Mehr als 4.000 Adressen im Rems-Murr-Kreis sind von Hochwasser gefährdet. Das geht aus einer Untersuchung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungsgesellschaft (GDV) hervor. Damit liegt der Kreis auf Platz drei der am meisten von Hochwasser gefährdeten Landkreise in Baden-Württemberg. Nur im Landkreis Rastatt und im Main-Tauber-Kreis sind demnach prozentual mehr Adresse gefährdet. Ein Hochwasser könne den Rems-Murr-Kreis jederzeit treffen, so das Landratsamt. Das Foto oben zeigt Backnang am 13. Januar 2011. Die Murr war über die Ufer getreten, die Innenstadt stand unter Wasser.
Im Risikogebiet wohnen - ein "mulmiges Gefühl"
Von einem Überschwemmungsgebiet spricht man, wenn Hochwasser sich statistisch einmal in 100 Jahren ereignet. "Durch den Klimawandel kann es aber auch häufiger vorkommen, dass ein Überschwemmungsereignis eintritt", sagt Simon Kistner, Amtsleiter für Umweltschutz im Rems-Murr-Kreis. Er wohnt in Beinstein bei Waiblingen.
Auf den Hochwassergefahrenkarten ist sein Haus rot markiert. Das bedeutet: Kistner wohnt mitten im möglichen Überschwemmungsgebiet. Sollte die Rems über die Ufer treten, wäre der Schaden für ihn groß. "Am Anfang war es ein etwas mulmiges Gefühl, weil ich wusste, irgendwann könnte mein Wohnzimmer überschwemmt werden", so Kistner. Doch er sei zuversichtlich, dass der Landkreis die richtigen Maßnahmen getroffen habe und es keine großen Schäden geben werde, sagt er weiter.
Rems-Murr-Kreis: Hochwassergefahrenkarten sind nicht aktuell
Laut Simon Kistner sind die Hochwassergefahrenkarten ein wichtiger Teil des Schutzes gegen Hochwasser. Außerdem gehören sie zur Datengrundlage für die Untersuchung der GDV. Doch die Karten werden momentan überarbeitet - und sind laut Landratsamt frühestens 2026 fertig. Bis dahin sollen weitere Schutzmaßnahmen umgesetzt werden, die in den aktualisierten Karten berücksichtigt werden.
Verband der Versicherer: Jahrhundertfluten eigentlich alle zehn Jahre
Auch die Auswertungen der Versicherungen zeigen, dass es immer häufiger Hochwasser gibt. "Die Jahrhundertfluten kommen eigentlich schon alle zehn Jahre vor", meint Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Versicherer.
Im Rems-Murr-Kreis will man auf den nächsten Starkregen bestmöglich vorbereitet sein. Die Kreisverwaltung plant seit vergangenem Jahr ein Pegelmessnetz zur besseren Früherkennung von Hochwasser. Die neuen Pegel sollen das aktuelle Flutinformations- und Warnsystem "Fliwas" ergänzen. Ende 2024 soll das System an den Start gehen und 27 Kommunen in der Region schützen.
Hochwasserrückhaltebecken in Strümpfelbach wird ausgebaut
"Für uns ist das Signal da, die Strukturen entsprechend anzupassen. Wir müssen schnell wissen, wo Gefahrenpunkte entstehen", sagt Landrat Richard Sigel (parteilos). Viele Maßnahmen sind laut Landratsamt bereits umgesetzt - oder werden ausgebaut. So wird derzeit das Hochwasserrückhaltebecken bei Strümpfelbach ausgebaut auf eine maximale Dammhöhe von rund 14 Metern. Genauso wichtig wie ein gutes System seien regelmäßige Übungen der Einsatzkräfte, heißt es beim Landratsamt in Waiblingen.
Verdoppeln sich Versicherungsprämien in Risikogebieten?
Eigene Vorsorge sei laut Simon Kistner ebenfalls entscheidend. "Ich empfehle einen Notfallrucksack mit den wichtigsten Dokumenten und einer Notfallration", sagt der Gewässerexperte. Außerdem rät er zu einer Elementarschadenversicherung. Diese übernehme im Falle eines Hochwassers den Schaden. Noch kann jeder die Versicherung abschließen. Doch das könnte sich in Zukunft ändern. "Die Prämien in Risikogebieten könnten sich in den nächsten 10 bis 15 Jahren verdoppeln", erklärt Anja Käfer-Rohrbach von der Versicherungsgesellschaft.
Die Politik müsse sich intensiver mit dem Risiko auseinandersetzen und langfristiger denken, so Anja Käfer-Rohrbach. Sie ist der Meinung, dass die Bauordnung und das Bauplanungsrecht dringend angepasst werden müssten. "Wir bauen noch so wie vor 150 Jahren, als würde es den Klimawandel nicht geben", sagt Käfer-Rohrbach. Das Baurecht müsse an den Klimawandel angepasst werden und an manchen Stellen sei das Risiko mittlerweile zu groß, um zu bauen.