe- und Asyl-Fälle behandelt. Dieser gehe ihm besonders nahe. "Ich halte diesen Fall für außergewöhnlich."
Der Anwalt versteht nicht, wie eine hochschwangere Frau abgeschoben werden kann. Die Schwangerschaft sei zudem nicht problemlos gewesen, Cinki habe eine Zeit im Krankenhaus verbracht. "Für mich ist das eine Risiko-Schwangerschaft", sagt Gutmann. Aber die Behörden hielten dagegen, das Risiko habe sich ja nicht verwirklicht.
Aber müsse erst etwas Schlimmes riskiert werden, fragt sich der Anwalt. "Ich denke, jeder, der sich mit Kindern befasst, möchte, dass sie gesund aufwachsen können und nicht in so schwierigen Situationen zur Welt kommen, wie das jetzt gerade im Osten der Türkei der Fall ist."
Coban: "Alles war gut, bis die Polizei kam"
Alles sei gut gewesen, bis die Polizei plötzlich eines Morgens im Treppenhaus stand, sagt Harun Coban. Fidan Cinkis Mann ist seit mehr als fünf Jahren in Deutschland. Er hat die türkische Staatsbürgerschaft und in Deutschland eine Niederlassungserlaubnis. Cinki ist Biologie-Lehrerin, kam 2020 nach Deutschland und wollte gerne hier leben und arbeiten. Der Umzug in die eigene Wohnung war schon geplant, bevor die Abschiebung kam.
Vor zwei Jahren haben die beiden geheiratet. Ihre Hoffnung war, dass, selbst wenn der Asylantrag scheitert, dann das Recht auf Familienzusammenführung greife. "Unsere einzige Sorge war, dass die Schwangerschaft gut verläuft und welchen Namen wir für unsere Tochter aussuchen", erzählt Coban.
Ministerium: Es braucht den Weg eines regulären Visumverfahrens
Das baden-württembergische Ministerium der Justiz und für Migration argumentiert, wenn eine Aufenthaltserlaubnis geprüft werde, würden zwar familiäre Gründe gelten. Jedoch auch "allgemeine Erteilungskriterien". Im Fall von Fidan Cinki wären das die Punkte "Sicherung des Lebensunterhalts" und vor allem "Einreise mit einem erforderlichen Visum".
Fidan Cinki habe nicht den Weg des regulären Visumverfahrens eingeschlagen. Coban sagt, das hätte zu lange gedauert, und seine Frau hätte dafür ausreisen müssen. Die Schwangerschaft habe das aber verhindert. Mit der Abschiebung gilt für Cinki nun ein Einreiseverbot nach Deutschland. Im Juni wird ihr Kind zur Welt kommen.
Harun Coban ist verzweifelt
Harun Coban hat keine Hoffnung mehr. Er verzweifle an der deutschen Bürokratie: "Alles, was unser Anwalt gemacht hat, wurde abgelehnt." Jetzt muss er zusätzlich fürchten, dass er bei der Geburt seiner Tochter nicht dabei sein kann. Würde er in die Türkei reisen, befürchtet er, nach 14 Tagen festgenommen zu werden und Militärdienst leisten zu müssen. Er wolle auch nicht mehr zurück. Seine Lebensmittelpunkt sei hier in Stuttgart.
Ohne Wasser, Strom und Küche im Katastrophengebiet
Es gehe Fidan in der Osttürkei nicht gut, sagt ihr Mann Harun, der nun allein in der kleinen Dachwohnung in Stuttgart-Möhringen lebt. Vor Ort sei sie in einem Zelt untergebracht. Es gebe kein Wasser und keine Küche, Strom nur manchmal. Auch die Verbindung zu ihr über Telefon oder Internet sei meist sehr schlecht.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer besteht
Das Ministerium und auch die Stadt Stuttgart teilen mit, es stehe Fidan Cinki nach wie vor frei, ein Visum zu beantragen. Und von Seiten der Stadt Stuttgart heißt es: "Sollte das Visumverfahren erfolgreich verlaufen, kann sie bei der Stuttgarter Ausländerbehörde den Antrag stellen, das verhängte Einreiseverbot zu verkürzen. Bei einem erfolgreichen Visumverfahren wäre auch der Antrag auf Verkürzung aussichtsreich."